Seit ein paar Tagen gibt es wieder Erdbeeren auf dem Markt: gross, tiefrot, süss und mit einem intensiven, herrlichen Geschmack. Voller Freude habe ich die ersten köstlichen Beeren gekauft und gegessen. Sie sind ein himmlischer Genuss.
Doch das Land, in dem diese süssen Früchte schon im November gedeihen, bringt vor allem bittere Nachrichten hervor.
Seit Monaten intensivieren sich die Schikanen gegen Kopten. Der letzte Vorfall, der den Weg in die Presse gefunden hat: unter dem Vorwand, sie hätten keine Bewilligung, wurden Kopten an den Arbeiten zum Aus- bzw. Umbau einer Kirche in Kairo gehindert. Sie protestierten. Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften: zwei Tote, zahlreiche Verletzte und über 150 Gefangene. Die Proteste dauern an, die Präsenz der Sicherheitskräfte ebenfalls.
Kopten wehrten sich im Vorfeld der heute stattfindenden Parlamentswahlen, wie bis anhin für die herrschende NDP zu wählen. Bei früheren Wahlen wurden den Kopten Versprechungen gemacht, die nie eingehalten wurden. Papst Shenuda hat nun aus Protest für die Opposition gewählt.
Schon seit Wochen gibt es im ganzen Land Zusammenstösse zwischen Befürwortern der allherrschenden NDP und Oppositionellen aller Richtungen. Fernsehstationen wurden geschlossen, Chefredakteure von Oppositionszeitungen ausgetauscht, Mitglieder der grössten Opposition – den verbotenen Muslimbrüdern – und anderer Gruppierungen behindert oder festgenommen. Blogger wurden unter fadenscheinigen Anschuldigungen von zuhause abgeholt und hinter Gitter versorgt, kritisch berichtende Internetseiten abgeklemmt. Demonstrationen werden mit brutaler Hand auseinandergetrieben und oft gibt es Tote und Hunderte von Gefangenen.
In den vergangenen Tagen hat sich die Situation zugespitzt. Ein Reporter von Al Jazeera wurde gehindert, über die Situation in Suez zu berichten und sitzt im Gefängnis, Wahllokale wurden verriegelt, um die Einwohner von der Stimmabgabe abzuhalten. Oppositionelle wurden von Sicherheitskräften gehindert zu wählen und Wahlurnen wurden zerstört oder manipuliert und ausländische Wahlbeobachter nicht zugelassen. Die Bürger haben eine Vereinigung von unabhängigen Wahlbeobachtern eingerichtet, die nun über massive Wahlmanipulationen und Übergriffen von Sicherheitskräften berichten.
Gestern fand in ganz Unterägypten ein „Tag des Zorns“ statt. Aktivisten haben aufgerufen, um sieben Uhr abends während 30 Minuten schwarz gekleidet am Strassenrand zu stehen, zu hupen, zu pfeifen oder aus den Fenstern mit irgendeinem Gegenstand Lärm zu machen. Ein Zeichen des Zorns gegen die Nicht-Einhaltung der Menschenrechte und Missstände in diesem grossen Land am Nil.
Von all dem bekomme ich in Hurghada nicht viel mit. Vielleicht steht etwas mehr Polizei herum, gibt es etwas mehr Polizeikontrollen, als sonst. Aber das fällt bei der grossen Präsenz von Sicherheitskräften nicht wirklich auf. Doch wenn ich meine roten Erdbeeren esse, schmecke ich auch eine gewisse Bitterkeit darin.
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