Sonntag, September 28, 2014

Alexandria, die einstige Perle am Mittelmeer

Für einige Tage bin ich in Alexandria, der zweitgrössten Stadt Ägyptens. Zu Zeiten der Römer hiess „Alexandria bei Ägypten“. Heute ist Alexandria mitten in Ägypten; zu seinem Nachteil. Ich war sechs Jahre lang nicht mehr da und alles, was damals schon unschön oder schlecht war, ist noch schlimmer geworden. Alexandria war während Jahrzehnten eindeutig die schönste Stadt im Land. Das hatte sie den Ausländern zu verdanken, die sich hier niedergelassen hatten. Und natürlich dem Mittelmeer. Viele Ausländer haben das Land verlassen, bzw. wurden vertrieben und das Mittelmeer hat sich im Stadtzentrum zu einer stinkenden Kloake verwandelt.

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Am Meer sitzen und Cappuccino trinken. Der Wind ist kühler als am Roten Meer. Die Wellen schwappen an die Steinquader unter mir und spielen Ringelreigen mit Plastiksäcken und -flaschen, Chips-Packungen und Zigarettenschachteln. Zwei Schnorchler mit Metalldetektoren suchen in der dunklen Brühe nach verlorenem Gold- und Silberschmuck. Das bringt Geld.

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Im Auto vom Flughafen Borg El Arab (der näher gelegene Nozha Flughafen wird seit Jahren „renoviert“, wie das euphemistisch heisst) nach Montaza; im Auto von Montaza nach Raml Station und zurück im unbequemen winzigen Taxi (Typ Lada) ohne Klimaanlage; im Taxi von Montaza nach Smouha; im Auto nach Downtown zur Hochzeitsfeier und zurück nach Montaza; mit dem Minibus nach San Stefano und zurück; mit dem Minibus nach … und zurück; mit dem Auto nach Torson und retour nach Raml Station und … Ich verbringe Stunden um Stunden im Auto sitzend, schwitzend (ohne Klimaanlage), frierend (mit Klimaanlage) und beobachtend. Von den Abgasen und dem Stop-and-go wird mir regelmässig schlecht. Vor mir, hinter mir, links und rechts neben mir wälzt sich eine Blechschlange Zentimeter an Zentimeter über Dutzende von Kilometern der Küste entlang, quer durch die Innenstadt, hinein in die versteckten, viel zu schmalen Gassen, hinaus in die Wüste, wo Einkaufszentren, Vergnügungsviertel und die Wüstenstrasse nach Kairo liegen. Minibusse, Rauchwolken qualmende Taxis, hupende Motorradfahrer und ungeduldige PWs drängen und verdrängen sich, klemmen sich ein, schimpfen und entschuldigen sich. Zu allem Überdruss gibt es immer wieder Checkpoints der Polizei. Der Lärm ist ohrenbetäubend und stresst. Kein Fahrzeug ohne Beule oder Schramme.

Donnerstag, September 25, 2014

Verzweiflungstat

Dieser Mann hat sich mitten in Kairo am Gerüst einer Werbetafel aufgehängt. Welch immense Verzweiflung muss ihn dazu getrieben haben! 

Schande für die Regierung dieses Landes, Schande für die Machthaber, Schande für die korrupten Geier! Hunderttausende würden es ihm nachmachen, wenn sie nur irgendwie könnten, den Mut dazu hätten... denn genug zum Leben haben sie in ihrem Land schon lange nicht mehr und einen Ausweg aus dem Elend ist nicht abzusehen, im Gegenteil, es wird tagtäglich unmöglicher.


Freitag, September 05, 2014

Stromausfall

Als ich gestern früh erwachte, wollte ich wie immer den Ventilator ausschalten – der war aber schon aus! Kein Strom? Kein Strom!

Das hiess auch, keinen Kaffee zum Frühstück. Immerhin konnte ich duschen, denn hier in unserer Wohnanlage ist Wasser trotz Stromunterbruch verfügbar – anderswo nicht. Anderswo heisst das: keine Hände waschen, keine Zähne putzen, keine Klospülung – ausser man hat sich einen Wasservorrat zur Seite gestellt.

Während in den meisten Regionen und Städten Ägyptens mehrmalige Stromunterbrüche pro Tag schlicht zum Alltag gehören und sich die Ägypter so sehr daran gewöhnt haben, dass sie Witze darüber reissen, sind sie in Hurghada eher selten. Und wenn, da nicht bei mir, sondern bei den anderen (ist wirklich so!).

Aber gestern war es fast ganz Ägypten und zwar nicht nur ein paar Minuten oder eine Stunde, sondern von morgens um halb sieben bis in den Nachmittag hinein. Bei 40° C im Schatten ist das mit der Zeit anstrengend. Es gibt keine gekühlten Getränke mehr und keine Klimaanlage. Zusätzlich ist auch das Internetnetz zusammengebrochen: während mehreren Stunden war es nicht möglich, eine Verbindung herzustellen.

Schlimmer aber als diese persönlichen Einschränkungen ist jedoch die Auswirkung auf die eh schon jämmerliche Infrastruktur im Land; nur wenige Institutionen wie Banken, grössere Hotels und vielleicht der internationale Flughafen in Kairo können sich Stromaggregate und den dafür benötigten Treibstoff leisten. Spitäler gehören nicht dazu, Patienten sind dem Tod ausgeliefert. Ältere und geschwächte Menschen riskieren ihr Leben. Die Metro in Kairo blieb stehen, was das unerhörte Verkehrschaos dort noch verschlimmerte. Der Suezkanal konnte nicht betrieben werden, was angeblich einen Schaden in Billionenhöhe (Ägyptische Pfund) anrichtete. Läden, Büros, Computer, Lifte, Fabriken… nichts ging mehr.

Auch wenn die Medien vom schlimmsten Stromunterbruch seit x Jahren (die einen meinten 10, die anderen 20 Jahre) schrieben – der letzte schlimme ist noch kein Jahr her, als eine Überspannung  das ganze Stromnetz in Ägypten lahm legte und Abertausende von Elektronikgeräte zerstörte.
Eine Begründung für die gestrige Dunkelheit hat es nicht gegeben. Als Morsy noch am Ruder war, wurde er für die krankhaften Stromunterbrüche beschuldigt – diesmal wagt niemand, El Sisi zu beschuldigen. Komisch, nicht? Dabei hatte er noch kürzlich versprochen, dass es innert vier Monaten keine Stromausfälle mehr geben würde. Glaube, wer will.

Der nächste Stromausfall kam schon wieder heute Nachmittag, wenn auch nur für ein paar Minuten.