Anderes

Dienstag, Oktober 12, 2010

Wasser ist zum...

… waschen da.
Oder eben nicht.
Dass es eben nicht vorhanden sein kann, habe ich hier in Hurghada – und früher schon in Südamerika und Spanien – öfters erlebt. Doch diesmal dauerte der Zustand schlichtweg zu lange.
*****
Ich verstaute mein soeben gekauftes Gemüse und Obst im Kühlschrank und ging ins Bad, um mir wie üblich nach dem Einkauf die Hände zu waschen. Doch…
… da kam kein Wasser. Ich wurde stutzig. Stromausfall? Schon gehabt. Ich drückte den Lichtschalter und – es wurde Licht. Soeben hatte ich doch auch Licht im Kühlschrank gesehen… oder nicht?
Ich rekapitulierte: Stromausfall bedeutet: weder Strom noch Wasser. Doch Wasserunterbruch OHNE Stromausfall? Das war was Neues. Entweder gab es gar kein Wasser oder die Pumpe war futsch. Mhm. Und ausserdem: es war der erste Feiertag nach dem Ramadan, das ist Ausnahmezustand wie bei uns Weihnachten. Niemand arbeitet, niemand ist erreichbar. Mir schwante Fürchterliches!
Als technisch unversiertes Wesen rief ich den Wohnungsbesitzer an. Er versprach, den Klempner aufzutreiben, der würde erfahrungsgemäss aber nicht vor 7 Uhr abends auftauchen, wenn überhaupt. Es war 3 Uhr nachmittags und 37° heiss. Ich solle die Hauptzuleitung abschalten und die entsprechende Stromsicherung. Was ich folgsam tat. Zudem übte ich mich in Geduld und Gelassenheit, was mir recht gut gelang.
Um 9 Uhr abends kam dann der gute Mann namens Mahmoud. Die Pumpe hatte tatsächlich ihren Geist aufgegeben, ihre Innereien – ein Gummibalg – waren ein Opfer der Hitze geworden und zerborsten, zerfleddert und landeten im Garten bzw. im Sand vor dem Haus (und nicht im Container fünf Meter daneben). Eine neue Pumpe wurde sogar aufgetrieben und um 11 Uhr nachts lief das Wasser wieder aus dem Hahn, kurz darauf auch über meinen verschwitzten Körper.
*****
Mein Wecker erinnerte mich morgens um 7 Uhr daran, dass ich mit dem Rennrad hinaus wollte. Also löste ich mich schlaftrunken von der Matratze, zog die Vorhänge zurück und blickte hinaus in die Wüste unter dem stahlblauen Himmel. Ich schlich ins Bad, drehte den Wasserhahn auf – doch da kam schon wieder nichts. Anstatt mich zu ärgern und zu sorgen stieg ich trotzdem aufs Rennrad und genoss eine zweistündige Fahrt, bei der ich sogar das Wasserproblem vergass. Als ich in die Wohnung zurückkam, erinnerte ich mich zwangsweise erneut daran. Ich hatte dringend eine Dusch nötig und holte die für diese Fälle abgefüllten Plastikkanister hervor, drei an der Zahl, zu je 6 Litern. Weit reichte es natürlich nicht und eine Flasche musste ich als Notration zurückbehalten.
Mein Wohnungsbesitzer schlief noch. Ich schrieb ihm ein sms. Nachmittags um 3 Uhr rief ich ihn an – hatte ihn soeben geweckt. Er meinte, sicher sei die Zisterne leer, ich soll das doch prüfen. Er hatte gehört, dass es Lieferengpässe in Mubarak 2 gegeben hatte. Tja, wie sollte ich das denn prüfen? Dass da unten eine Zisterne mit einem Eisendeckel drauf ist, weiss ich. Aber sehe ich den Wasserstand? Es hatte Wasser, aber ob das reichte? Ich fragte meine Nachbarn – ja, sie hatten Wasser. Also war wieder etwas kaputt. Niedergeschlagen rief ich meinen Vermieter wieder an. Der war verärgert und meinte, es wäre meine Schuld. Toll. Ich fühlte mich wunderbar…
Das Spiel ging von vorne los: der Klempner versprach, nach der Arbeit zu kommen (er arbeitete am Feiertag!?). Um 9 Uhr abends kam er und meldete kurz vor 11 Uhr, er könnte es nicht reparieren, eine Röhre sei gebrochen, er müsse Ersatz kaufen und das sei erst am folgenden Tag möglich. Mein Gott! Was mache ich jetzt?
Nichts natürlich. Katzenwäsche und schlafen. Mit Trinkwasser, weil ich sonst nichts mehr hatte. Und den Termin für nächsten Vormittag um 10 Uhr absagen.
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Stattdessen fuhr ich in einen teuren Strandclub, um wiedermal in den Genuss einer Dusche zu kommen und die Haare zu waschen. Es war eine Wohltat für Körper und Geist, eine Belastung für meinen Geldbeutel. Aber irgendwie ärgerte ich mich trotzdem. Immer mehr. Meine Geduld hat sich  klammheimlich in Nichts aufgelöst und ich spürte nur noch Zorn und Wut. Auf alles und jeden hier in diesem Lotterland.
Kurz vor halb 9 Uhr abends tauchte Mahmoud wieder auf. Bis um 11 Uhr nachts hämmerte, sägte und klopfte er im Dunkeln herum, bat mich, die Stromsicherung ein- und wieder abzuschalten. Wasser auf- und abzudrehen. Als das Wasser dann endlich wieder lief, schenkte ich ihm voller Dankbarkeit Schweizer Schokolade.
… ohne die Rechnung mit dem Wirt gemacht zu haben. Der Vermieter meinte, diesmal solle ich die Reparatur bezahlen. Ich tat es, allerdings stocksauer und noch wütender.
Aber ich hatte wieder Wasser, eine neue, zuverlässige Pumpe und ein einen Meter langes neues Stück grünes Rohr unten beim Wasserschacht. Was will man mehr? Zu allem Überfluss wusste ich nun sogar, was Rohr auf Arabisch heisst.
*****
Vor lauter Freude kaufte ich mir am darauffolgenden Tag frischen Fisch, trug ihn überglücklich nach Hause, bereitete ihn sorgfältig zu, legte ihn in die Pfanne und schaltete den Gasherd ein.
Doch, ach, es war kaum zu glauben, irgendetwas stimmte nun mit dem Gasherd nicht, der Fisch wurde nicht gar, die Flamme immer kleiner… bis sie endgültig erlosch. Ich traute meinen Augen nicht, stand wie versteinert vor dem elenden Gasherd, wusste aber, dass es wahr war: das Gas war aufgebraucht.
Enttäuscht wartete ich, übte mich erneut in Geduld… wofür? Dass nämlich der kleine Lastwagen mit Gasflaschen kommt, der zweimal täglich mit einem Heidenlärm durch die Strassen fährt und seine Anwesenheit unüberhörbar kund tut. Doch an diesem Tag wartete ich vergebens. Er kam nicht, entgegen seinen Gepflogenheiten.
Ich verstaute den Fisch im Kühlschrank und hatte plötzlich gar keinen Hunger mehr. Irgendwie hatte ich genug bekommen. Genug vom Wasserunterbruch, genug vom Vermieter, genug von… einfach allem.
Erst anderntags gegen Mittag, nachdem ich schon im Laden und beim Doorman nachgefragt hatte, ertönte der bekannte metallische Lärm, der mir diesmal so verheissungsvoll erschien. Ich rannte auf den Balkon und rief, dass ich eine „Anbuba“ bräuchte. Ein höchstens 13jähriger Knabe schleppte das Teil hoch, sein Boss, ein strohblonder Ägypter mit rabenschwarzen Händen und Füssen schloss es an.
Der Fisch war derselbe, noch tadellos, aber er schmeckte mir irgendwie nicht mehr, erfreute mich nicht mehr.

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