Das Verfassungsgericht hat heute entschieden, dass das
Gesetz betreffend Parlamentswahlen verfassungswidrig ist. Das heisst, das
Parlament, welches im November vergangenen Jahres gewählt wurde, muss aufgelöst
werden.
Trotzdem sind alle vom (ungültigen) Parlament erlassenen
Gesetze gültig. Also auch jenes, Diener des alten Regimes während zehn Jahren vom
Recht als Präsidenten zu kandidieren, auszuschliessen.
Doch genau dieses Gesetz hat das Verfassungsgericht nun
ungültig erklärt – und somit Ahmed Shafiq grünes Licht gegeben.
Was für ein Chaos! Ägypten lebt seit Februar 2011 ohne
gültige Verfassung – es gibt nur eine Übergangsbestimmung – und ohne gültiges
Parlament. Eine verfassunggebende Kommission ist schon einmal auseinander
gebrochen, weil die Islamisten die Verfassung diktieren wollten. Eine neue
Kommission wurde unter Druck des Militärrates vor ein paar Tagen einberufen –
sie droht aber ebenfalls schon wieder auseinander zu fallen.
Die Übergangsbestimmungen geben dem Obersten Militärrat
gesetzgebende Macht. Die vom Militärrat eingesetzte Übergangsregierung ist
faktisch machtlos und nun ist auch noch die Bahn frei für einen regime- und
militärtreuen Präsidenten.
Und wie durch ein Wunder fällt wieder alle Macht ans
Militär! Klug orchestriert, clever inszeniert! Die Islamisten sind kurz vor
Erreichung ihres Zieles mit einer einzigen Handbewegung von der Bühne gewischt
worden.
Nur: wie geht es jetzt weiter? Werden die
Präsidentschaftswahlen verschoben? Wird die Verfassung vorher geschrieben? Werden
die Parlamentswahlen zuerst oder später wiederholt? Oder ist alles gar nicht
mehr nötig?
Das Militär darf seit gestern auch wieder Zivilisten ohne
Haftbefehlt festnehmen – Aufhebung des Notstandsgesetzes hin oder her. Alles
deutet auf eine klare Strategie hin: der Status Quo von vor dem 25.
Januar 2011 wird mit aller Gewalt wieder hergestellt. Mit aller Gewalt,
möchte ich betonen.
Ich habe nie ernsthaft daran geglaubt, dass die Islamisten
ihr Ziel erreichen – das Militär würde das nie zulassen. Sie lassen überhaupt
keine andere Macht zu. Ich glaube auch weiterhin an Überraschungen, wie diese
heute. Und wieder frage ich mich, weshalb es nicht innerhalb des Militärs zu
einem Putsch kommt?
Allerdings graut mir beim Gedanken, was nun all den
Aktivisten bevorsteht. Die Berichte über die gezielten und organisierten sexuellen
Übergriffe gegenüber Frauen vor ein paar Tagen auf dem Tahrir Platz lassen
erahnen, wie es weiter gehen wird.
Was für ein Chaos – auf den ersten Blick. Aber wenn man
näher hinsieht stellt man fest: alles hat seinen Grund, alles seinen Zweck.
Ägypten ist nicht reif für eine Demokratie - weil es der Militärrat nicht will.
Ägypten ist nicht reif für eine Demokratie - weil es der Militärrat nicht will.
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