Anderes

Donnerstag, Mai 19, 2011

Eine Portion Abenteuer

Ich stehe am Strassenrand und warte. Ein Fahrzeug kommt in rasendem Tempo entgegen und blinkt mir auf… oranges Autoschild… ein Kleinbus. Ich strecke meinen Arm aus um dem Fahrer anzudeuten, dass er anhalten und mich mitnehmen soll.

Meistens besteige  ich einen Kleinbus, wenn ich innerhalb Hurghadas wohin muss. Die sind günstig und zahlreich zu finden. Sie sind auch unsicher und unbequem.

Es sind meist Toyota-Busse in unterschiedlichem Zustand. Einige fallen fast auseinander und man weiss nie so genau, ob sie noch rechtzeitig bremsen können oder ob sie es noch schaffen, den nächsten Gang einzulegen. Sitze und Innenverkleidung sind zerfleddert, manchmal fehlt eine Rückenlehne, oft sitzt man auf einem Sitz ohne Polsterung. Das ist unbequem. Aber unbequem ist es sowieso, weil diese Busse weder für Langbeiner noch für füllige Körpermassen konstruiert wurden. Also ist es egal, ob die Polsterung gut ist oder nicht.

Manch einer der Busse ist aber innen liebevoll dekoriert: exotische Landschaften als Innenverkleidung, gehäkelte Bordüren über den Fensterkanten, weiche, gewobene Wollteppiche über den Sitzen und seitlicher Sonnenschutz am Fahrer- und Beifahrerfenster. So ein Bus ist meist auch sehr sauber.

Ebenso unterschiedlich wie die Busse sind auch die Fahrer und ihr Fahrstil. Viele fahren schlichtweg idiotisch und ruppig. Oft wird angefahren, noch bevor die Schiebetüre geschlossen, der Fahrgast auf dem Sitz Platz genommen hat. Das gibt blaue Flecken und böse Blicke. Einmal flog ein Koffer vom Dach…. Ägyptische Popmusik oder Koran-Rezitationen in voller Lautstärke begleiten die Fahrten.

Hie und da sind auch Gentlemen am Lenkrad anzutreffen: sie fahren sanft an, lassen waghalsige Überholmanöver und Geschwindigkeitswettbewerbe in radarfreien Zonen sein, sie kündigen laut und deutlich jede bekannte Strasse, jeden bekannteren Stopp an: „Had nasil chery?“ – Will jemand bei der Chery-Strasse aussteigen? Sie warten, bis man ein- und ausgestiegen ist, sie grüssen freundlich und verabschieden einen gleichfalls.

Fahrkarten oder so etwas Ähnliches gibt es nicht, obwohl der Fahrpreis fixiert ist (ausser für unwissende Touristen: sie zahlen willkürlich festgesetzte Preise). Das Fahrgeld wird dem Vordermann mit der Bemerkung des Zielortes und der Anzahl Zahlender weitergereicht, bis dieses beim Fahrer landet. Oft übernimmt ein einzelner Fahrgast ganz selbstverständlich das Einsammeln all des Kleingeldes, gibt Rückgeld, zählt nach und reicht es dem Fahrer weiter.

Was mir besonders gefällt, ist der Gemeinschaftssinn und der allgegenwärtige Humor der Ägypter. Einmal erlebte ich, wie die Jungs in der hinteren Sitzreihe um Halt beim Bankenviertel baten. Die Musik im Bus war so laut, dass es der Fahrer nicht hören konnte. Die Jungs riefen lauter und alle Männer im Bus stimmten in die Rufe ein. Der Bus hielt unter grossem Gelächter der Fahrgäste an. Als ich kurz darauf mit lauter Stimme rief „Ala gamb, lausamaht“, lachten die verbliebenen Männer im Bus und meinten, dass ich das vorbildlich mache und ich ein gutes Beispiel für die Jungs von vorher wäre. Ich entstieg dem Bus mit einem breiten Grinsen.

Solche und andere Erlebnisse lassen die Fahrten kurzweilig werden – Unbequemlichkeit hin oder her, sie gehören dazu. Und manchmal habe ich ja auch Glück und erwische einen nigelnagelneuen, blitzblanken und bequemen Bus – das geniesse ich dann umso mehr. Auf alle Fälle habe ich mit den „fliegenden Särgen“ weniger Ärger als mit den Taxifahrern!

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