Gestern wurde in weiten Teilen Ägyptens gegen den Obersten
Militärrat und für eine sofortige Machtübergabe an eine zivile
Übergangsregierung demonstriert. Der Oberste Militärrat wird nun offen als Lügner
angeprangert und Aktivisten zeigen als Beweis Videos, denn die „Sofapartei“
(jene „schweigende Mehrheit“) vertraut nach wie vor den Parolen des
Militärrates. Die Muslim Brüder beugten sich dem Druck der Demonstranten und
nahmen ihr Plakat zur Feier des Jahrestages vom 25. Januar herab. Zum Feiern
gibt es nämlich nichts. Gar nichts.
Es gab keine Schlägereien, Steinhagel und Schüsse, aber
Gewalt. Gewalt gegen Frauen: eine unbekannte Anzahl Frauen wurde unabhängig voneinander
von einer Gruppe Männern umringt, die ihnen die Kleider vom Leib rissen und sie
sexuell belästigten! Das scheint eine weitere Strategie der Demokratiegegner und
Regimebewahrer zu sein, um die Demonstranten einzuschüchtern. Erstere haben
scheinbar noch nicht kapiert, dass diese Strategie nicht funktioniert: je mehr
Druck, Gewalt und Einschüchterung – umso mehr werden sich die Aktivisten Gehör
schaffen.
Währenddessen unterhielt ich mich mit einem Freund.
Unausweichlich kamen wir auch auf die aktuelle Lage im Land zu sprechen. Dieser
Freund beschloss im Dezember 2010 – kurz vor Ausbruch der Aufstände - sein
eigenes Geschäft mit selbst entworfenen, handgewobenen Baumwolltüchern zu
eröffnen. Seither sucht er ein Ladengeschäft. Nicht dass es daran fehlen würde,
oh nein. Hurghada besitzt mittlerweile eine ansehnliche Auswahl an leer stehenden
Geschäften, auch an guten Lagen. Aber das Irrwitzige daran ist, dass die Mieten
immer noch astronomisch hoch sind. Deshalb hat sich mein Bekannter nicht
durchringen können, sein eigenes Geschäft zu eröffnen.
„Manchmal möchte ich aus Ägypten weg“ sagte er mir. Es wäre
für ihn ein Leichtes: in den USA und Kanada wohnen Verwandte. Aber er will
nicht, denn „ich liebe Ägypten, es ist mein Land!“ Er hat Angst vor dem, was
noch kommen wird. Für ihn ist auch klar, dass die Wahlen eine einzige Fälschung
waren und der Militärrat und die Muslimbrüder eine Abmachung haben. Zwischen
dem jetzigen Parlament und jenem vom alten Regime gäbe es keinen Unterschied:
beide wurden bzw. werden von einer Macht (damals die NDP, heute die Partei der Muslim
Brüder) dominiert und die Minderheit hielt/hält den Mund. Ich bin mir nicht
sicher, ob das jetzt auch so ist. Bald werden wir’s ja sehen.
Sein Telefon läutet zum fünften Mal. Sein Bruder: eine
Gelegenheit für ein Ladenlokal. Wir verlassen das Café und marschieren eine
halbe Stunde lang über die fast leere Fussgängerpromenade unter einem
wunderbaren Sternenhimmel bis zum Geschäft seines Bruders. Der kommt aber erst
nach dem Fussballmatch… Das Leben muss weitergehen, auch hier.
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