Anderes

Samstag, März 05, 2011

Allein am Strand

„Wir haben nur dreissig Gäste im Hotel, alles Engländer. Die bleiben lieber am Swimmingpool. Der Strand ist ihnen zu weit weg, obwohl wir einen Bustransport anbieten“ erzählt Fadl. Er ist Barmann.

Zu dritt sitzen die Mitarbeiter des Hotels unter einem Sonnenschirm. Eine Handvoll Liegen sind aufgestellt, doch unter den meisten Sonnenschirmen ist nur Schatten. Der Strand ist ausgestorben, trotz blauem Himmel, glasklarem Wasser, goldgelbem Strand und angenehmen Temperaturen. „Wie die Côte d’Azur Ende Oktober“ erinnere mich. Ruhe und etwas Melancholie liegt über der Szene; eigentlich wäre jetzt Hochsaison.

Ich darf ausnahmsweise auf dem Privatstrand bleiben und habe es so friedlich wie selten. Hie und da kommt Fadl zu mir um zu plaudern. Er jammert, dass er mehr Geld braucht als er verdient. Er gehe meistens auswärts essen, weil das Essen für die Angestellten nur noch aus Gemüse und Reis bestehe; vorher habe es abwechslungsweise Fleisch, Hähnchen oder Fisch gegeben. Jetzt aber werde gespart. Ausserdem raucht er und hat eine eigene Wohnung mit Kollegen zusammen. Im Stadtzentrum; d.h. dass er auch Geld für die Fahrt braucht. Seine Kollegen sind in ihre Dörfer zurückgekehrt. Das alles kostet viel Geld. „Wir zahlen jetzt den Preis für die Freiheit!“ Er hat Angst, dass die Muslimbrüder regieren werden, weil sie die einzige gut organisierte Organisation in Ägypten ist. Er erzählt, wie die Muslimbrüder mit drei Vertreten auch in seinem Dorf aktiv sind und sich um Bedürftige kümmern.

Das Meerwasser ist eiskalt – zuerst. Ich stehe bis zu den Waden im glasklaren knietiefen Wasser und hoffe, dass ich mich an die Temperatur gewöhne. Nicht weit vom Strand hocken Möwen auf den Wellen. Fadl ruft mir zu, ich soll mich einfach hinein werfen. Stattdessen gehe ich wieder hinaus und Fadl erzählt, dass er jeden Morgen schwimme. Seine Kollegen haben inzwischen Badehosen angezogen und rudern mit dem Kanu hinaus – sie machen das Beste aus ihrem langweiligen Job.

Die Wellen sind kräftig und ich muss heftig kraulen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Dafür kühle ich nicht so schnell aus. Die Bucht verläuft auf vielleicht 20 Metern ganz flach und plötzlich fällt der Meeresboden ab. Dort draussen ist das Wasser trüb vom starken Wellengang. Das Meerwasser tut mir gut, doch nach vielleicht zehn Minuten muss ich raus aus dem Wasser, es wird mir zu kühl. Der Wind ist auch nicht angenehm, aber die Sonne ist schon kräftig genug, dass ich schnell wieder aufgewärmt bin. Perfekte Bedingungen, denn bald wird es wieder zu heiss sein.

Ich bedanke mich bei den Angestellten und drücke Fadl einen Geldschein in die Hand; er soll damit Zigaretten kaufen und sie mit seinen Kollegen teilen.


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