Noch bevor die Wahllokale schlossen, hat der Militärrat einen
weiteren Poker gespielt: ein Dekret zur Übergangsverfassung räumt dem
Militärrat nun praktisch die Macht über alle staatlichen Funktionen ein.
Wer immer als nächster Präsident ernannt wird – er wird sein
Amt nicht lange ausüben.
Man redet von einem „weichen“ Staatsstreich seitens des
Militärs. Und es gibt viele Gerüchte: Am Donnerstag – wenn die Wahlresultate
veröffentlicht werden - werde Blut fliessen. Schon seit Montagabend feiern sich
beide Kandidaten als Sieger, als ob sie damit Fakten schaffen wollten. Es wird
empfohlen, Lebensmittel einzukaufen, weil eine Ausgangsperre (über Kairo?)
verhängt werden soll.
Vorsorglich hat der Militärrat bestimmt, dass auch
Zivilisten, die sich „auffällig“ verhalten, von der Militärpolizei festgenommen
werden können. Und die Muslimbrüder wissen nichts Schlaueres, als zu erneuten
Demonstrationen aufzurufen. Sie wollen ihren Präsidenten und wenn sie ihn nicht
bekommen, dann sei das Wahlbetrug und dann drohen sie mit Aufständen. Und mit
einer zweiten Revolution drohen sie. Ausgerechnet sie, die im Januar und
Februar 2011 mit Abwesenheit glänzten.
Einer meiner ägyptischen „Schüler“ meinte heute, die
Polizeieinheiten des Innenministeriums seien eines – aber die Militärpolizei
sei nochmals ganz was anderes. Das kann die nächsten Tage nicht gut heraus
kommen. Ausnahmsweise habe ich kein gutes Gefühl. Was Machtgier doch alles
zerstören kann.
Seit eineinhalb Jahren sitze ich im Theater der Weltbühne und verfolge aufmerksam
ein Bühnenstück, in dem ein Staat durch jene zerstört wird, die lediglich ihre
persönlichen (wirtschaftlichen bzw. religiösen) Interessen verfolgen. Ein Drama ersten Grades.
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