Warum hat es ausgerechnet heute so viel Verkehr? Um 10 Uhr
morgens? Die Taxis und die Minibusse, die Lastwagen und die Privatwagen, alle
durcheinander, elend langsam. Innerlich schreie ich den Taxifahrer an:
schneller, schneller!
Ich hetze aus dem Taxi, überquere die verstopfte Strasse und
merke erst jetzt, dass etwas nicht stimmt: Da stehen Busse quer in der Strasse.
Wieso denn das?
Zwei Minibusse haben die Strasse blockiert, ein
ohrenbetäubendes Hupkonzert und schreiende Männer überall. Ich suche in dem
Chaos meinen Taxifahrer und drück ihm einen Geldschein in die Hand – es lohnt
sich nicht zu warten, das wird länger dauern.
Eine Gruppe Männer steht im Schatten des ägyptischen
Kaufhauses und diskutiert hitzköpfig und laut. Allmählich realisiere ich, was
da los ist: die Minibusfahrer tun ihren Unmut kund. Ausgerechnet jetzt, wo ich…
Sie beschweren sich über den miesen Lohn und ihren elenden Lebensstandard und
anderes. Ein junger Mann versucht, den Verkehr an den querstehenden Minibussen
vorbei zu schleusen, die Autofahrer sind verärgert. Die Minibusfahrer auch. Ein
paar Polizisten hören sich die Klagen an. Die Menschentraube wächst zu einem
grossen Knäuel an, verschiebt sich der Strasse entlang mal nach rechts, mal
nach links, immer im Schatten des altmodischen, verstaubten Kaufhauses.
Ich stehe wie angeschraubt auf dem Trottoir im Schatten und
warte. Ich warte auf denjenigen Minibusfahrer, bei dem ich eine halbe Stunde vorher
etwas im Bus liegen liess. Jeden herankommenden Fahrer, Bus und seine
Sitzüberzüge sehe ich mir an. Ich kenne den Fahrer, die Sitze sind blau bezogen,
mit Plüsch. Hie und da muss ich ein paar Meter nach rechts oder links
ausweichen, je nach dem, wohin sich das demonstrierende Menschenknäuel bewegt. In
dem Knäuel ist er auch nicht, da passt er gar nicht hin, denn er ist schon
etwas älter, wirkt ruhiger und reifer.
Jemand fragt mich, ob er mir helfen kann. Jemand anders,
wohin ich will. Noch einer, was ich suche. Ich bedanke mich lächelnd und
erkläre irgendwann, worauf ich warte. Noch immer schreien und diskutieren die
Fahrer. Ständig kommen weitere Minibusse herangefahren, reihen sich in die
Warteschlange ein oder fahren wieder zurück.
Hier in Dahar ist Endstation. Jeder Minibus zwischen der
Hotelstrasse und Dahar kommt irgendwann hier vorbei. Deshalb warte ich.
Irgendwann wird auch meiner kommen.
Wie viele Minibusse gibt es in Hurghada? Nach einer Stunde des
Wartens überlege ich mir, dass es viele Hunderte sein müssen. Es gibt ja noch
andere Routen, die auf der anderen Seite des riesigen Kreisels enden bzw.
starten.
Die Demo hat sich inzwischen etwas aufgelöst, nur der harte
Kern hört nicht auf zu diskutieren. Ein kleiner, hagerer Mann heizt die
Diskussion immer wieder von neuem an. Die meisten Fahrer sind zu ihren Bussen
zurückgekehrt. Bisher haben sie kaum Notiz von mir genommen. Bin ich sonst einfach ein
Fahrgast, der den nächsten Bus nach Magawish besteigen will, bin ich während
der letzten Stunde Teil des Strassenbildes geworden: Zeitungsverkäufer,
Abfallkübel mit Strassenschild, ich, Strassenlaterne.
Ein Fahrer getraut sich heran und fragt mich, worauf ich denn
warte. Ich erkläre es ihm. Eine Hinfahrt dauert ca. eine Stunde bis eineinviertel
Stunden und ich rechne aus, wie lange ich noch warten muss, bis er hier vorbei
kommen muss. Und wenn er eine Pause macht? Der Fahrer sagt, sie machten keine
Pause. Hier müssen sie ja warten, weil sie von hier wieder der Reihe nach wegfahren.
Es ist wahnsinnig heiss. Eine kleine Gruppe Fahrer spricht
mich an, will mir helfen, mir Mut zusprechen. Ich lass mich dankbar in ein
Gespräch verwickeln, die Augen immer suchend auf der anderen, in der
Mittagshitze liegenden Strassenseite ruhend. Ich hole mir eine Flasche kühles
Wasser im Geschäft und warte weiter.
Zwei Stunden: die Busse sehen inzwischen alle gleich aus,
egal ob sie alt, verbeult, sauber und gepflegt oder dreckig und verlottert, neu,
hoch oder flach sind. Genauso die Fahrer, obwohl es solche mit und ohne Bart
gibt, schlanke und beleibte, solche mit T-Shirts und solche mit den braunen,
grünen oder blauen Kaftanen. Es gibt auch glatzköpfige, kraushaarige oder jene,
die einen Turban oder Käppchen tragen.
Eine halbe Stunde noch… Den da habe ich doch schon gesehen,
das rote T-Shirt fällt auf… Meiner ist nicht dabei. Ich verliere zusehends den
Mut. Er hat vielleicht doch eine Pause gemacht, raucht irgendwo eine Schischa und
schlürft einen Tee. Ich denke an meine Unterlagen und mir wird elend. Mag auch
von der Hitze sein. Ich kann nicht mehr länger stehen und setze mich für ein
paar Minuten auf die Stufen der Treppe des Kaufhauses. Plötzlich falle ich
wieder auf…
Ich gehe zurück an meinen alten Platz auf dem Trottoir.
Nochmals beobachte ich die heranfahrenden Minibusse. Nein, er ist nicht dabei.
Aber ich würde ihn jetzt vielleicht nicht mal mehr erkennen. Müde und
niedergeschlagen winke ich ein Taxi heran – ich mag keinen Bus mehr sehen,
sondern nur noch nach Hause fahren.
Seither hoffe ich jeden Tag, dass ich den Fahrer doch noch
sehe und er mir meine Unterlagen mit einem strahlenden Lächeln in die Hände
drückt. Ganz bestimmt… Und sonst? Nichts geschieht ja ohne Sinn - vielleicht entdecke ich denjenigen für dieses Missgeschick auch noch....
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