Dienstag, Februar 28, 2012

Überraschungen im Strassenverkehr

Auf ägyptischen Strassen muss man mit allem rechnen, vor allem mit dem Unmöglichen. Das ist Alltag, das ist normal. Nicht umsonst hat Ägypten eine der höchsten jährlichen Raten tödlicher Unfälle.

In und um Hurghada sind die Strassen richtungsgetrennt, zum Glück! Als neulich ein schwerer, tödlicher Unfall geschah, wurde der Verkehr kurzerhand auf die Gegenfahrbahn geleitet. Ohne Anzeigetafeln, ohne Verkehrspolizist, einfach so. Da fuhren also Autos, Minibusse und Lastwagen gegeneinander, was für Ägypter sehr ungewohnt ist. Gleichzeitig bogen aber die Fahrzeuge von rechts weiterhin in die Fahrbahn ein, auf der plötzlich Gegenverkehr entgegen kam. Folglich gab es zwei Kolonnen herwärts, eine hinwärts, und zwar in der Mitte!!! Haarsträubend!!! Ausnahmsweise machte ich die Augen zu und hoffte, dass das gut gehen möge.

Und warum fahren Autos, Minibusse und Lastwagen über längere Strecken rückwärts, dem Verkehr auf der richtungsgetrennten Fahrbahn entgegen? Manchmal, weil sie verpasst haben abzubiegen. Manchmal aber auch, weil einige Hundert Meter weiter vorne ein mobiler Polizeiposten steht . Wenn die Papiere des Fahrers nicht in Ordnung oder nicht vorhanden sind oder wenn das Fahrzeug eigentlich schon längst fahruntüchtig oder gestohlen ist, heisst es: abhauen. Rückwärts eben. Warum nur, frage ich mich jedes Mal, stellt die Polizei nicht jemanden 500 m früher auf Posten? Das Ergebnis ihrer Kontrolle wäre viel ausgiebiger. Und die gefährliche Rückwärtsfahrerei würde massiv eingeschränkt.


Freitag, Februar 24, 2012

Jedem das Seine

Neben mir schlendern leicht bekleidete Touristen aus ich-weiss-nicht-wo. Das ist nicht ungewöhnlich. Sie tragen das, was man an einem Ferienort halt so trägt: Träger T-shirt, Hotpants, Bermudas, Sandalen, Sonnenbrille, Sonnenhut und Sonnenbrand.

Ungewöhnlich finde ich diese Bekleidung jedoch bei diesen Temperaturen: 19 Grad im Schatten und kühler Wind. Habe ich früher über Ägypter gestaunt, die bei 30 Grad Celsius in dickem Winterpullover oder warmer Jacke auf die Strasse gehen, staune ich heute über Feriengäste, die sich kleiden, als ob wir im Hochsommer wären.

Und ich gestehe: ich gehöre nun auch zu jenen, die Wolljacke und Wollpullover bei 25 Grad trägt und das als angenehm wohlig empfindet! Wer nun denkt, ich sei übergeschnappt, den lade ich ein, die Wintermonate in nicht isolierten Häusern zu verbringen, in denen die Temperatur nachts auf 16 Grad fällt und tagsüber mit Glück auf 18 Grad klettert! J




Freitag, Februar 17, 2012

Geschafft: im Paradies

Um ins Paradies zu kommen, braucht es entweder Glück oder eine gewisse Anstrengung. Oder beides.

Ich hatte etwas Glück, denn es wurde mir angeboten. Liebe auf den ersten Blick war es nicht, obwohl ich hier schon öfter war. Zum Trainieren, zum Schwimmen.

Und ich musste mich fest anstrengen: ich putzte viele Stunden, um die Spuren der Nachlässigkeit des Vormieters zu beseitigen. Es war mir ein Graus. Ich wurde krank, kämpfte mit einer Lebensmittelvergiftung. Und ich musste umziehen. Alles miteinander bzw. durcheinander!

Doch es hat sich gelohnt: jetzt wohne ich im Paradies. Genauer gesagt, im „Paradise Village“, einer italienischen Residenz. Es ist eine gepflegte Wohnanlage mit italienischer Trattoria, deutscher Bäckerei, kleinem Supermarkt, Swimmingpool, Terrasse und kleinem Garten drum herum.  Nachmittags ertönt dezent Chill Out oder italienische Musik. Man grüsst sich hier – etwas, das ich als „Landei“ sehr vermisst habe. So blieb ich beim ersten freundlichen „Buon giorno“ beinahe sprachlos. Beim zweiten Mal entstand schon ein Gespräch mit einer Französin.

Es ist eine Oase der Ruhe, der Sauberkeit, der Freundlichkeit. Es ist endlich ein Platz zum Auftanken, zum Erholen, zum Sein und zum Bleiben. Ein Paradies im alltäglichen Chaos Ägyptens.


Sonntag, Februar 05, 2012

Polizeistaat Ägypten – was ist davon übrig?

Polizei. Überall Polizei. An jeder Strassenecke, vor jeder Bank, vor jedem Museum, vor jedem Hotel, Maschinengewehre im Anschlag, griffbereite Nagelbretter, alle paar Kilometer Checkpoints. So sah ich Ägypten, als ich Ende 2006 erstmals her kam. Ich war geschockt, hatte ich das erst einmal vorher in meinem Leben gesehen: in Chile 1987.

Die Polizei hat unterdrückt, schikaniert, erpresst, gefoltert, getötet. Khaled Sayed , ein junger Alexandriner, ertappte Polizisten beim Drogenhandel, fotografierte das und lud die Bilder ins Internet. Dafür büsste er mit seinem Leben. Vorher misshandelte ihn die Polizei bis zur Unendlichkeit. Die Polizei sagte aus, Khaled habe ein Päckchen Marihuana verschluckt, um es zu verstecken. Ein Aufschrei ging durchs Land und viele betrachten diese Tat als den berühmten Tropfen im übervollen Fass, die schlussendlich die grossen Aufstände ab November 2010 hervorbrachte.
Das war Ägyptens Polizei bis zum 25.1.2011. Seither ist sie quasi verschwunden. Fast. Sie kommt jeweils zurück, um Demonstranten zusammenzuschlagen bzw. zu erschiessen, Journalisten abzuführen, manchmal auch noch, um Staatsgebäude zu schützen, was ihnen nur teilweise gelingt. Jedenfalls hat es weder früher noch heute zu ihren Aufgaben gehört, den Bürger zu schützen.
Im März 2011 wurde auf Druck der Demonstranten versprochen, die Polizei (Staatssicherheitspolizei) zu reformieren. Das ist nicht geschehen. Die letzten 12 Jahre sind eine lange Aneinanderreihung von unerfüllten Versprechungen.
Gefängnisse werden gestürmt und hochgefährliche Insassen flüchten. Die Gasleitungen nach Jordanien und Israel werden in regelmässigen Abständen bombardiert. Banden verunsichern ganz Ägypten, verüben Überfälle und Einbrüche, kidnappen und verlangen Lösegelder. Der Waffenschmuggel blüht – bald jeder anständige Bürger trägt eine Waffe auf sich. Die anderen sowieso.
Bei dem Fussballdesaster in Port Said sah die Polizei mit wenigen Ausnahmen nur zu. Augenzeugen berichten, dass sich Polizisten weigerten, die Notausgänge zu öffnen – sie hätten dazu keinen Befehl erhalten. Im Internet zirkulieren Videos, die ZUGESCHWEISSTE Notausgänge zeigen.
In den letzten Tagen gab es eine Häufung von Banküberfällen und seit Port Said wurden erneut  Polizeistationen und Gefängnisse überfallen, Gefangene freigelassen, Waffen erbeutet. Die Polizei hat sich heftig gewehrt, einige kamen bei den Schiessereien um.
Heute wurde das Finanzministerium in Kairo in Brand gesetzt – eine weitere Katastrophe in einer rasenden Spirale, die Ägypten in den Abgrund spült. Die Polizei, der Staat (noch der Oberste Militärrat) hat weder Kraft noch Macht. Ihre Macht war Unterdrückung, Einschüchterung und Folter – die Wirkung ist verblasst, die Ägypter haben genug davon. Der Polizeistaat zerbröckelt, löst sich auf, aber die Polizei hat nichts anderes gelernt…
Als ich heute meinen Einkaufswagen aus dem Einkaufszentrum schob, erblickte ich wenige Schritte vor mir ein grosses Polizei-Aufgebot. Polizisten mit kugelsicheren Westen, Waffen, Fahrzeuge. Ein paar wichtige Männer stiegen aus. Ich spazierte zum Taxistand. Mein Taxifahrer fragte mich, ob ich wüsste, was denn drinnen los sei? Ich hatte keine Ahnung! Er sagte etwas von Banküberfall. Gerüchte. Falscher Alarm. Nichts war, nur der Gouverneur kam zu Besuch. Da braucht es natürlich so ein Polizeiaufgebot.

Freitag, Februar 03, 2012

Begegnungen als Radfahrerin

Manchmal häufen sich meine Erlebnisse, wenn ich mit dem Rennrad unterwegs bin. Kürzlich wurde ich wieder Mal von der Polizei angehalten. Zuerst ignorierte ich die Hallo-Rufe aus einem neben mir fahrenden Auto – weil das ständig passiert. Doch dann musste ich wohl oder übel anhalten und absteigen. Ein grosser Mann stellte sich höflich als Polizist vor. Irritiert bat ich ihn, mir seinen Ausweis zu zeigen. Was wollten die denn wieder von mir?

Ich hatte kurz vorher schon gesehen, dass auf der äusseren Autobahn Polizei stand, was sonst nicht vorkommt. Der Mann fragte mich, wohin ich denn wolle und woher ich komme.

Zu meiner grossen Überraschung war er um mich besorgt und meinte, ich hätte mich verirrt! Denn vor einer Stunde sei eine Gruppe Rennvelofahrer durchgefahren, die von Kairo nach Assuan unterwegs war, unter Polizeischutz. Und wenn ich alleine nach Assuan fahren will, brauche ich keine Erlaubnis, habe ich auch sofort erfahren.

Diesen Plan musste ich letzten Winter schon wegen der Revolution begraben. Ich nahm es mir für diesen Winter vor. Die Ereignisse der letzten Wochen mit Banküberfallen und mehreren Entführungen stimmen mich aber nicht zuversichtlich L.

Wenige Tage später hatte ich schon wieder ein Polizeifahrzeug neben mir. Der Polizist stellte die üblichen Woher-Wohin-Fragen und meinte dann „Willkommen in Alaska!“. Ja, an dem Tag war der Himmel mit dicken, schweren Wolken behangen und es war ziemlich kalt.

Und heute hielt ich unterwegs an, um einen Telefonanruf anzunehmen. Ausnahmsweise legte ich mein Rad auf den Boden – und schwupps! hielt ein Auto an und fragte, ob ich Hilfe benötigte. Fünf Minuten später das Nächste! Nun weiss ich wenigstens, dass ich bei einer Panne sofort Hilfe angeboten erhalte – ein beruhigendes Gefühl.

Wenn doch nur ganz Ägypten wieder so wäre!




Mittwoch, Februar 01, 2012

Katastrophen noch und noch


Es hört einfach nicht auf! Mehrere (versuchte und erfolgreiche) Überfälle auf Banken, Wechselstuben und ein Postamt in wenigen Tagen. Keine Polizei oder Sicherheitsleute, um das zu verhindern!

Und heute Abend: über 70 Tote bei einem Fussballspiel in Port Said!?!? Die Sicherheitsleute konnten (oder wollten) die angegriffenen Spieler und Fans nicht schützen.

Ich bin echt gespannt was das Parlament morgen anlässlich seiner Dringlichkeitssitzung dazu zu sagen hat und ob es etwas unternimmt, ausser bloss zu reden. Und das SCAF? Sind wieder „unsichtbare Hände“ im Spiel?

Es sieht eher so aus, als ob Mubarak und sein Regime sein Versprechen einlösen möchte: „Nach mir das Chaos“.

Da war das Erdbeben vorgestern mit seiner Stärke von 4.4 auf der Richterskala geradezu harmlos. Obwohl mir – ehrlich gesagt – äusserst unwohl war, denn es war das Stärkste von all den Erdbeben hier während der vergangenen Monate.

Auf einem Blog schrieb ich, ich könne mir nicht vorstellen, dass es noch schlimmer würde… Ich gestehe, ich habe mich schwer getäuscht.