Heute Morgen lese ich mit leisem Schrecken, dass eine weitere Demonstration erneut niedergeknüppelt wurde, es gab Tote. Wo? In New Valley, genauer in der Oase Kharga, in der Westlichen Wüste.
Ich glaube, dass die Proteste seit gestern in eine neue Phase gelangt sind. Sie breiten sich bis ins „Hinterland“ aus, sie bringt ganze Firmenbelegschaften und Gewerkschaften auf die Strassen, sie bringt Menschen dazu auf die Strasse zu gehen, die vorher zuhause geblieben sind. Die Bewegung bewegt nun wirklich Ägypter aus allen Schichten, aus allen Ecken des Landes. Erstaunlich finde ich, wie die Aktivisten mit „Lügnern“ umgehen: einst hochgejubelte Stars aus der Musik- und Filmszene, die zu Beginn der Proteste öffentlich Pro-Mubarak-Slogans verbreitet haben und jetzt das sinkende Schiff verlassen wollen und „Aufnahme“ bei den Demonstranten suchen, werden gnadenlos abgewiesen. Ohne Gewalt - trotzdem sind sie erledigt, haben all ihren Glamour verloren. Die Aktivisten haben mit dem aus der Haft entlassenen Wael Ghonim auch ein Gesicht erhalten, was noch mehr Auftrieb verleiht.
Als ich heute von einer sehr langen, anstrengen Velofahrt gegen einen gnadenlosen Wind zurückkam, traf ich wieder meinen Nachbarn, den Tennislehrer. Er war unterwegs zum Flughafen, um zu prüfen, welche Airlines noch fliegen. Ich denke, das ist müssig, denn es kann täglich ändern. Viele Airlines haben ihre Flüge temporär eingestellt oder stark reduziert. Morgen werden auch die Bahnangestellten streiken. Möglich, dass es bald nicht mehr möglich ist, aus dem Land herauszukommen. Jemand anders meinte heute „vier Wochen“ – dann kommen die Touristen wieder zurück, gemäss Buchungsstand.
Komischerweise mache ich mir immer noch keine Sorgen. Naivität? Mag sein. Die Demonstrationen, der Aufstand oder die Revolution, wie immer man dies nennen möchte, nehmen an Gewicht, Bedeutung und Ernsthaftigkeit zu. Es gibt kein Zurück und je länger es dauert, umso klarer wird dies. Irgendwann werden auch der zuoberst und derjenige, der nun meint, zuoberst zu stehen, dies verstehen.
Mein „Tausend-Dollar-Papa“ hat sich wieder für Unterricht gemeldet und die Firma, die zu günstigen Konditionen Alkohol und Spirituosen nach Hause liefert, arbeitet heute erstmals seit zwei Wochen auch wieder.
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