Heute ist der zweite Tag der Protestwelle in Ägypten. Ich verfolge die Geschehnisse im Internet, auf Bloggerseiten und im Fernsehen. Meine Quellen sind France24, Al-Jazeera, Al Masry Al Youm, NZZ, Egyptian Chronicles, observateurs.france24 u.a.
Gestern schon war die Internetverbindung langsam und wurde immer wieder unterbrochen. Skypen war kaum möglich. Heute ist es noch schlimmer, Twitter, Facebook, Google und andere social medias sind abgeblockt; ich kann viele Internet-Seiten, auch meinen eigenen Blog, oft nicht aufrufen. Das Telefon funktioniert hier am Roten Meer im Gegensatz zu Kairo problemlos.
Ich habe einige wenige Ägypter auf die Ereignisse angesprochen und war entsetzt über ihre Antworten. Einer (ein Hotelmanager, um die 40, arbeitet täglich 16 Stunden) meinte, die Wirklichkeit spiele sich nicht im Internet und im Fernsehen statt, die Ägypter sollten erst mal lernen richtig zu arbeiten. Ich bin nicht sicher, ob nicht vielleicht er in einer falschen Wirklichkeit lebt.
Eine andere Person (gut 40, sehr konservativer Hintergrund) glaubt gar nicht, dass die Ägypter sich gegen ihr Regime auflehnen können, denn Regierung und Sicherheitsapparat seien allmächtig.
Freunde – junge Ägypter – haben mir aber schon seit langem erzählt, wie unendlich genug die Menschen von diesen Lebensumständen haben. Es ist die Jugend, die sich nun erhebt und die bald die Bevölkerungsmehrheit ausmacht und unter denen die grosse Mehrheit arbeitslos ist. Immer denke ich auch an die Aussage, dass die Polizisten auch die Nase voll haben…
Nach den Ereignissen in Tunesien habe ich eigentlich nur darauf gewartet, wann (nicht ob) sich die Ägypter erheben würden… Ein Protesttag ist ein gutes Zeichen und hat weltweit viele Menschen und Politiker aufgerüttelt. Für mich war aber klar: es kommt darauf an, was heute geschieht: geht es weiter oder nicht?
Und siehe da: es geht weiter! Die Ägypter gehen weiter auf die Strasse, obwohl das Innenministerium mit voller Härte und Brutalität gegen sie vorgeht. Bilder und Videos sind grässliche Zeugen. Und für morgen sind die Menschen erneut aufgerufen, nach dem Freitagsgebet wieder auf die Strassen zu gehen. Nicht nur in Kairo und Alexandria, sondern im ganzen Land, auch in Oberägypten und auf dem Sinai wird protestiert. Sehr gespannt bin ich nun, wie das Innenministerium auf die Aufrufe seitens der EU und Hillary Clinton reagieren wird, das Demonstrationsverbot sei aufzuheben und Internetzugang zu gewährleisten. Das Wort der USA hat grosses Gewicht und ich glaube, das könnte Ägypten in die Klemme bringen: hält sich der Sicherheitsapparat zurück, wird die Protestbewegung zunehmen; unterdrücken die Sicherheitskräfte die Proteste mit brutaler Gewalt, kann dies Folgen seitens des grossen „Bruders“ USA haben.
Hier in Hurghada ist nichts zu merken, mit Ausnahme der seit Wochen verstärkten Polizeipräsenz. Ich habe gemischte Gefühle. Einerseits sehe ich meine schon lange gehegten Vorahnungen wahr werden und wünsche Ägypten endlich Demokratie, Freiheit und ein menschenwürdiges Dasein. Andererseits haben die Ereignisse erste unliebsame Folgen mit sich gebracht: Investoren haben sich aus dem Land zurückgezogen, die Börse ist eingebrochen, das ägyptische Pfund verliert an Wert. Wie wird der Tourismus reagieren? Bleiben die Touristen aus, hat das Auswirkungen auf das Leben hier. Für meine ägyptischen und europäischen Freunde … und für mich.
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