Freitag, Dezember 30, 2016

Winter in Hurghada

Der blaue Himmel, das wunderschöne Rote Meer und die Wüste sind sommers wie winters gleich. Die Sonnenauf- und -untergänge so atemberaubend wie immer. Aber es kann hier sehr kalt sein. Saukalt - mit Verlaub.😏

Es ist Winter in Hurghada, wenn

  • die Touristen in Shirts und kurzen Hosen am Strand spazieren und ich mit Fleece-Jacke jogge und dabei grad warm genug habe.
  • die Frauen in ärmellosen, luftig-dünnen Sommerkleidchen und Sandalen im Supermarkt an der Kasse stehen und ich dahinter im Wintermantel darüber staune.
  • es in der Wohnung nur mit Wollstrümpfen, -hosen, -pullovern und -jacken auszuhalten ist.
  • ich zum Aufwärmen unter die heisse Dusche stehe oder um die Mittagszeit an ein windgeschütztes Plätzchen in die Sonne sitze.
Und wenn es trotz allem nie Nebel hat, nie grau ist und die Sonne von einem meist makellos blauen Himmel strahlt. 😎

Dienstag, Dezember 27, 2016

Kraftort Wüste

BegehrenNachStilleNachNaturSchönheitReinheitRuheFrieden.

BefriedigungWüsteSandFelsSteinPflanzenVogelgezwitscherBienensummenAmeisenkrabbeln.

StauenenAuftankenWandernStauenenAuftankenWandern.

StilleHorchenRuheFinden.





Zabadda! Zabadda!

„Zabadda!“, „Zabadda!“, dringt eine jugendliche Stimme von draussen herein. Was das wohl ist? Weder der Karton- noch der Altmetallsammler. Letzterer singt fast. Der hier ruft immer nur dasselbe Wort: „Zabadda!“, „Zabadda!“.

Ich geh auf den Balkon hinaus, um nachzusehen, was das wohl sein mag. Ein Teenager in olivgrünem Kaftan geht mit schwerem, aber sicheren Schritt über die holprige Sandstrasse. Links und rechts trägt er je eine aus Palmwedeln geflochtene Tasche. Sie scheinen schwer zu sein.

Er stellt die Taschen ab. Sieht sich um. Reibt sich die Hände. Niemand da. Er greift wieder nach den Taschen und geht weiter. Sein Kaftan ist schmutzig. Das Gesicht ist jung. Hübsch. Grosse Schritte macht er.

Ein Mann mit Telefon am Ohr kommt von der anderen Richtung gegangen. Er sieht den Jüngling gar nicht, obwohl der seine schweren Taschen neben ihm abstellt. „Ya Pasha!“ spricht er ihn höflich an. Der reagiert noch immer nicht. „Ya Pasha!“, etwas lauter. Der rundliche Mann nimmt sein Telefon vom Ohr und widmet seine Aufmerksamkeit kurz dem Jüngling. Nein, er wolle nichts. Er klebt sein Telefon wieder ans Ohr und geht weiter.
Der Junge steht wieder unschlüssig da. „Zabadda!“, „Zabadda!“, ruft er wieder. Da entdeckt er mich auf dem Balkon. „Was verkaufst du denn da?“, frage ich ihn.

Auf zwei Rädern durch Kontinente

Sobald ich welche entdecke, halte ich und spreche sie an. Rare Spezies auf Hurghadas Strassen, doch immer wieder kommt es vor, dass ich ihnen begegne: den Langdistanz-Radlern.

Im Oktober entdeckte ich ein junges Paar, das von England nach Südafrika unterwegs war. Die beiden wurden von der Polizei begleitet und waren über den Grund recht verunsichert. Die drei im Auto zusammen gequetscht sitzenden Polizisten meinten es gut, wussten aber gar nicht, wohin die zwei Radler wollten. Die wiederum konnten sich nicht verständlich machen.

Gern habe ich gedolmetscht und Missverständnisse ausgeräumt. Die jungen Engländer wurden dann noch per Polizeistreife quer durch die Stadt zu ihrem Hotel begleitet.


Unterwegs von England nach Südafrika (im Oktober in Hurghada)

Am Weihnachtstag sind mir wieder zwei Radler begegnet. Zwei junge Männer, Rudy und Mohamed, liessen sich vom starken Nordwind tragen. Das hatten sie auch nötig: die beiden fahren auf Eichholzrädern, die stolze 18 Kg auf die Waage bringen. Ganze zwei Gänge stehen ihnen zur Verfügung. Irrsinn? Gelassen und überaus zufrieden erklärten sie mir, dass die Räder ein besonderes Sponsoren-Projekt seien. Der eine der beiden überreichte mir eine Art (essbare) Visitenkarte aus Apfelresten – er möge keinen Abfall. Sehr ökologisch. Wir standen am Strassenrand, der mit Abfall gespickt ist, eines der vielen Probleme Ägyptens. Wohin des Weges? Die beiden waren Anfang November in Holland gestartet und sind quer durchs eisige Europa, dem Donauradweg entlang und bis nach Athen gestrampelt. Von dort sind sie per Flugzeug nach Kairo geflogen. Ihr Ziel ist Mekka in Saudi-Arabien, also per Fähre von Safaga nach Jeddah hinüber. Wer den Beiden folgen will, kann das auf Facebook tun: Sie nennen sich Deen Travellers (Deen = Arabisch für Religion).

die "Gottes-Reisenden" (Deen Travellers)

18 Kilo, 2 Gänge

Was einen doch alles antreibt, auf zwei Rädern durch die Welt zu radeln!


Donnerstag, Dezember 15, 2016

Kleiner Glücksmoment

Einmal mehr hab ich Wasser, ein paar Bananen und den Fotoapparat eingepackt und bin weggefahren. Hinaus, in die Wüste. Ohne 4x4 Fahrzeug ist das zwar nicht so einfach – aber ich habe ja Beine, die mich tragen.

Und so bin ich gewandert… über die von Steinen gesprenkelten Hügel hinauf, in die verhärteten Sandebenen runter und wieder hinauf und wieder hinunter… bis ich vor der der kleinen Schlucht stand. Die wollte ich mir von oben ansehen… 

… und dort oben fand ich das, was ich sonst nirgends finde. Die Anstrengung hat sich gelohnt.

Eindrücklich, welche Spuren die Wassermassen der Sintflut Ende Oktober hinterlassen haben. Es müssen gewaltige Kräfte gewesen sein, die hier getobt haben. Die Bilder mögen einen Hauch einer Idee geben:





Montag, Dezember 05, 2016

Ein Kampf der Spass macht

Teilnahme am Triathlon in Sahl Hasheesh

Der Wecker klingelt um halb fünf. Müde stehe ich auf und trinke, während ich mich anziehe, rasch einen Kaffee. Meine Sachen habe ich schon gestern Abend gepackt.
Draussen ist es noch still und dunkel. Als ich ankomme, skizziert die Dämmerung einen feinen Schimmer am Horizont. Eine friedliche Stimmung liegt über dem Gelände.

Ich wechsle meine Schuhe, packe meinen vollgestopften Rucksack, setze mein Rennrad zusammen und spaziere in die Wechselzone. Zeit, um den Sonnenaufgang zu betrachten, nehme ich mir noch. Fantastisch, immer wieder.

Meine Kollegen und fremde Athleten sind schon da. In einer halben Stunde soll es losgehen.

Eineinhalb Kilometer schwimmen, so schnell wie möglich. Mein Kollege kommt klatschnass aus dem Meer, rennt ausser Atem in die Wechselzone und stoppt bei mir. 15. Position. Ich reisse ihm den Sender ab, befestige ihn an meinem linken Bein und schwinge mich motiviert auf den Sattel.

Sonntag, November 27, 2016

Was eine einzelne Blüte lehrt

Winzige Blüten in warmem Rotton stecken zwischen Dornen und grünen Blättern. Wenigstens von Frühwinter bis Frühsommer. In Gärten blühen sie auch länger. Ihr Name: Blut Christus.


Die starken Regenfälle und der Hagel vor einem Monat haben den Staub von den Blättern gewaschen und endlich, vor vierzehn Tagen, kam die erste Blüte. Die Erste seit Juni! Ich war entzückt.

Täglich guck ich nun suchend die Triebe an und stelle fest: immer noch keine zweite Blüte, nur Blätter. Blütenknospen sind schon da.

Alles braucht seine Zeit.

Wir haben viele Sprichwörter, die uns zu Geduld ermahnen. „Geduld bringt Rosen“ - „Wenn man am Gras zieht, wächst es trotzdem nicht schneller“ - „Was lange währt, wird endlich gut“ – „Rom ist auch nicht in einem Tag erbaut worden“ – „Gut Ding will Weile haben“ – „Eile mit Weile“. Noch mehr?

Alles braucht seine Zeit.

Das sagt man so schön – doch danach leben fällt eindeutig schwieriger.

Vorgestern endlich kam die zweite Blüte. Ich war erneut entzückt. Und irgendwie erleichtert. Also doch!

Täglich guck ich nun die Triebe an und stelle fest: da sind noch mehr Blüten in den Knospen verborgen. Doch auch wenn ich noch so lange hingucke, und das mehrmals am Tag, sie wachsen einfach nicht schneller.

Alles braucht seine Zeit.

Was für eine anschauliche Lektion. So einleuchtend erschien mir die vermeintliche Wahl zwischen „Geduld haben“ und „ungeduldig sein“ noch nie. Wahrlich: alles braucht seine Zeit.


Ich wünsche euch einen schönen Advent.



Montag, November 21, 2016

Wenn… dann wären wir kein Drittweltland


Eine dreckige, ein Meter breite Ölspur tanzt über die Wellen, dem Boot nach. Immer wieder muss ich mit meinem Surfboard drüber. Das Boot ist grad mit Touristen hinausgefahren und ich bin sauer. Die braune Brühe ekelt mich an. Wie kann man nur!!!!

Später frage ich meinen Surflehrer, ob er das nicht melden könne. Eigentlich schon, meint er, dafür wäre die Wasserpolizei zuständig. Aber der Besitzer des Hotels oder des Bootes ist mit jemandem von der Polizei befreundet… Keine Chance.

Ja, aber, entrüste ich mich, die haben doch auch Gäste am Strand und wenn das Öl dort landet, macht das einen miesen Eindruck und einen schlechten Ruf. Die leben doch auch vom Tourismus.

Tja, wenn wir so weit denken würden, dann wären wir kein Drittweltland!

*****

Und der Satz geistert mir jetzt regelmässig im Kopf herum, wenn ich vor unlogischen Situationen stehe und denke „ja, aber…“

  • Abfallcontainer, die statt am Fahrbahnrand, in der Kurve, mitten in der Fahrbahn stehen.
  • Frisch geteerte Strassen, die grad wieder aufgerissen werden, weil irgendwas vergessen wurde
  • Bauschutt, der vom obersten Stockwerk runtergeworfen wird, ohne dass darunter jemand gewarnt oder aufmerksam gemacht wird
  • Die Abzocke und widerliche Anmache der Bazaar-Kerle
  • Die Taxifahrer, die vor einem genau dann anhalten, wenn man die Strasse überqueren will
  • Die Taxifahrer, die mit Vollgas genau dann auf einen zufahren, wenn man die Strasse überquert
  • Der Autofahrer, der in der Rechtskurve anhält, die Wagentüre weit öffnet, seelenruhig aussteigt und mit dem Handy am Ohr anfängt, die Windschutzscheibe zu wischen
  • Die illegal deponierten Abfallberge von Krankenhäusern, Hotels, Restaurants und Umbauten an Zufahrtsstrassen
  • All jene, die sich mit übersetzter Geschwindigkeit durch den dichten Verkehr schlängeln
  • Die überrissen teuren Visen der Reiseveranstalter am Flughafen
  • Die Betrügereien der Reiseleiter

(die Aufzählung ist nicht vollständig)

Wenn die Menschen die Folgen ihres Handelns in Betracht ziehen würden… dann wär Ägypten vielleicht irgendwann mal kein Drittweltland mehr.


Freitag, November 18, 2016

Im Herzen des islamischen Kairo (Teil 2)

Kairo ist die Stadt der Tausend Minarette und am besten versteht man das, wenn man von der Salah El Din Zitadelle über die Stadt blickt – oder durch das islamische Kairo spaziert. Zur Zitadelle wollte ich, doch der Tag war zu kurz. Anderes erwartet mich.

Ich lass mich weitertreiben, vorbei an weiteren Moscheen mit herrlich verzierten Minaretten, vorbei an wundersamen Geschäften, vorbei an lebendiger Geschichte. Die Eindrücke überwältigen, ja überfordern mich fast, doch es drängt mich weiter.

randvoll mit Kohle


Tand oder Antiquität?

irgendwie überleben

Plötzlich stehe ich vor der grässlichen Azhar Strasse. Da stand ich schon öfter vor oder nach einem Besuch des berühmten Khan El Khalili. Verglichen mit dem, was ich heute sehe, ist der weltbekannte Bazaar langweilig.

Dienstag, November 15, 2016

Naturschauspiel Mondaufgang

Wenn es mir zeitlich möglich ist, steige ich aufs Dach, um den Mondaufgang zu betrachten. Auf dieser Seite der Erde ist dieses Schauspiel einfach anders und ich staune jedes Mal von Neuem: Der Mond scheint aus dem Wasser zu tauchen, ist tiefrot und wechselt in wenigen Minuten zu rot, orange, gelb und später zu weiss.

Ich krieg nicht genug davon - ganz ehrlich gesagt. Auch wenn der Mond schräg auf dem Rücken am Himmel klebt, guck ich da fasziniert hinauf. Natur schafft das.

Gestern, als alle nach dem "Supermond" guckten, war ich beschäftigt und konnte mir den Mondaufgang nicht ansehen. Heute hat's geklappt und ich habe mit meiner einfachen, kleinen Digitalkamera ein paar Fotos erwischt, die eine Ahnung zu der Farbenpracht geben mag:

(Hinweis, die kleinen Lichtpunkte links unten stammen von den Schiffen am Ufer, 500 m von hier)






Montag, November 14, 2016

Nach der Währungsabwertung – jeder für sich

In den letzten Wochen wurden teurer: Zigaretten und Alkohol, Strom, Zucker, Treibstoffe und folglich Transportmittel. Es wurde die Mehrwertsteuer eingeführt, Zölle auf Importprodukte angehoben und das ägyptische Pfund den Marktkräften überlassen. Lebenswichtige Produkte sind vom Markt verschwunden bzw. werden teurer. Alles wird teurer.

Ein Freund sagte zu mir: „Wenn ich meine schlafenden Kinder ansehe, muss ich weinen. Wie lange noch werde ich genügend zu essen für sie haben? Wie lange noch kann ich Essen und Kleidung für sie kaufen? Ich hab Angst vor dem, was noch kommt!“

Eine alleinerziehende Frau in den Fünfzigern mit sehr bescheidenem Einkommen blickt mich mit wässrigen Augen an und meint: „Ich weiss nicht mehr wie weiter. Ich habe grosse Angst.“ Mitte Monat leiht sie sich schon Geld aus, das sie dann nach dem Lohnerhalt zurückzahlt… eine ausweglose Spirale.

Die Betreiberin von Tauchboot jammert: „Wir sind informiert worden, dass wir für die Serviceleistungen im Hafen XY in Dollar bezahlen sollen. Woher sollen wir die nehmen? Der Dollar ist sehr teuer für uns!“

Der Hotelmanager überlegt: „Auslandreisen werden für uns jetzt sehr teuer.“

So ist das. Jeder schaut und denkt nur an sich. Dass da draussen Menschen leben, die nicht mal ein Dach über dem Kopf haben, die im Abfall nach Essbarem suchen und dass die Mittelschicht in die Armut abrutscht… daran denken die Reicheren nicht.


Mittwoch, November 09, 2016

Tipp für Unterkunft in Kairo

Wer eine günstige, saubere Unterkunft in sicherer und vorallem ruhiger Umgebung sucht, dem kann ich von ganzem Herzen die Gästezimmer bei Martine in Zamalek empfehlen. Martine ist Französin, ihre Wohnung mit den vier Gästezimmern ist liebevoll im orientalischen Stil eingerichtet.

Die Wohnung liegt in einem ruhigen Quartier, das von Konsulaten umzingelt ist. Ins Stadtzentrum ist es ein Katzensprung - ausserhalb der Rushhour.

Im Herzen des islamischen Kairo (Teil 1)

Gehört und gelesen hab ich schon so viel darüber. Und wunderbare Bilder gesehen. Kairo war zur Zeit der Fatimiden Hochblüte des Handels zwischen Asien, Europa und Afrika. Die Fatimiden bauten nördlich des damaligen Stadtzentrums eine neue Stadt mit dicken Stadtmauern; Ein Teil davon sowie drei Stadttore stehen noch. Die Gasse, die vom nördlichen Stadttor Bab El Fatuh nach Süden zur Bab El Zuweila führt, heisst El Muaz El Din, später dann El Motaz El Din. Dieser alte islamische Teil wird von Ost nach West von der fürchterlich verstopften und verpesteten Al Azhar Strasse auseinandergeschnitten. Zwischen den Fahrbahnen wurde ein mannhohes Gitter verbaut, damit keine Fussgänger über die gefährliche Strasse eilen können. In der Gegend befindet sich auch der weltberühmte Khan El Khalili Bazaar und die Hussein Moschee. Beide gehören neben den Pyramiden und dem ägyptischen Museum zu den wichtigsten Stationen für den Kairo-Besucher.

Der nördliche Teil von Bab El Fatuh bis zur Al Azhar Strasse wurde während den letzten Jahren sorgfältig renoviert. Es wimmelt hier auf allerengstem Raum von hunderten von historischen Häusern, Palästen, Mausoleen, Moscheen, Schreinen, Madrassen, Gedenkstätten und Zisternen. 

Dahin wollte ich!


Mein Weg auf einen Blick

Zurückversetzt in 1001 Nacht
Ich hab mich per Taxi in die Nähe des nördlichen Stadttors mit dem Namen Bab Al Fatuh bringen lassen. In die Nähe nur, weil der Taxifahrer nicht so genau wusste, wie hinfahren und Passanten fragen musste. Keine Geduld mehr, lief ich auf eigene Faust los… und stehe schon bald vor den Stadtmauern aus dem 11. Jahrhundert. Ausserhalb der Stadtmauer brummt so früh am Morgen der Verkehr noch gemächlich. Die Häuser auf der anderen Strassenseite verfallen: mit kunstvollen Holzarbeiten - den Maschrabeyas - vergitterte Fenster und Balkone, und islamische Ornamente sind Überbleibsel aus besseren Zeiten.

in der Nähe der Stadtmauer

in der Nähe der Stadtmauer
am Bab El Fatuh mit Minarett der Al Hakim-Moschee
Neugierig gucken mich die jungen Leute auf der Strasse an: eine Europäerin? Ohne Reiseleiter? Wie rar! Ältere Männer lächeln mich freundlich an – ihr Lächeln heisst „Willkommen!“. Manch einer fragt mich, wohin ich wolle, ob ich mich verlaufen hätte, ob sie mir helfen können… überall Freundlichkeit.

Freitag, November 04, 2016

Demo gegen den Gouverneur

Heute, nach dem Freitagsgebet, gab es eine kleine Demonstration gegen den Gouverneur. Nicht wegen der Abwertung des ägyptischen Pfundes. Nicht wegen der Einführung der Mehrwertsteuer. Und auch nicht wegen den Preiserhöhnungen.

Nein. Die Menschen verlangen, dass er verschwindet. Sie sind wütend, weil er nichts unternommen hat, die Bewohner von Ras Ghareeb vor den Folgen des Unwetters vergangene Woche zu schützen.
Bisher gab es nur wütende Kommentare auf Facebook und in Gesprächen. Doch nun hat sich eine Gruppe von Männern damit auf die Strasse gewagt. Mutig, glaub ich. Auf eine unbewilligte Demonstration steht Gefängnis oder Anklage vor dem Militärgericht. Die schwarze Polizei war sofort da, hat das Treiben beobachtet.

Immer wieder höre ich von Freunden und Bekannten „der schlimmste Gouverneur, den wir je hatten“. Er war damals Gouverneur in Port Said, als die Fussballfans im Stadion ermordet wurden. Die Strassen in Hurghada sind alle kaputt, voller Gräben und Löcher. Kies und Sand von den Überschwemmungen vor einer Woche liegen noch immer auf den Hauptstrassen. Abfall liegt überall, wird an den Ausfallstrassen am helllichten Tag deponiert; trotz Meldung an die zuständigen Behörden passiert nichts. Und das in einem der wichtigsten Touristenorte Ägyptens!

Der Gouverneur wird nicht gewählt. Er braucht auch keine Qualifikationen zu haben. Der von Hurghada kann nicht mal Englisch. Nur Beziehungen. Er erhält den Posten vom Präsidenten „geschenkt“ – und nützt ihn (den Posten) aus, um sich zu bereichern.

Mein Student dachte heute laut, bevor er ging „ob sie (die Bewohner hier) den Gouverneur wohl behalten“ - da wussten wir noch nichts von der Demo. Er wird wohl direkte Beziehungen zum Präsidenten haben, drum ist er noch da, meinte ich. Seine Antwort: „Er selber nicht, aber der Bruder seiner Frau sitzt in (dem und dem) Gremium…“.

Behaupte noch einer, der jetzige Präsident kämpfe gegen Korruption. Blablabla...


Donnerstag, November 03, 2016

Um Mitternacht: Treibstoffpreiserhöhung

Und der nächste Schlag folgt ab Mitternacht: Treibstoffe kosten morgen zwischen 34 und 50% mehr.

Oh-oh... jetzt wird's aber heikel. Die Regierung macht Ernst mit dem Abbau der sinnlosen Subventionen, die das Budget über Jahrzehnte überstrapaziert haben.

Die Preisspirale dreht rasant nach oben. Das wird nicht jeder verkraften. Wie werden die Menschen hier reagieren?

Achterbahn auf dem Währungsschwarzmarkt (2)

Also nun ist es heraus: die Zentralbank lässt das ägyptische Pfund floaten. Offiziell ist die Währung von gestern auf heute um 48% abgewertet worden. Heute Morgen wurde es auf 13-14 Pfund für einen Dollar festgelegt, mit einer Bandbreite von 10% plus/minus. 

Um 13 Uhr fand eine Auktion statt, wonach das ägyptische Pfund ganz Angebot und Nachfrage der Märkte überlassen wird. Leider funktioniert der Link zur Pressemeldung der Zentralbank nicht.

Am Schwarzmarkt geht momentan nichts mehr. Die Leute tauschen ihre Währungen nach vielen Monaten wieder bei den Banken. Ob die nur kaufen oder auch Fremdwährungen verkaufen, hab ich noch nicht mitgekriegt.

All jene, die in ägyptischen Pfund bezahlt werden, sehen nun ihren Lohn halbiert. Die Inflation hat den Wertverlust zwar schon teilweise vorweggenommen. Aber so rasch hört das nicht auf.

Spannend, was nun als nächstes kommt. Begleitmassnahmen: Zinsern wurden erhöht, China wird engerer Handelspartner, Subventionen werden abgeschafft, der IMF-Kredit wartet.

Und die Armen??? Und die Mittelschicht, die sich nicht mehr halten kann???


Mittwoch, November 02, 2016

Achterbahn auf dem Währungsschwarzmarkt

Jetzt geht es runter. Dollars und Euros, die bis gestern noch zweieinhalbmal so teuer gekauft wurden als von der Zentralbank vorgeschrieben, haben heute plus/minus einen Drittel an Wert verloren. Oder anders ausgedrückt: das ägyptische Pfund ist wieder wertvoller geworden. Über Nacht, quasi! Vor einem Monat tauschte ich Euro zu 14.55, gestern lag er zwischen 18 und 19 ägyptischen Pfund – heute liegt er bei 13 oder noch tiefer.

In den letzten Monaten mussten Geschäftsleute wie Private auf den Schwarzmarkt ausweichen, weil die Banken keine Fremdwährungen mehr verkaufen durften. Bald darauf wurden auch Tausende von Wechselstuben geschlossen. Der Markt ist flexibel – man wusste sich zu helfen, gehandelt wird via Facebook und Telefon, man gibt Kontakte weiter, hilft sich gegenseitig.

Nun sitzen die Geldhändler auf teuren Fremdwährungen. Heute zumindest geht nichts mehr, niemand kauft, alle warten ab.

Was ist passiert? Offenbar hat die Regierung beschlossen, weitere Importe zu beschränken und den Warenhandel in US Dollars zu stoppen (gemäss Onlinezeitung). Ein Freund erzählte mir, Importe dürften nicht mehr in Fremdwährungen bezahlt werden.

Das wäre ein cleverer Schachzug, um die schwindenden Devisenreserven zu schützen, das Horten nutzlos zu machen und die fortschreitende Inflation aufzuhalten. Doch, welcher ausländische Exporteur will in ägyptischen Pfund bezahlt werden? Sie müssten diese ja wieder in Ägypten investieren… Es fehlen jetzt schon Güter, die dringend im Land benötigt werden: Ersatzteile, Halbfertig- und Fertigprodukte, Lebensmittel. Die fehlgeleitete Wirtschaftspolitik mehrerer Jahrzehnte (Import/Export statt lokale Produktion) rächt sich jetzt bitter.

Ich sollte auch Geld wechseln, möchte meine Miete bezahlen. Luft holen, Geduld haben, abwarten, was da noch alles kommt…



Samstag, Oktober 29, 2016

Regen, Hagel und Sintflut Bilder



Nun sitze ich am Laptop und kann mal ein paar Bilder und Links zu Videos hochladen. Das Ausmass der Schäden zeigt sich immer mehr. Hilfsaktionen werden von Privatpersonen und NGOs gestartet.

Hagel und Regen in Hurghada: Video von Magdy Samir auf Facebook

und Bilder:
(Facebook / Abdallh Almasry)
(Facebook/Abdallh Almasry)


Hagelkörner (Facebook Abdallh Almasry)






(Facebook)
Das Blitz- und Donnerspektakel hab ich verpasst. Wie mir heute erzählt wurde, hat es eineinhalb Stunden lang vom Himmel geleuchtet und getobt... bis dann die Sintflut kam.

Freitag, Oktober 28, 2016

Regen, Hagel und Sintflut


Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hat es auch so geregnet. Geschüttet, gedonnert, geblitzt und gehagelt hat es gestern in weiten Teilen der südlichen Hälfte Ägyptens und des Sinais.

Da Ägypten trotz Erfahrung nicht auf solche Unwetter eingerichtet ist, sind die Schäden jedes Mal riesig. Es gibt keine Kanalisation, keine regendichte Gebäude und die Strassen sind im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut. Das Wasser kann nirgends abfliessen und reisst alles mit sich mit.

Gestern kamen mehr als zwei Dutzend Menschen in den Wasserfluten ums Leben, heute starb eine Frau durch Stromschlag: Wasser auf der Strasse, loses Stromkabel, wie sie hier zu Tausenden ungesichert herumlungern. Autos aufeinander geschoben, von den Fahrbahnen und Parkplätzen gewischt.

Die eh schon ungenügend breite Hauptverbindung zwischen Kairo und Hurghada sowie weiter nach Süden war bis heute Nachmittag unpassierbar. Überflutet, unterspühlt, weggetragen. Ebenso die Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Niltal. Hunderte von Reisenden oder sogar mehr haben die Nacht im Bus, Pw oder Lkw verbracht, waren 30 Std unterwegs.

Manche Dörfer stehen im Wasser. Dort geht gar nichts mehr. Die Menschen dort haben alles verloren. Wer hilft ihnen? Der Staat wohl kaum.

In Hurghada, dem ach so wichtigen Touristenzentrum gab es teilweise über 24 Stunden keinen Strom. In manchen Häusern regnete es durch Decken und Wände...

Ich bin in Kairo, da blieb es trocken. Eigentlich wollte ich heute zurück nach Hurghada fahren. Dank den sozialen Medien war ich immer auf dem Laufenden über den Straßenzustand. Noch wird einspurig im Wasser gefahren... aber immerhin geht was und morgen, so hoffe ich, komm ich wieder heim. Ob meine Wohnung trocken blieb, ist dann eine Überraschung.

Und spätestens nächstes Jahr wiederholt sich die Katastrophe...


Bilder und Videos folgen.

Sonntag, Oktober 23, 2016

Visa-Willkür

Manchmal reicht’s. Einfach genug, Schnauze voll. Und dann wieder muss ich mir sagen, dass die Willkür, die wir Ausländer auf dem Passbüro erleben, ja nur ein Bruchteil dessen ist, was Ägypter von den Beamten erdulden müssen.

Doch zuerst mal von vorne. Letztes Jahr wurde die Nachricht verbreitet, dass Ausländer nur noch ein sechs-Monate-Visum erhalten. Oder nur noch drei, oder vielleicht doch 12, je nachdem wie und was. So klar wie unsichtbar.

Jedenfalls erhielten wir Ausländer, die bisher mit einem einjährigen Touristenvisum hier lebten, plötzlich nur noch einen sogenannten Wartestempel. Nach zwei Monaten sollten wir wieder vortraben. Während diesen zwei Monaten würden Informationen durch den Staatssicherheitsdienst eingeholt. Dann verlieren sich die Fäden und die Logik geht mit.

Dienstag, Oktober 18, 2016

Probleme lösen oder arbeiten (oder warum ein Drittweltland ein Drittweltand ist)

Nach meinem kurzen Aufenthalt im anfänglich sommerlich warmen und dann winterlich eisig kalten Europa geniesse ich die Wärme, die Sonne und alles, was damit zusammenhängt. Das ist aber nicht einfach ein Gratis-Paket: der Preis dafür ist hoch!

*****

Momentan kümmere ich mich nämlich fast nur um Probleme: ich renne zum Anwalt, zur Versicherung, zum Passbüro, versuche seit mehreren Monaten ein Ersatzteil für meinen in Ägypten hergestellten Staubsauger zu erhalten, telefoniere, schreibe, frage und rede… und dazwischen arbeite ich ein bisschen.

Als ich heute dem „Papa meiner Mädchen“ auf seine Frage, wie es mir gehe, antwortete „ich kümmere mich um meine Probleme“, meinte er schlicht: „Das ist das, was wir täglich machen: wir sind 75% unserer Zeit damit beschäftigt, Probleme zu lösen; und 25% unserer Zeit arbeiten wir.“

Als ich das heute Abend einem hiesigen Freund erklärte, bestätigte er das.

Als Betriebswirtin graust mir bei der Vorstellung, wie viel Ressourcen da verschwendet werden, welchen enormen wirtschaftlichen Schaden das Land dadurch erleidet, wie viel Energie, Kreativität und Zeit sinnlos in Bürokratie, Desinteresse, Dummheit, Korruption, mangelnder Sorgfalt, Schlendrian, überlegen und kontaktieren des „Beziehungsnetzes“ (wer könnte mir helfen????) verloren gehen… grrrrrrrr…

Allein die Vorstellung, dass momentan Millionen von Menschen auf der Suche nach günstigem Zucker sind, weil ein paar korrupte Geier Zucker horten.

*****

Von Haus aus liegt mir das Kämpfen – doch manchmal, einfach manchmal, bin ich es leid, bin ich einfach müde ob all der Sinnlosigkeit, welche das schlichte Dasein auf dieser Seite der Welt mit sich bringen kann. Wenn es ein Ende gäbe – aber das gibt es einfach nicht. Das ist in diesem System nicht vorgesehen.

*****

Morgen früh scheint die Sonne wieder von einem makellos blauen Himmel. Ich werde aufstehen, runter zum Pool gehen und schwimmen… bis sich der Albtraum aufgelöst haben wird. Nach dem Frühstück kümmere ich mich dann wieder mit neuer Energie …

… um meine Probleme und ein bisschen um meine Arbeit.


Mittwoch, September 21, 2016

Krankentransport in der Dritten Welt

Da liegt einer…. Ich fahr näher ran, gucke auf die Ladefläche des motorisierten Dreirades: ja, tatsächlich, da liegt ein Mann. Der hat den Kopf auf den Arm aufgestützt, bleiches Gesicht, die Augen geschlossen. Keine weiche Decke, nicht mal ein Karton schützt seinen knochigen Körper vom rauen Blech. Ausgestreckt liegt er auf dem wackeligen Ding, ein Gips am Bein, blutverschmiert. Ein vielleicht achtjähriger Junge sitzt neben dem Mann, ein nur wenig älterer Junge steuert das Gefährt vorsichtig.

Ich fahr vorbei, mit einem dicken Kloss im Hals und dem Gedanken: anhalten! Helfen!

Wollen die das?

Zögernd fahr ich weiter, beobachte die Drei im Rückspiegel. Die fahren so langsam, der Mann muss Schmerzen haben. Sicher fahren sie ins Krankenhaus.

Ich fahr an den Strassenrand, vielleicht kann ich helfen? Wenigstens anbieten kann ich es.
Die Kinder gucken mich ratlos an, als ich ihnen bedeute anzuhalten. Welche Europäerin macht das schon? Ich frage, wohin sie fahren? Ins Krankenhaus? Ja, sagen sie. Der Mann dreht sich halb zu mir, erstaunt.

Dahinter steht schon ein Taxi, riecht wohl, worum es hier geht. „Nehmt ein Taxi ins Krankenhaus! Ich komme für die Kosten auf!“

Nein, nein, danke. Ich kann nicht. Doch, da steht schon ein Taxi! Ich bezahle das! Nein, nein, ich kann nicht. Ich kann nicht in ein Taxi einsteigen, meine Beine sind kaputt. 

Er zeigt auf seine schäbigen Hosen, die kaum Beine erkennen lassen, so dünn sind sie. 

Was kann ich tun? Wie kann ich helfen? Mir schiessen die Tränen in die Augen. 

Nein, nein, danke vielmal, aber es geht schon… Kinderaugen gucken mich arglos und verständnislos an. Welch Elend! Ein Film spielt sich in meinem Kopf ab, zusammen gesetzt aus all dem Wissen, all den Erfahrungen, all den Erzählungen, die ich da über diese Seite der Welt gespeichert habe.

Der ältere Junge lässt den Motor an, ich spreche einen der Situation angemessenen Spruch aus und schau zu, wie das Gefährt davon knattert.

Die Tränen rinnen mir runter. Manchmal wünschte ich, ich könnte das Elend dieser Welt aufhalten.


Dienstag, September 06, 2016

Heisses Thema: Badebekleidung der Frauen

Im 21. Jahrhundert sollte die Bekleidung der Frauen kein Thema mehr sein. Ist sie aber doch und zwar immer mehr dank oder wegen der Globalisierung.

Was mich an der ganzen Diskussion enorm erstaunt hat, ist die Tatsache, dass jene Länder, welche die Rechte der Frauen besonders stark einschränken, sich über das „Burkini-Verbot“ entrüstet haben. Die wissen komischerweise ganz genau, dass der Westen – in dem Fall das laizistische Frankreich – demokratische Freiheiten hochhält. Nach dieser Logik darf sich jeder überall so kleiden, wie er oder sie es will. Folglich darf sich Frau am Strand oben ohne zeigen, im Bikini, Badeanzug oder allen Zwischenschattierungen bis hin zum Burkini.

Handkehrum funktioniert das bei denen dort nicht. Wir Westler sollen uns in ihren Ländern, wo der Alltag durch Einschränkungen verklemmt wird, anpassen. Im Iran muss eine Ausländerin ein Tuch über dem Kopf tragen. In Saudi Arabien muss eine Ausländerin eine Abeya tragen und das Haupt bedecken. Aber wenn sie zu uns kommen, pochen sie auf die demokratischen Werte und passen sich nicht an. Das passt mir nicht, auch wenn ich ein liberal denkender Mensch bin.

Freitag, September 02, 2016

Weg von der Stadt

Es gibt sie auch in Hurghada: abgelegene, menschenleere Orte, wo man die Seele baumeln lassen und Energie tanken kann. Marschieren in Sand und Hügeln, über Muscheln und versteinerte Korallen staunen. Dem Wind zuhören. Den über dem Riff brechenden Wellen zugucken. Die hin und her flitzenden Fische verfolgen. Eine Seemöwe direkt über dem Kopf beobachten. Träumen. Fliegen. Sein.









Dienstag, August 30, 2016

Noch enger schnallen geht nicht mehr

Gemeint ist der Gürtel, der schon ganz eng sitzt. Gefordert sind angeblich alle Bürger dieses Landes, betroffen fast alle Schichten. Nicht aber jene, die dank ihrer Position eh viel Polster haben.

*****
Mit verweinten Augen öffnet sie mir die Türe. Nein, nein, sie sei erkältet, weicht sie aus. Die Mädchen strecken ihre Arme nach mir aus, umarmen mich, die Sommerpause ist vorbei.

Montag, August 15, 2016

Wadi El Natrun



Wer den Namen in eine Suchmaschine eintippt erhält als Ergebnis: Gefängnis in Wadi El Natrun. Es ist eines jener berüchtigten Festungen, in welchem unliebsame Politiker, Regime-Gegner und Aktivisten ein menschenunwürdiges Dasein fristen. Aus jenen Mauern sind während des Aufstandes im Januar 2011 die Muslim Brüder entwichen – angeblich mithilfe der palästinensischen Hamas und der Hezbollah. Andere Vermutungen beschuldigen das Innenministeriums selbst – um Mubaraks Prophezeiung „Nach mir das Chaos“ zu verwirklichen? Doch das Gefängnis liegt nördlich von Kairo und hat nichts mit dem Tal zu tun, das ich besuchen möchte.

Wadi El Natron ist eine riesige Senke mit mehreren Salzseen westlich der Wüstenautobahn Kairo - Alexandria und liegt 23 m unter Meereshöhe. Das Salz (Natron) wurde schon in der Antike für die Mumifizierung und zur Herstellung von Glas verwendet. Heute ist es Landwirtschaftsgebiet und noch immer Rückzugsgebiet für Mönche.


Übrigens soll hier irgendwo das Flugzeug liegen, mit dem Antoine Saint Exupéry abgestürzt ist; aus seiner Feder stammt „Der kleine Prinz.“

Sonntag, Juli 31, 2016

Alexandria

Mit dieser Stadt verbindet mich eine Hass-Liebe. Sie zieht mich an und stösst mich gleichzeitig ab. Die einstige Perle am Mittelmeer, einstiges Handelszentrum zwischen Westeuropa und dem fernen Osten, Heimat von Intellektuellen und Herrschern, Schmelztiegel von Kulturen, zweitwichtigste Stadt des römischen Reiches, ist heute eine vor sich hin zerfallende, zerbröckelnde ehemalige Schönheit, die sich immer mehr unter dem Druck von Bevölkerungswachstum, Armut und Korruption krümmt. Noch in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts trafen sich hier die Reichen und Schönen, florierten Theater, Geschäfte und Kaffeehäuser der Griechen, Armenier, Syrer, Libanesen, Türken, Italiener, Franzosen, Deutschen, Engländer, Ägypter, Libyer und anderen.

Um die Vergangenheit dieser Schönheit, Vielfalt und Klasse auszudrücken, müsste man eine stärkere Vergangenheitsform als das Perfekt oder das Präteritum erfinden.

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Keine andere Stadt Ägyptens verkörpert einstige Pracht und gegenwärtigen Zerfall besser, als Alexandria.

Sich durch die Strassen dieser Stadt bewegen, heisst: beinahe in den in den Autoabgasen ersticken, wegen der nie endenden Huperei taub zu werden und stundenlang in den Verkehrsstaus auszuharren.

Samstag, Juli 30, 2016

Hilfloses GPS und andere Erlebnisse auf Ägyptens Strassen

Dem Roten Meer entlang
Etwas später als geplant– was sich später als Glück erweisen wird – starte ich meine lange Fahrt Richtung Norden. Die Sonne ist schon um Viertel vor Fünf über den Horizont gewandert; ohne Sonnenbrille geht nichts mehr.

Locker fliessen die ersten hundert Kilometer dahin. Zu meiner Rechten im Sonnenlicht glitzernd das blaue Rote Meer, mal näher, mal ferner, zu meiner Linken das Gebirge. Auch die nächsten hundertfünzig Kilometer oder so machen Spass: doppelspurige Strasse, teilweise neuer Belag, spärlicher Verkehr. Eine kurze Rast mit den Beinen im Meer stärkt mich. Regelmässig verteilte weisse Punkte im Sand entpuppen sich als neue Windmühlen – die Windfarm wird vergrössert. Ein einziger Kran ist zu sehen… der wird lange dran sein, bis die alle aufgerichtet sind und drehen, denke ich.

Mein GPS hat nicht viel mehr zu tun, als mir zu sagen, dass ich weiterhin geradeaus fahren soll. Ich schalte das Geschwätz ab und konzentriere mich auf die inzwischen einspurige, kurvige Strasse an der Steilküste zwischen Zafarana und Ain Sukhna. Die malerische Strecke ist ein Traum – der Verkehr schon früh morgens ein Albtraum: Fahrer von Tankwagen, Sattelschleppern, Minibussen, Reisecars und PWs machen sich die einspurige Fahrbahn streitig und zur Rennstrecke. Es wird bei und im Gegenverkehr überholt, die Randfahrbahn wird zur Fahrspur. Prompt komme ich an einem fürchterlichen Unfall vorbei: ein völlig zerknittertes Auto steckt kopfüber in den Felsbrocken, welche das Meer von der Strasse trennen. Foto machen geht nicht, anhalten ist zu gefährlich.