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Sonntag, Februar 05, 2012

Polizeistaat Ägypten – was ist davon übrig?

Polizei. Überall Polizei. An jeder Strassenecke, vor jeder Bank, vor jedem Museum, vor jedem Hotel, Maschinengewehre im Anschlag, griffbereite Nagelbretter, alle paar Kilometer Checkpoints. So sah ich Ägypten, als ich Ende 2006 erstmals her kam. Ich war geschockt, hatte ich das erst einmal vorher in meinem Leben gesehen: in Chile 1987.

Die Polizei hat unterdrückt, schikaniert, erpresst, gefoltert, getötet. Khaled Sayed , ein junger Alexandriner, ertappte Polizisten beim Drogenhandel, fotografierte das und lud die Bilder ins Internet. Dafür büsste er mit seinem Leben. Vorher misshandelte ihn die Polizei bis zur Unendlichkeit. Die Polizei sagte aus, Khaled habe ein Päckchen Marihuana verschluckt, um es zu verstecken. Ein Aufschrei ging durchs Land und viele betrachten diese Tat als den berühmten Tropfen im übervollen Fass, die schlussendlich die grossen Aufstände ab November 2010 hervorbrachte.
Das war Ägyptens Polizei bis zum 25.1.2011. Seither ist sie quasi verschwunden. Fast. Sie kommt jeweils zurück, um Demonstranten zusammenzuschlagen bzw. zu erschiessen, Journalisten abzuführen, manchmal auch noch, um Staatsgebäude zu schützen, was ihnen nur teilweise gelingt. Jedenfalls hat es weder früher noch heute zu ihren Aufgaben gehört, den Bürger zu schützen.
Im März 2011 wurde auf Druck der Demonstranten versprochen, die Polizei (Staatssicherheitspolizei) zu reformieren. Das ist nicht geschehen. Die letzten 12 Jahre sind eine lange Aneinanderreihung von unerfüllten Versprechungen.
Gefängnisse werden gestürmt und hochgefährliche Insassen flüchten. Die Gasleitungen nach Jordanien und Israel werden in regelmässigen Abständen bombardiert. Banden verunsichern ganz Ägypten, verüben Überfälle und Einbrüche, kidnappen und verlangen Lösegelder. Der Waffenschmuggel blüht – bald jeder anständige Bürger trägt eine Waffe auf sich. Die anderen sowieso.
Bei dem Fussballdesaster in Port Said sah die Polizei mit wenigen Ausnahmen nur zu. Augenzeugen berichten, dass sich Polizisten weigerten, die Notausgänge zu öffnen – sie hätten dazu keinen Befehl erhalten. Im Internet zirkulieren Videos, die ZUGESCHWEISSTE Notausgänge zeigen.
In den letzten Tagen gab es eine Häufung von Banküberfällen und seit Port Said wurden erneut  Polizeistationen und Gefängnisse überfallen, Gefangene freigelassen, Waffen erbeutet. Die Polizei hat sich heftig gewehrt, einige kamen bei den Schiessereien um.
Heute wurde das Finanzministerium in Kairo in Brand gesetzt – eine weitere Katastrophe in einer rasenden Spirale, die Ägypten in den Abgrund spült. Die Polizei, der Staat (noch der Oberste Militärrat) hat weder Kraft noch Macht. Ihre Macht war Unterdrückung, Einschüchterung und Folter – die Wirkung ist verblasst, die Ägypter haben genug davon. Der Polizeistaat zerbröckelt, löst sich auf, aber die Polizei hat nichts anderes gelernt…
Als ich heute meinen Einkaufswagen aus dem Einkaufszentrum schob, erblickte ich wenige Schritte vor mir ein grosses Polizei-Aufgebot. Polizisten mit kugelsicheren Westen, Waffen, Fahrzeuge. Ein paar wichtige Männer stiegen aus. Ich spazierte zum Taxistand. Mein Taxifahrer fragte mich, ob ich wüsste, was denn drinnen los sei? Ich hatte keine Ahnung! Er sagte etwas von Banküberfall. Gerüchte. Falscher Alarm. Nichts war, nur der Gouverneur kam zu Besuch. Da braucht es natürlich so ein Polizeiaufgebot.

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