Es ist schon dunkel, sicher ist es nach acht Uhr abends. Ich trage meine Einkäufe nach Hause. Schritt für Schritt, langsam. Nicht weil meine Einkäufe schwer sind, nein, nur damit ich nicht noch mehr schwitze.
Vom Supermarkt zu meiner Wohnung habe ich mehrere Möglichkeiten: der lärmigen, verkehrsreichen Hauptstrasse entlang, mitten durchs Quartier an den Geschäften und Imbissstuben vorbei oder oberhalb, wo es etwas ruhiger ist und Bänkchen stehen.
Auch da hat es Geschäfte, aber es ist bedeutend ruhiger und ich gehe da eigentlich am liebsten durch. Hier hat es kaum Taxis, weniger Verkehr, weniger Fussgänger. Manchmal spielen Kinder Fussball, tuscheln kleine Mädchen, sitzen Frauen tratschend auf den verwahrlosten Steinbänkchen.
Eine verschleierte Frau vor mir schiebt ihren Kinderwagen vor sich her. Sie geht gemächlich, wie ich. Doch plötzlich dreht sie ihren Kinderwagen abrupt zu einem der Bänkchen hin. Ich folge ihr mit meinem Blick und entdecke: da liegt jemand. Dieses jemand ist eine junge Frau, kreidebleich, liegt seitwärts auf der steinharten Bank. Ihr Kopf liegt auf ihrem ausgestreckten Arm, ihr Jeanskleid wirkt europäisch, dazu trägt sie Leggings. Das schwarze Stofftäschchen liegt achtlos im Gras unter der Bank. Was hat sie denn? Ist sie krank? Ist ihr etwas zugestossen? Lebt sie überhaupt noch?
Die Frau mit dem Kinderwagen versucht sie mit dem internationalen „Hallo“ anzusprechen. Die junge Frau reagiert nicht, liegt reglos da. Ich will weitergehen, doch irgendwie geht das nicht und ich geselle mich zu der Frau mit dem Kinderwagen. „Hallo“… „hallo“ – nichts. Sie schüttelt sie und redet Englisch, dann plötzlich in einer Sprache, die ich nicht beherrsche. Russisch. Die junge Frau bewegt sich leicht fahrig.
Die Frau mit dem Kinderwagen bleibt hartnäckig und fragt weiter. Nach einer Weile erhält sie eine undeutliche Antwort. Was sagt sie? frage ich. Sie sieht mich an, packt wieder ihren Kinderwagen und sagt: sie ist sturzbetrunken.
Wir gehen ein paar Schritte neben einander her, ich versuche ein Gespräch anzufangen. Ohne Erfolg.
Die Frau biegt mit ihrem Kinderwagen rechts ab, ich trage meine Einkäufe weiter.
Betrunken. So jung, liegt da allein, hier! Irgendwie … ja, ich weiss gar nicht, was ich denken soll…. so jung… so bleich… liegt da an einem Ort, wo ich mich nicht mal hinsetzen würde… Irgendwie bestürzt bin ich… Und doch schiebe ich die Gedanken an sie von mir weg. Hier gibt es nichts, das unmöglich ist.
Fast schon mechanisch frage ich mich, was mir wohl als nächstes in die Quere kommen wird…
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