Der etwa fünfunddreissig Jährige Fahrer ist etwas beleibt, trägt einen oliv-bräunlichen Kaftan, ist höflich und fährt angenehm. Ich habe mich auf den freien Beifahrersitz gesetzt. Da sitze ich am liebsten, denn da sehe ich, was auf der Strasse läuft und muss nicht damit rechnen, dass ein Mann zu nahe an mich heranrückt.
Die Idylle dauert nur fünfzehn Minuten.
Die hinter uns sitzenden Fahrgäste fangen an zu reklamieren. Sie verlangen Rückgeld. Sie behaupten, die Strecke koste nur eineinhalb Pfund. Der Fahrer erklärt, dass es von X nach Y so und so viel kostet und von X nach Z so und so viel. Die Fahrgäste bestreiten das. Der Fahrer rechtfertigt sich – schliesslich fährt er die Strecke tagtäglich mehrmals. Doch das genügt nicht.
Die Stimmen werden lauter. Plötzlich beugt sich einer der Männer von hinten über den Sitz zum Fahrer und fuchtelt mit dem rechten Arm herum, schreit. Ich berühre seinen Arm und bitte ihn, aufzuhören – in Englisch, damit er wach wird. Sinnlos. Ich sehe in eines dieser zahlreichen ungebildeten, schlecht bezahlten, zahnlosen, hitzköpfigen und hirnlosen Gesichter, die wegen jeder Kleinigkeit Streit anfangen. Und tatsächlich: es geht hier – es ist wirklich kaum zu glauben – um 50 Piaster! Ein halbes Pfund. Dafür kann man eine Handvoll subventionierte Brotfladen kaufen, mehr nicht, nicht mal eine kleine Wasserflasche ist dafür erhältlich.
Der Streit artet aus. Wir sind inzwischen in der belebten und stark befahrenen Sheraton Strasse angelangt – es ist Abenddämmerung, Touristen flanieren – und der Fahrer fährt den Bus rechts ran. Die Männer steigen aus – offenbar ist es eine Gruppe von vier oder fünf Männern, die zusammen gehören. Sie sehen ungeheuerlich aus. Ich fliehe aus dem Bus, eile einige Meter vom Bus weg und winke den nächsten Bus heran. Fort, so schnell wie möglich. Ich zittere innerlich, muss mich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Ich kann keinen Streit sehen und ertrage keine lauten Stimmen.
Doch die Gesichter der Männer erinnerten mich an andere Ereignisse, z.B. dieses: ein Freund wartete nach dem Freitagsgebet auf einen Bus – doch keiner kam. Hingegen hielt ein Taxi und obwohl bereits drei Typen drin sassen, wurde er aufgefordert dazu zu steigen. Er müsse nichts bezahlen. Die Typen sahen aber furchteinflössend aus und mein Bekannter war sicher, dass es sich um jenes Gesindel handelt, das zurzeit ganz Ägypten unsicher macht. Wäre er zugestiegen, wäre er vielleicht nicht mehr am Leben. Ich meinte eher, dass er vielleicht ohne Handy und Brieftasche im Strassengraben gelandet wäre.
Oder z.B. dieses: als während den Demonstrationen Im Januar und Februar plötzlich Schläger und Verbrecher auftauchten, sagten Freunde: ich weiss nicht, was das für Menschen sind, sie sehen nicht aus wie Ägypter.
In Hurghada tummeln sich Leute, die Streit suchen, Schlägereien anzetteln, Kleinverbrechen begehen. Ziel: Zwist und Angst säen, das Land entzweien. Ich werde immer wieder von Freunden aufgefordert mich zu beherrschen, mich nicht provozieren zu lassen, nicht zu spät in der Nacht ausser Haus zu sein.
Heute las ich, dass der Oberste Armeerat Informationen hat, dass Überbleibsel des Regimes (der NDP) hinter den religiösen Angriffen und den überall auftretenden Verbrechern stehen. Ob es sich auch um solche bei dem von mir heute erlebten Zwischenfall handelt, weiss ich nicht. Sie sahen jedenfalls nicht wie jene Ägypter aus, die mir seit zwei Jahren Tag für Tag begegnen.
Ägypten wohin steuerst du?
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