Anderes

Donnerstag, Januar 20, 2011

Vom Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Assuan hiess mein Ziel.
Ohne eigenes Auto.
Konkret: per Bus von Hurghada nach Luxor, von dort weiter mit dem Zug. Und zurück. Fliegen kommt nicht in Frage, denn es gibt keine direkten Flüge sondern nur über Kairo.

Schon Tage vor meinem Reisetag versuchte ich, einen verlässlichen Zugfahrplan ausfindig zu machen. Naheliegende Informationsquellen schienen mir das Internet und die Tourismusinformationsbüros in Hurghada und Luxor. Dass sie am Bahnhof in Englisch Auskunft geben könnten, bezweifelte ich zutiefst.


Das Internet lieferte mir den Fahrplan der Egyptian National Railways (http://www.egyptrail.gov.eg/docs/online/online.html): es gibt eine grosse Auswahl an Zügen mit wohlklingenden Namen wie z.B. "Spanish", die zwischen Kairo und Assuan verkehren. Alle halten auch in Luxor. Leider führt der Fahrplan das Datum 01/05/2009 auf und mich befielen Zweifel, ob die Angaben im Jahr 2011 wohl auch noch gälten? Doch aufgepasst: es gibt Züge – gemäss Internetforen – die Ausländer nicht besteigen dürfen (oder sollen).
Das reichte also noch nicht, zudem hatte ich meine gewünschten drei unterschiedlichen Auskunftsquellen noch nicht beieinander, um eine halbwegs übereinstimmende Information zu bekommen.

Also rief ich die Tourist Information in Hurghada an. Ich erhielt eine sehr freundliche Auskunft, die mit dem Internet-Fahrplan gar nicht übereinstimmte.

Ich suchte im Internet die Telefonnummer der Tourist Information in Luxor – unauffindbar! Das heisst, die veröffentlichte Nummer ist veraltet. Die haben eine wunderschöne Homepage, aber keine Telefonnummer. Ich suchte auf den Yellowpages – ohne Erfolg. Dafür fand ich dort die Telefonnummer des Bahnhofs Luxor.

Nun rief ich beim Bahnhof an – ja ich weiss, das wäre in Europa das Naheliegendste, nicht aber in Ägypten! - und bat in Arabisch um den Fahrplan. Ich erhielt ihn sogar! Doch konnte ich den Mann nach der vierten Wiederholung immer noch nicht verstehen. Die Telefonverbindung war eine Katastrophe (da war Wasser drin) und sein Arabisch so schnell wie ein TGV. Nichts zu machen. Später sagte mir jemand, ich hätte ein riesiges Glück gehabt, dass die Bähnler überhaupt meinen Anruf angenommen hätten, denn das sei überhaupt nicht üblich! Darauf entgegnete ich, die hätten aufgrund meiner Telefonnummer gesehen, dass ich Ausländerin sei! ;-)

Frustriert bat ich nach diesem missglückten Versuch einen ägyptischen Freund, für mich anzurufen. Das wollte er nicht, bot aber an, anderntags am Bahnhof in Qena zu fragen, denn er müsse sowieso dort hin. Eine halbe Stunde später rief er mir jedoch zurück und sagte, die Bähnler nähmen das Telefon nicht ab (sic!). Am nächsten Tag gab er mir dann Abfahrtszeiten durch, die mich nicht begeisterten, aber stimmten.

Zwei Stunden hatte ich schon allein wegen dem blöden Zugfahrplan vertrödelt, als ich im Internet auf Googleseite fünf oder sechs eine weitere Telefonnummer der Tourist Information in Luxor entdeckte. Ich wählte sie, es nahm aber niemand mehr ab. Es war halb elf Uhr nachts - in Ägypten somit überhaupt nicht spät! Ich rief anderntags wieder an – und die Nummer war richtig!! Die Auskunft hingegen war unvollständig und äusserst unfreundlich.
Ich konnte mir nun aber zusammen reimen, dass gegen Abend um 18 Uhr und kurz vor Mitternacht ein Zug von Luxor nach Assuan abfuhr. Das war sehr beruhigend. Ich würde ganz bestimmt rechtzeitig in Luxor ankommen, um den Abendzug zu erwischen.

Am Tag vor der Abreise fuhr ich zum Busunternehmen, um mich zu versichern, dass die Abfahrtszeit noch dieselbe sei, wie vor wenigen Wochen: 8 Uhr 30. Dem war so, doch der Angestellte empfahl mir, eine Stunde früher zu kommen, denn sie dürften nur fünf Ausländer mitnehmen. Fahrkarten würden am Vortag leider nicht verkauft, Reservationen nicht entgegen genommen.
Tja, so stand ich am Reisetag um viertel vor sechs auf, nahm ein Taxi und war um viertel nach sieben beim Busunternehmen. Unfreundlich hiess es: der Bus sei voll! Ich stand da wie versteinert… die Auskunft gestern hiess doch… bla bla bla. Ich bat um eine Erklärung. „Der Bus ist voll!“ Ich sagte, ich sei nun über eine Stunde früher da, wie mir gesagt wurde, und ich müsse heute Abend in Assuan sein. Der Mann bequemte sich schliesslich und erklärte mir, dass der Schalter um fünf Uhr früh geöffnet wird und halt schon Ausländer da gewesen seien, um Fahrkarten zu kaufen. Mir kamen die Tränen. Ich fragte, welche weiteren Möglichkeiten ich denn hätte, heute nach Luxor zu kommen (ich kannte diese sehr wohl). Man nannte den Namen der anderen Busgesellschaft, die ich mich weigere, je wieder zu benützen und über die selbst die Einheimischen schimpfen; und es gab die Peugeots, Autos aus den fünfziger Jahren, die alle möglichen Orte in ganz Ägypten verbinden. So eines hatte ich mal von Tanta nach Alexandria gebraucht. Ich liess mir erklären, wie ich per Taxi dorthin kommen könne, als der Angestellte plötzlich meinte, ich soll mal hinsitzen und warten.

Warten, ja. Warten muss man in diesem Land immer und ewig und überall. Ich bin schon sehr geübt – ich erkenne mich oft selbst nicht mehr! Ehrlich gesagt habe ich aber oft auch keine Alternative!


Ich trank einen Tee, ich schaute die Wartenden an, ich beobachtete den Verkehr, ich fror und war froh, als die Sonne kam. Ich ging aufs Klo. Bei der Gelegenheit fragte ich am Schalter nach Neuigkeiten – und siehe da: ich durfte mein Geld abgeben! Die Fahrkarten wurden erst verteilt, wenn der Bus bestiegen werden darf.


Ich war froh, aber auch erschöpft. Und der Bus kam nicht.
Ich wartete. Die anderen warteten auch. Nach eineinhalb Stunden kam er dann endlich – ich hatte zweieinhalb Stunden im Wintermantel gewartet. Mir wurde auch klar, weshalb ich doch mit fahren durfte: der Bus war nur zu einem Drittel voll.

Die Verspätung wurde dadurch aufgeholt, dass es keine Zigaretten- und Toiletten-Pause gab. Als wir gegen 14 Uhr in Luxor ankamen, suchte ich erst mal das berühmte stille Örtchen auf (in der Tourist Information: sehr sauber, 24 Stunden geöffnet!).


 

Sogleich ging ich zum Bahnhof, um mich um die Weiterfahrt zu kümmern. Abends um 18 Uhr sollte ein Zug fahren und ich wollte grad auch die Rückfahrkarte kaufen. Abfahrt in Assuan um fünf Uhr morgens und fünf Uhr abends. Wirklich? Ja! Gequält entschied ich mich für die morgendliche Fahrt. In Assuan erfuhr ich dann, dass es auch spätere Züge gibt…

Am Bahnhof deponierte ich auch meine Reisetasche, schliesslich wollte ich nicht vier Stunden lang mit meiner Reisetasche herumlaufen. Ein junger Polizist bot mir an, meine Tasche in seinem Büro aufzubewahren. Ich merkte aber, dass der irgendetwas anderes wollte und schaffte es wieder aus dem Büro hinaus, in die richtige Gepäckaufbewahrung.

Danach ging ich zum Büro des Busunternehmens, um mich um die Rückfahrt zu kümmern.  Letztes Mal hatte ich keine Fahrkarte mehr erhalten, da man diese vormittags reservieren muss, was nicht immer realisierbar ist. Ich brauchte also eine andere Lösung. Normal wäre ja: Karte kaufen. Doch das ging nicht, aber ich konnte meinen Namen aufschreiben lassen. Immerhin!

Die folgenden Stunden verbrachte ich spazierend und – natürlich – wartend in Luxor. Rechtzeitig machte ich mich wieder zum Bahnhof auf, holte meine Tasche und setzte mich auf eine Bank am Bahnsteig. Ich wartete. Wir warteten. Es wurde 19 Uhr. Kein Zug. Es war schon lange dunkel und kalt. Kein Zug. Es wurde eiskalt und mühsam. Niemand reklamierte, niemand fragte, niemand ging nervös auf und ab. In der Schweiz hätte das schon längst einen Aufstand gegeben! Kurz vor halb acht traf der ersehnte Zug dann endlich ein. Ich suchte meinen Wagen und meinen Sitz in der ersten Klasse. Der Sitz war schon belegt und ich machte es mir woanders bequem.

Die Grösse und Polsterung der Sitze entsprach eindeutig einem Erste-Klasse-Wagen. Alles andere widersprach so ziemlich jeder Vorstellung, selbst meinen Erinnerungen an Südamerika. Himmeltraurig! Aber es war warm da drinnen! Man bemerke dies bitte.

Kurz vor Mitternacht traf der Zug tatsächlich in Assuan ein. Ich nahm ein Taxi und fünf Minuten später war ich im Hotel. Was für eine Reise! So viele Stunden des Wartens für eine Strecke von 600 Kilometern. Ich war achtzehn Stunden unterwegs gewesen!


 
Den Aufenthalt in Assuan habe ich genossen, davon bei anderer Gelegenheit.

Was mich noch bedrückte, war die Rückfahrt. Ich ging anderntags erneut zum Bahnhof und zu meiner grossen Überraschung fand ich dort grosse Tafeln mit allen Abfahrtszeiten der Züge! Da gab es doch tatsächlich noch weitere Züge zwischen fünf Uhr früh und fünf Uhr nachmittags. Ich wollte mein Ticket umtauschen, liess es aber sein, weil zu viele Leute vor den Schaltern standen. Anstehen macht generell nicht viel Spass, in Ägypten erst recht nicht, denn die Ägypter drängeln alle. Da mein Arabisch nicht so gut ist und ich Drängeln hasse, warte ich oft bessere Augenblicke ab.

Der kam… aber zu spät. Als ich schlussendlich meine Fahrkarte umtauschen wollte, hiess es: geht nicht. Das muss 24 Stunden vor der geplanten Reise erfolgen! Meine Nerven waren nicht grad die Besten und diese unfreundliche Antwort setzte mir arg zu. Im Hotel meinte der Rezeptionist, dass er das zum ersten Mal höre. Ein Wartender fragte mich noch, auf welche Zeit denn mein Ticket ausgestellt sei – er würde es kaufen, doch er wollte gleichentags fahren.

Einmal mehr blieb mir keine Wahl, als mich in dieses saublöde, unlogische System in diesem Land zu fügen. Hier werden einem nur Schwierigkeiten gemacht; es gibt absolut nichts, um der Bevölkerung irgendetwas einfacher zu machen. Es ist System, alles so schwierig und mühsam wie möglich zu machen!

Schweren Herzens liess ich mich um vier Uhr morgens wecken, bestieg ein Taxi und kurz vor fünf den Zug. Viele „Sa‘idis“ lagen in ihre Tücher gewickelt im Zug – sie hatten wohl die Nacht hier verbracht. Ich suchte mir einen Platz, der halbwegs sauber war, was sich als sehr schwierig herausstellte.

Der Zug verliess Assuan pünktlich. Ich verliess meinen Sitz ebenfalls, denn Wasser rann von einer gebrochenen Leitung immer üppiger in den Wagen. Ausserdem war es eiskalt. Ich sass mit Strickjacke, Wintermantel, Wollmütze und einem Tuch über den Knien dreieinhalb Stunden in einem ungeheizten Zug – bei Aussentemperaturen von 8 Grad Celsius.

In Luxor suchte ich erst mal ein Kaffee auf, um mich aufzuwärmen. Die Vorstellung, bis abends um 20 Uhr in Luxor herum zu hängen und wieder zu warten, warten, warten, widerstrebte mir so sehr, dass ich mir erneut Rat in der Tourist Information holte. Das Neue dabei war: Peugeots sind Ausländern verboten, Taxi mieten ist teuer.

Nach einem weiteren heissen Kaffee entschied ich mich doch dazu, mit den Taxifahrern zu feilschen. Meine Ticketreservation für den Bus überliess ich Allah. Rasch sagte einer von ihnen zu, der Typ schien ok, das Auto sauber und los ging’s! Der arme Kerl hatte aber solche Angst vor den Radarkontrollen, dass er oft nur 50 km/h fuhr, was sich auf der Strecke von 220km ganz schön bemerkbar machte.

Nach über viereinhalb Stunden entstieg ich dem Taxi, müde, aber froh, nicht erst um Mitternacht in Hurghada angekommen zu sein.

Und dann war da noch die Hotelreservation… Davon schreibe ich jetzt aber lieber nicht auch noch!

Hat jetzt noch jemand Lust, auf „eigene Faust“ in Ägypten herum zu reisen? Der melde sich bitte bei mir: sobald ich mich erholt habe, mache ich mich erneut auf die Reise. :-))




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