Die Aussicht ist nicht überwältigend: ein Feld voller Bauschutt, dahinter eine Mauer und ein mehrjähriger Rohbau – typisch Hurghada. Wir stehen im zweiten Stock auf dem Balkon. „Da hat es gestern gebrannt“ sagen meine Bekannten. Ich sehe auf den ersten Blick nichts; bei genauerem Hinsehen aber doch: die Mauer ist geschwärzt. Ob da nicht auch Beweismittel des Staatsicherheitsdienstes verbrannt wurden?
Meine Bekannten sehen mich verständnislos an – sie wissen von nichts und ich erzähle, was ich gelesen habe.
Am Abend erfahre ich auf Al-Masry Al-Youm dann, dass es in Hurghada tatsächlich gebrannt hat – wo genau, wird nicht erwähnt. Ein Reporter der Zeitung war dabei, die Behörden bei ihrer Tat zu filmen, wurde aber tätlich angegriffen und musste flüchten. Hurghada ist zwar 450 km von Kairo entfernt, das System ist aber dasselbe.
Einige Details der „eroberten“ Daten aus dem Staatsicherheitsdienst sind bereits gesichtet und an die Presse geleitet worden. So sind z.B. Telefongespräche aufgezeichnet, wonach befohlen wird, auf die Demonstranten zu schiessen – was ja auch geschah. In nächster Zeit werden sicher viele brisante, grauenhafte, schockierende und andere Informationen bekannt werden. Erste Spitzelpolizisten sind bereits verhaftet und wegen Vernichtung wichtiger Beweise angeklagt worden, – es muss seltsam für sie sein, plötzlich hinter Gittern zu stehen.
Für die Ägypter ist es sicher eine riesige Genugtuung: was sie jahrelang gefürchtet hatten, wo so unendlich viel Ungerechtigkeit und Leid produziert worden ist, liegt nun offen da, wie eine hässliche Krake, die noch die letzten Zuckungen macht, bevor sie stirbt. Oft denke ich an eine Freundin in Alexandria, mit der ich über das Regime und Mubarak diskutieren wollte. Jedes Mal blickte sie ängstlich um sich und flüsterte mir zu, dass ich nur ganz leise reden dürfe, sonst bestehe die Gefahr, dass sie verhaftet würde. Erst in ihrer eigenen Wohnung fühlte sie sich sicher und wir konnten offen reden. Heute verstehe ich ihre Angst besser: die ägyptische Gesellschaft war infiltriert von Spitzeln und Agenten. Wie ein Agentenkrimi… Nur leider wahres Leben.
Jetzt ist es wirklich nur noch eine Frage von Tagen, bis dieser Geheimapparat aufgelöst wird. Tunesien hat es heute vorgemacht.
Wer wird über diese geschichtlich bedeutende Zeit wohl einen Film drehen? Stoff für einen spannenden Kassenschlager ist genügend vorhanden: Geld, Korruption, Macht, Geheimdienst, Brutalität, Religion und wahre Helden uvam.
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