Donnerstag, Juni 26, 2014

Unser Irrtum

Mit „unser“ meine ich Menschen wie ich, die im Westen mit liberalen und demokratischen Wurzeln aufgewachsen sind. Alleine bin ich deshalb kaum.

Der „Irrtum“ bezieht sich auf all die von den Medien und in unsere Köpfe hinein projizierten Hoffnungen auf eine bessere (arabische) Welt, als der „Arabische Frühling“ zu einem Begriff wurde. Spätestens im November 2010 begann ich mich zu fragen, wie lange es noch gehen würde, bis sich die Ägypter gegen die Diktatur gemeinsam auflehnen würde; nach über drei Jahren bin ich enttäuscht und frustriert, manchmal auch traurig. Auch da bin ich nicht alleine.

Nostalgie
So einig, hoffnungsvoll, stolz und glücklich wie während den Protesten nach dem 25.1.2011 bis nach Mubaraks Sturz werden sich die Ägypter wohl lange nicht mehr fühlen. Es waren emotionsgeladene und spannende Tage. Jahrzehntelange aufgestaute Unterdrückung, Wut und Ärger auf Ungerechtigkeit und Willkür fanden endlich einen Weg nach Draussen. Ganz Ägypten taumelte vor Glück und feierte den vermeintlichen Sieg. Eine Welle von Enthusiasmus schwappte durchs Land: Strassen wurden gefegt, Abfall weggeräumt und mit den Toten das zurückliegende Leid begraben.

Die riesige Hoffnung auf Gerechtigkeit, ein ehrlicheres Ägypten und ein besseres Leben wurde mit gezielten, schrecklichen Ereignissen stückchenweise zerstört und liegt jetzt wie Scherben nach einem Bombenangriff in alle Richtungen verstreut. Heute, gut drei Jahre später ist Ägypten weiter von einem Rechtstaat, Demokratie und Respektierung der Menschenrechte entfernt, als es im Januar 2011 war.  Stattdessen feiert es einen weiteren Diktator und sieht in ihm den Heilsbringer.
Keines der vielen Probleme Ägyptens wurde gelöst, keine der Forderungen des Volkes erfüllt. Übergangs- und gewählte Regierungen kamen und stützten das Regime – nicht aber die Revolution. Die Revolutionäre sitzen im Gefängnis oder haben sich enttäuscht abgewendet, sind ins Ausland geflohen oder wurden ermordet. Der Staat ist faktisch bankrott und wird von ausländischen Geldgebern künstlich am Leben gehalten. Ist das Volk zu schwach?

Montag, Juni 16, 2014

Faszination Red Sea Mountains

Da ist sie wieder, diese unstillbare Sehnsucht nach Landschaft: Weite, Höhe, Leere. Während wir mit dem Jeep über die Sandpiste brausen und braune, rosafarbene und hellgraue Felsen herannahen, fallen meine Gedanken zurück.

*****
Als junges Mädchen verschlang ich Abenteuerbücher zuhauf. Fernsehen interessierte mich nicht. In meinem Kopf spielten sich die Filme ab, die ich aus den Buchstaben und Zeilen kreierte: Kamel-Karawanen durch die Sahara, Piloten, die nach dem Absturz in der Kalahari dank ihrem Wissen überlebten, und all die erfundenen Märchen von Kara Ben Nemsi… Das war meine Welt.

Später dann sah ich „echte“ Wüste: zuerst in Südamerika, dann hier in Ägypten. Als ich das erste Mal mit dem Touristenbus von Luxor nach Hurghada fuhr, riss ich die Augen weit auf: da waren Berge, mitten in der Wüste! Unbewusst prägte ich mir die Strecke ein. Jahre später, bei der zweiten Fahrt in umgekehrter Richtung, erkannte ich sie wieder – das ist meine Landschaft.

*****
Robby lenkt den Jeep durch ein schmales Flussbett, links und rechts liegen Sandsteinschichten in zartem beige, hellem gelb und rosa übereinander. Meterhoch harren scheinbar zu Stein erstarrte Wellen in der Stille aus, geben Schätze preis und erzählen ihre Geschichte – demjenigen, der hinhört und hinsieht: Korallen, Fossilien und Nistplätze für Vögel. Und mitten in diesem Backofen blüht und grünt es: Drei Monate nach den zerstörerischen Regenfällen im März dieses Jahres blüht die Wüste noch immer. Bunte Blumen, grüne Kräuter und Sträucher – ich bin entzückt. Meine Mitfahrer hingegen beugen sich über Fossilienabbildungen in den Korallenblöcken – 40 km Luftlinie von der Küste des Roten Meeres entfernt.

Die Reifenprofile hinterlassen vergängliche Spuren auf einer weiten, offenen Ebene. Im fernen Dunst ragen die Zacken der Red Sea Mountains hoch; hin und wieder steht inmitten des Nichts eine Akazie. Nach ein paar Kilometern wieder eine, wie durch einen unterirdischen Wasserkanal miteinander verbunden.  Dazwischen liegen Dornbüsche oder auch nur Steinwüste. Der Regen hat den vom Wind verwehten Sand weggespült, hinab zur Küste. Geblieben ist Geröll. Bald, sagt Robby, versinkt das Geröll wieder im Sand und der Untergrund wird wieder weich.

Wie lange sind wir schon unterwegs? Ich habe den Sinn für die Zeit verloren; zum Glück. Hier gibt es keinen Lärm, keinen Abfall, kaum menschliche Spuren – weshalb dann Zeit? Die Sonne steht hoch am Himmel, die Luft wird klarer und wir fahren in ein Tal hinein. Heller Granit glänzt in der Hitze, schwarze brüchige Felsen sind offenbar stets in Bewegung. Dazwischen liegt ockergelb der Sand. Wir folgen dem Verlauf des Wadis bis es nicht mehr weiter geht. Robby führt uns über Geröll zu einem kleinen Pass hinauf, wo wir einen atemberaubenden Blick auf noch mehr Landschaft werfen: zu unseren Füssen breiten sich die Red Sea Mountains aus: Felsen, Gipfel, Täler, Felsen, Gipfel, Täler, … westwärts hin zum Nil, südwärts in den Nordsudan. Ich würde am liebsten weiter gehen, weiter wandern, weiter… Doch jetzt im Sommer ist es zu heiss, ich könnte ja nicht mal meinen Wasserbedarf mit mir tragen. Aber im Winter lässt sich das machen, wenigstens ein paar Tage.

Wir verlassen das enge Tal, fahren tiefer in die Berge… Manchmal ist der Untergrund weich, die Reifen des Jeeps graben sich tief in den Sand ein, doch Robby steuert das Fahrzeug zuverlässig wieder auf sicheren Untergrund.

„Stopp!“ rufen, war vereinbart für einen Fotohalt; doch Robby schüttelt unwillig den Kopf. Er verlangsamt die Fahrt und nach der sechsten oder siebten Akazie über der unsichtbaren Lebensader hält er den Jeep an. Hier, im Schatten „seiner“ Akazie werden wir rasten und essen. Innert Kürze baut Robby ein Barbecue aus dem Nichts auf und verwöhnt uns mit kühlem, frischem Salat, gegrilltem Hähnchen mit Kartoffeln sowie Gemüse. Frische Früchte und Tee folgen zu unserer Überraschung. Faulenzen fällt uns in der Hitze und mit vollem Bauch nicht mehr schwer.

Wir brechen wieder auf, rollen hinaus aus dem Tal, um den Berg herum, wieder durch ein weiteres Tal, von dem sich die Felsflanken allmählich zurück ziehen; wir verlassen die Berge, doch zuerst erklimmt der Jeep noch eine steile Sandflanke, bis er stecken bleibt. Die restlichen Meter kraxeln wir zu Fuss hinauf und bleiben oben erneut atemlos stehen: wir blicken über die riesige Sandebene zwischen Bergen und Küste, erkennen dort einen feinen weissen Streifen und dahinter das unscharf blau schimmernde Meer. Was für ein Abschluss für diesen Tag!

*****
Und jetzt, sieht mich Robby fragend an? Meine Antwort: Da ist sie wieder, diese Sehnsucht nach Landschaft, die nie gestillt werden kann, sondern immer nur zunimmt.


Die hier beschriebene Tour war ein Tagesausflug per Jeep mit Robby Schropp von iQ-onTour. Robby organisiert Touren und Trekkings (ein oder mehrtägig) nach Wunsch für Individualisten und Naturliebhaber, Wissbegierige und Outdoor Freaks. Die Touren werden sorgfältig und mit viel Herzblut organisiert und durchgeführt. Weitere Infos direkt bei iQ-onTour.

Einige Eindrücke: