Donnerstag, März 27, 2014

Klugheit überschätzt

Also doch: El Sisi kandidiert. Viele Ägypter behaupten, er sei sehr schlau und intelligent. Ich antwortete jeweils, wenn er wirklich so schlau und intelligent ist, wird er nicht als Präsident kandidieren. Er mag ein guter Verteidigungsminister gewesen sein. Das garantiert jedoch NICHT, dass er auch ein guter Präsident wird.

Nun kandidiert er also. Schade. Ich hätte ihn für klüger gehalten. Er wird früher oder später scheitern. Die Probleme, die zu lösen sind, sind enorm. Dazu kommt noch, dass er zu viele Hoffnungen weckt und wenn diese Hoffnungen enttäuscht werden, meldet sich das Volk unmissverständlich wieder.

Schlussendlich, wenn er wirklich sooo schlau ist: wie kann es sein, dass er sich für eine weitere Runde von gefälschten Wahlen hergibt?

Oh je, was kommt noch alles auf Ägypten zu.

Dienstag, März 25, 2014

Hässliche Fratze

Obwohl ich gar nicht wirklich Zeit zum schreiben habe und vermutlich jeder Journalist und jeder Blogger seine Meinung kund tut: ich muss auch!

Dieses haarsträubende, unverschämte und unrechtmässige Todesurteil über fünfhundertneunundzwanzig (!!!) angebliche Anhänger von Muslimbrüdern bringt mich innerlich zum Zittern, wenn ich daran denke. Mit diesem Rundumschlag zeigt das „neue“ Regime seine hässlichste Fratze. Eine weitere „Gerichtsverhandlung“ über siebenhundert „Schuldige“ soll diese Woche folgen!

Bisher wurden Gerichtsverfahren wenigstens formal korrekt – als Schauprozesse - durchgeführt. Hier aber wurden Menschen schlichtweg pauschal zum Tode verurteilt. Es war ein Henkersgericht! Hej, es geht um M-E-N-S-C-H-E-N! Es sind Brüder, Schwestern, Söhne, Töchter, Väter und Mütter und alle haben Familie, Freunde, Bekannte – es sind nicht irgendwelche gefährlichen Schwerverbrecher, die Morde hinter sich haben. Ihr „Verbrechen“ ist vermutlich, dass sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Und selbst wenn sie wirklich Anhänger der Muslimbrüder sind, macht sie das noch lange nicht zu Straftätern, die hingerichtet werden müssen. Das Mindeste wäre ein fairer Prozess – aber das gibt es in Ägypten schon lange nicht mehr bzw. gab es wohl noch gar nie. Jedes Regime hat bisher gleich gehandelt – aber niemand schaut zurück.

Die wahren Verbrecher sitzen in der Regierung, in der Justiz, im Innenministerium, in der Armee und in den Chefetagen. Zehntausende von politischen Häftlingen schmoren ohne Anklage, unter katastrophalen, menschenunwürdigen Bedingungen, gefoltert, schlecht ernährt und ohne medizinische Hilfe in überbelegten Verliessen. Darunter sind Hunderte von Kindern, Jugendlichen, Mädchen und junge Frauen – schuldlos, einfach auf der Strasse, auf dem Uni-Gelände oder sonst wo aufgelesen und festgenommen. Journalisten werden getötet oder ebenfalls unter fadenscheinigen Vorwänden hinter Gitter gebracht.  Aktivisten sitzen seit Monaten ohne Anklage im Gefängnis. Das Volk verhungert beinahe, die Infrastruktur zerbröselt – aber das Innenministerium ist dabei, von Russland weitere Waffen zu kaufen! Kann man die essen? – Nein, aber man kann die Wenigen, die noch wagen, den Mund aufzutun, abknallen.

Was ist eigentlich das Ziel dieses „neuen“ Regimes? Die Gewalt, die Brutalität, der wirtschaftliche Niedergang ruft doch noch mehr Gewalt, Demonstrationen, Unruhen und Wut bei der Bevölkerung hervor. Können die Machthaber damit ihre Macht festigen und ausbauen?

Trotzdem lese ich auf Facebook noch Aussagen wie „ich liebe Adly Mansour[…]“ (den Interims-Präsidenten) und Feldmarschall El Sisi wird weiterhin zum Pharaon über das ägyptische Volk erhoben. Es verschlägt mir beinahe den Atem, wenn ich das lese. Interessiert das noch jemanden? Nein. Der Westen schreitet nicht in Syrien ein und genauso wenig bei den unverschämten Menschenrechtsverletzungen in Ägypten. Die Ukraine ist wichtiger – da gibt es Gas. Punkt.

Spontan ist mir heute der Vergleich zur argentinischen Militärdiktatur eingefallen. Ich glaube, Ägypten ist nicht mehr weit davon entfernt.

Gott bewahre dieses friedfertige, lebensfreudige Volk vor einem solchen Los.


Sonntag, März 16, 2014

Kurze Pause

"Kurze Pause" heisst es so schön im Kino, wenn die Zuschauer Gelegenheit erhalten, sich etwas zu trinken zu holen, während der zweite Teil des Films auf die Rolle gelegt wird.

Ich meine jedoch weder das Eine noch das Andere, sondern bitte um Verständnis, wenn ich in den kommenden Wochen nicht berichte. Nochmals bin ich in meiner Heimat, um für einige Wochen meinem ehemaligen Arbeitgeber auszuhelfen.

Mein Kopf ist voll, auch voller Themen über Ägypten. Geduld braucht es besonders von mir. Geduld, wie das Warten auf den herannahenden Frühling: