Während ich Winterferien zu Hause machte, hat sich Ägypten natürlich
weiter bewegt. Bei den Parlamentswahlen (Unterhaus) haben die Islamisten – ich werfe
jetzt mal alle in einen Topf – über 70% der Stimmen erhalten.
Da sitzen nun also diese schnauzlosen, Bart tragenden Männer,
einige in traditionellen Gewändern wie zu Prophet Mohameds Zeiten, im ersten
mehr oder weniger demokratisch gewählten Parlament. Für mich sind diese Männer
(und die schwarz verhüllten Frauen – nicht im Parlament natürlich) auch nach
mehreren Jahren noch immer jedes Mal ein Schock, wenn ich ihnen begegne.
Dieses Parlament hat vorgestern und gestern erstmals getagt
und gleich für einige Aufregungen gesorgt. Einige fügten dem Schwur eigene
Aussagen hinzu: Sie wollten nicht gegen den Koran verstossen; sie würden nur
soweit handeln, als Gott es ihnen erlaube; aber auch jener wurde gedacht, die
ihr Leben für Ägyptens Revolution liessen. Zum Parlamentssprecher wurde ein
Muslim Bruder bestellt, der bis vor einem Jahr im Gefängnis (als Gegner des
Regimes Mubarak) gesessen hatte. Die Parlamentarier haben die Führung des
Landes – den Obersten Armeerat - scharf kritisiert. Gleichzeitig erwiderten sie
seine Glückwünsche, indem sie der Armee für ihre Rolle während den vergangenen
Monaten dankte! Klar aber lautete das Bekenntnis, dass die Revolution weiter
gehe und die Parlamentarier sich für die Demokratisierung Ägyptens einsetzen
würden. Mich wundert nur, was Salafisten mit Demokratie wollen…
Zum Gedenken an die Aufstände vor einem Jahr hat der Oberste
Armeerat Feierlichkeiten angekündigt und der 25. Januar soll fortan ein
Feiertag sein. Das war er vorher schon, nämlich zu Ehren der Polizei. Der
Polizei-Feiertag wurde ja genau für die ersten Proteste auserkoren. Die
Aktivisten sehen keinen Grund zum Feiern und die stärkste politische Kraft –
die Muslim Brüder – tun das eine und lassen das andere nicht: sie feiern mit
dem Obersten Armeerat und gehen auf den Tahrir Platz. Ein schönes Beispiel dafür,
wie sie es so weit gebracht haben!
Gestern hat Tantawy angekündigt, dass das verhasste und
gefürchtete Notstandsgesetz „mit Ausnahmen“ aufgehoben werde. Eine schöne Geste
– aber alles andere als klar und eindeutig. Ausserdem werden rund zweitausend
politische Gefangene aus den Gefängnissen entlassen. Viele weitere Tausende
warten jedoch weiterhin auf faire Prozesse. Zu den Freigelassenen gehört auch
jener Blogger, der über vier Monate im Hungerstreik war und einmal sogar in die
Psychiatrie eingeliefert worden war.
In Kairo sind heute Märsche aus verschiedenen Stadtteilen in
Richtung Tahrir Platz angekündigt; letzte Nacht war der zur Ikone gewordene
Platz voll bepackt mit Demonstranten und heute früh waren die ersten schon
wieder anwesend. Auch in anderen Städten Ägyptens sind Märsche geplant – kaum
zu den Feierlichkeiten wie dies der Armeerat angeordnet hat.
Ein Jahr ist es jetzt her. Ich erinnere mich gut daran, wie
man davon sprach, dass es am 25. Januar 2011 landesweit zu Protesten kommen
solle. „Nicht in Hurghada“, war eine Aussage. Die war richtig. „Das hört so
schnell wieder auf, wie es angefangen hat“, „Mubarak wird das nicht zulassen“, „unmöglich“,
„nichts, aber auch gar nichts wird sich verändern“. Das waren andere Aussagen
von Ägyptern. Ich schaute die Leute damals ungläubig an. Ihre Aussagen waren
falsch.
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