Samstag, Mai 11, 2013

Wie ist das Leben für eine Frau in Hurghada?

Diese Frage wird mir hin und wieder gestellt, mündlich oder auch schriftlich, und ich versuche hier, eine Antwort zu formulieren. Jede Frau wird darauf unterschiedlich antworten, je nach ihrer Herkunft, ihrem Bildungsstand und ihrer Lebenssituation. Ich kann also nur meine Ansicht wiedergeben und zu einem kleinen Teil jener meiner Bekannten und Freundinnen.

Andere Länder, andere Probleme
Ferien in Hurghada sind wunderschön: die Hotelanlage ist traumhaft und gepflegt, die Angestellten und Verkäufer im Hotel bedienen freundlich, die Sonne scheint, es weht ein angenehmer Wind, das Essen schmeckt gut. So erlebt ein Gast Ferien auch beim zweiten und dritten Mal. Das Leben ausserhalb der Hotelanlage sieht aber anders aus.


Was mich stets aufs Neue erstaunt, sind Probleme und Tatsachen, die ich von Europa nicht kenne. Die Qualität von jedem Ding im Haus, in der Wohnung und auch sonst, ist i.d.R. schlecht. Folglich geht regelmässig etwas kaputt. Wenn eine Frau nicht grad mit Schraubenzieher und Bohrmaschine aufgewachsen ist, braucht sie also einen Handwerker. Ägyptische Handwerker kommen irgendwann, auch Mitternachts. Termine halten sie nicht ein und wenn sie endlich da sind, haben sie weder Werkzeug noch Ersatzteile dabei. Also müssen sie diese zuerst beschaffen und zwar mit dem Geld der Auftraggeberin. Repariert er den Schaden dann endlich, geht in 80% der Fälle etwas anderes dabei kaputt und er hinterlässt eine riesige Sauerei. Ausgeliefert ist Frau auch bei der Preisgestaltung, egal ob das direkt mit dem Handwerker geschieht oder über Vermittlung des Wohnungsbesitzers oder Hauswarts. Die Herausforderung besteht darin, damit umgehen zu können und zwar immer wieder, auch wenn grad Stromunterbruch ist, mal wieder kein Wasser aus dem Hahn kommt oder die Gasflasche mitten beim Kochen leer wird. Und auch dann noch, wenn man Kopfweh hat, Krach mit seinem Liebsten hatte oder wieder keine Internetverbindung zustande kommen will.

Seit zwei oder drei Jahren gibt es in Hurghada beinahe alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Man muss nur wissen wo und wann. Denn Geschäfte können wegen den Gebetszeiten, im Ramadan oder auch sonst geschlossen sein, obwohl das Türschild „open“ verspricht. Auch wenn es normalerweise fünf verschiedene Sorten Joghurt und viererlei Milch-Sorten gibt, heisst das noch lange nicht, dass wenigstens eines davon genau dann im Geschäft erhältlich ist, wenn Frau einkauft. Möglich, dass sie sogar zwei oder drei Versuche macht oder mal zehn Tage ohne auskommt. Das Ablaufdatum kann sie prüfen, die Einhaltung der Kühlkette nicht – das Rätsel wird spätestens beim Verzehr gelöst. Beinahe alles kommt aus Kairo. Wird in der Produktion gestreikt, gibt es für den Lastwagen kein Diesel oder werden Strassen blockiert, dann gibt es halt ein paar Tage keine Joghurts. Oder kein Trinkwasser oder kein Treibstoff oder kein Strom.

Kulturunterschied, aber…
Ich fühle mich wohl in der internationalen Gemeinschaft Hurghadas. Ich finde es bereichernd, aber auch herausfordernd und anstrengend, hier zu leben. Mir gefällt es, mit Menschen aus den verschiedensten Ländern zu diskutieren und mehrere Sprachen einzusetzen. Aber es gibt zwei Tatsachen, mit denen ich mich schwer tu.

Erstens: der fehlende Respekt seitens der Ägypter gegenüber Frauen generell und ausländischen im Speziellen. Warum und weshalb das so ist, möchte ich hier nicht erörtern. Die Folge davon ist, dass Frauen häufig belogen, betrogen und sexuell belästigt werden. Anzügliche Rufe auf Schritt und Tritt nerven genauso wie nächtliche Anrufe von Unbekannten. Nie zuvor habe ich von so vielen gewalttätigen Beziehungen erfahren, wie hier. Seit Januar 2011 hat sich auch die Sicherheitslage arg verschlechtert und es kommen immer häufiger Übergriffe auf Frauen vor. Offenbar spielen Taxifahrer und Bars eine unschöne Rolle. Mit dieser Situation umzugehen, ist nicht einfach. Natürlich sind nicht alle Männer schlecht, im Gegenteil! Frau muss sich überlegen, wie sie abends ausgeht, in welches Taxi sie steigt, wie sie sich kleidet, wo sie sich bewegt und mit wem sie unterwegs ist.

Zweitens: Hurghada ist nicht nur für einfachere Ägypter ein Anziehungspunkt für schnelles Geld und körperliche Nähe zum anderen Geschlecht, sondern auch für Europäer, die in ihrem Heimatland etwas zu verbergen haben. Lug und Trug geschehen grad so häufig durch Landsmänner (und Frauen!) wie durch Ägypter.

Dagegen hilft ein gutes Beziehungsnetz mit verlässlichen Freunden – allein, das schafft sich niemand in wenigen Monaten. Und bis dahin tappt Frau sicher in die eine oder andere Falle. Jetzt, wo ich noch in Europa bin, merke ich, wie extrem misstrauisch ich gegenüber jedem Fremden geworden bin. Das gefällt mir nicht, ist in Hurghada aber lebenswichtig.

Öffentliche Verkehrsmittel
Über  Hurghadas Taxifahrer habe ich schon öfter gelästert und Facebook, andere soziale Medien und Foren sind voll davon. Der Ausweg: sich ein oder zwei gute Taxifahrer suchen und nur mit ihnen fahren. Ich fahre tagsüber oft auch mit dem Minibus. Meist sind andere Fahrgäste drin und die Chance auf vernünftige, anständige Mitfahrer steigt. Immer wieder habe ich erlebt, wie ein Fahrgast den Fahrer aufforderte, vernünftiger zu fahren, oder auch Partei für jemanden ergriff. Wer ein eigenes Auto hat, kennt diese Probleme nicht, hat dafür wieder andere. Dokumente erstellen, elend lange Warteschlangen vor der Tankstelle, Ausgeliefertsein bei Service und Reparatur…

Ich kenne Frauen, die nach Einbruch der Dunkelheit nirgends mehr hingehen bzw. nur noch mit ihrem Mann oder Partner. Ich finde das eine starke Einschränkung im Alltag, auf die ich hoffentlich nicht zurückgreifen muss. Ich gehe noch um 21h ins Einkaufszentrum, in den Arabischunterricht oder in die Marina.

Arbeitssuche
Arbeit in einem Hotel oder einer Tauchschule zu finden, scheint nicht allzu schwierig zu sein. Vorausgesetzt werden gute Sprachkenntnisse (ohne Englisch geht nichts, meist ist noch Russisch erwünscht) und die Bereitschaft, sechs Tage in der Woche und lange Arbeitstage zu akzeptieren. Die finanzielle Entschädigung ist i.d.R. bescheiden; eine kleine Wohnung kann man damit mieten. Arbeitsbewilligungen werden selten beschafft. Die aktuelle Lage in Ägypten und auch in Hurghada ist aber nicht rosig. Ägypter sehen Europäer immer öfter als Konkurrenz, die ihnen einen Arbeitsplatz wegnimmt und auch noch besser entschädigt wird.

Bildung
Das Bildungssystem in Ägypten ist eine einzige Katastrophe. Ausländische Schulen bieten besseren Unterricht, sind aber teuer. Trotzdem brauchen viele Kinder Nachhilfeunterricht. Durch meine Tätigkeit erfahre ich, wie da und dort Schulbehörden und Lehrer mit den Gegebenheiten einer internationalen Gemeinschaft gefordert (manchmal überfordert) sind. Ich habe mitbekommen, wie Kinder nicht mehr klar kommen; andere Kultur, Sprache, Religion, Klima, Mitschüler, Eltern unter Druck, wenig Freiraum und Spielmöglichkeiten und so vieles mehr stürmt auf diese jungen Menschen ein. Werde ich gefragt, ob jemand mit seiner Familie nach Hurghada umsiedeln soll, dann sage ich klar und deutlich: mit schulpflichtigen Kindern und Teenies NEIN!

Medizinische Hilfe
Sonne, Klima, die Herzlichkeit der Menschen, Freundschaften und überraschende Erlebnisse machen vieles Wett und wir nehmen dafür viel Unbill in Kauf. Solange wir gesund sind. Fehlt uns was, hilft die Apotheke weiter. Dort gibt es alles und noch mehr ohne Rezept, auch gefälschte Medikamente. Wer eine seriöse Apotheke kennt, empfiehlt sie weiter. Hurghada hat gute Ärzte und einige gute Privatkliniken. Trotzdem entspricht die Hygiene selten dem europäischen Standard. Im Ernstfall kann man Glück haben – oder Pech. Genauso wie in Europa. Die Wahrscheinlichkeit, hier Pech zu haben ist leider etwas grösser. Ich bin ehrlich: jedes Mal, wenn ich Bauchweh habe (das ist meine Schwachstelle), hoffe ich, dass es nichts Ernstes ist. Ich habe wahren Horror davor, mich hier operieren lassen zu müssen.

Und doch sind einige der besten Ärzte der Welt Ägypter!!!

Partnerschaft mit einem Ägypter
Das ist ein sehr heikles Thema und bevor ich meine Gedanken niederschreibe, betone ich nochmals: es sind meine Erfahrungen und Beobachtungen! Es gibt Ausnahmen, aber hier verallgemeinere ich. Jene Beziehungen, in welcher „ältere“ Frau „jüngeren“ Mann aushält, finanziert oder wie man das beschönigend nennen möchte, übergehe ich hier lieber.

Sind normale Beziehungen schon eine Herausforderung, dann ist jene mit einem Partner aus einem anderen kulturellen, religiösen und sprachlichen Umfeld ein ernstes Stück Arbeit. Da prallen im wahrsten Sinne des Wortes Welten aufeinander und trotz Liebe kann die Beziehung dabei zerplatzen. Bei europäischen Frauen beobachte ich, wie sie Kompromisse eingehen, die ihrer eigenen Kultur fremd sind. Ihr Freundeskreis beschränkt sich auf Frauen, sie gehen nie alleine aus, Bikini ist tabu und ihre Kleidung wird früher oder später bescheidener. Ägyptische Buben werden wie Paschas erzogen, Mädchen zu Haushaltshilfen. Aus den Buben wird nie und nimmer ein Mann, der seiner Partnerin im Haushalt hilft – das ist unter seiner Würde und diese Ansicht kann er nicht ändern. (Es gibt aber sogar in diesem Kulturkreis Ausnahmen!). Der Mann geht und tut wann, was und wohin er will und gibt darüber keine Rechenschaft ab. Die verschiedenen Ansichten wollen ausdiskutiert, erklärt und verstanden werden. Oft stehen dabei aber Sprachprobleme im Weg und Unverständnis, Verletztheit und Wut sind die Folge. Oft kommen auch noch finanzielle Probleme hinzu.

Das ist ein grober Durchschnitt. Ich glaube, es braucht von beiden Seiten eine gehörige Portion Kompromissbereitschaft, Reife und Verständnis – oder einfach völlige Unbefangenheit, um sich in dieses Abenteuer zu stürzen!


Ob ich wohl die wichtigsten Antworten gegeben habe? Ich hoffe es und wünsche allen Frauen, die ihrem Leben etwas orientalische Würze, Abenteuer und Erlebnis hinzufügen wollen, viel Mut, Kraft und Ausdauer. Und falls ihr nach ein paar Monaten wieder den Rückzug antreten solltet, dann kehrt ihr nicht als gescheiterte Frauen um, sondern mit einem ganzen Paket an Erfahrungen, die viele nicht machen wollen, können, dürfen…



2 Kommentare:

  1. Vielen dank für die gute aufklärung!, wenn man sicb ueber die gegebenheiten dieses landes informiert hat durch z.b. diesen aufschlussreichen kommentar, und seinen klaren menschenverstand einsetzt, könnte normalerweise ein gutes leben dort möglich sein!, ich fühle mich auch noch wohl in hurghada/luxor, geniesse die wintermonate hier in vollen zuegen!, deutschsprachige kontakte fehlen mir, vielleicht findet sich der ein oder andere, bin uebrigens junggebliebene 65jahre und würde mich sehr freuen, freunde zu finden!, vielleicht meldet sich jemand bei mir! mail: sophiemaria.hammers@gmail.com

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  2. Vielen Dank für den ausführlichen Arteikel. Es wundert mich, dass ich die erste bin, die darauf schreibt. Alles was hier beschrieben ist, kann ich nur bestätigen. Seit Jahren lebe ich in einer Beziehung mit einem Mann in Hurghada (geb. in Assuan). Kompromisse benötigenwir an allen Ecken und Enden - aber wir bemühen uns...

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