Mit dieser
Stadt verbindet mich eine Hass-Liebe. Sie zieht mich an und stösst mich gleichzeitig
ab. Die einstige Perle am Mittelmeer, einstiges Handelszentrum zwischen
Westeuropa und dem fernen Osten, Heimat von Intellektuellen und Herrschern, Schmelztiegel
von Kulturen, zweitwichtigste Stadt des römischen Reiches, ist heute eine vor
sich hin zerfallende, zerbröckelnde ehemalige Schönheit, die sich immer mehr
unter dem Druck von Bevölkerungswachstum, Armut und Korruption krümmt. Noch in
den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts trafen sich hier die Reichen und
Schönen, florierten Theater, Geschäfte und Kaffeehäuser der Griechen, Armenier,
Syrer, Libanesen, Türken, Italiener, Franzosen, Deutschen, Engländer, Ägypter,
Libyer und anderen.
Um die
Vergangenheit dieser Schönheit, Vielfalt und Klasse auszudrücken, müsste man
eine stärkere Vergangenheitsform als das Perfekt oder das Präteritum erfinden.
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Keine
andere Stadt Ägyptens verkörpert einstige Pracht und gegenwärtigen Zerfall
besser, als Alexandria.
Sich durch
die Strassen dieser Stadt bewegen, heisst: beinahe in den in den Autoabgasen
ersticken, wegen der nie endenden Huperei taub zu werden und stundenlang in den
Verkehrsstaus auszuharren.