Donnerstag, April 12, 2012

Seuchen im Land der Pharaonen

Ägypten leidet unter allen möglichen Seuchen. Eine davon ist die Vogelgrippe, die auch dieses Jahr wieder Todesopfer gefordert hat. Vor ungefähr zwei Monaten ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen und hat inzwischen über 13‘000 Stück Vieh (nach offiziellen Angaben) dahingerafft. Besonders schlimm trifft dies die ärmeren Bauern, die damit ihr Hab und Gut und ihre Einnahmequelle verlieren. Eine Entschädigung wurde versprochen – doch ob sie je die Betroffenen erreicht???

Wer gesehen hat, wie die (armen) Menschen hier leben, mag sich ausmalen können, welche Hygienezustände bei Gefieder und Vieh herrscht. Beschreibbar ist das nicht mehr. Mir graut schon, wenn ich an den Fleischhauern vorbeilaufen muss, bei denen das blutige Fleisch mitsamt dem Schwanz des Viehs herunterhängt… Als die Vogelgrippe vorletztes Jahr ihren Höchststand erreicht hatte, war es verboten, Lebendgeflügel zu verkaufen. Vor einem Jahr tauchten eben diese Verkaufsstände wieder da und dort auf und jetzt gehört das Bild wieder zum Alltag.

Doch Ägypten wird noch von anderen Seuchen heimgesucht. Seit Monaten streitet die Bevölkerung um Gas. Die meisten Haushalte verwenden Gasflaschen zum Kochen und dieses wichtige Gut ist seit Monaten knapp. Künstlich knapp, denn es wird gehortet und zu horrenden Preisen an jene weiterverkauft, die es sich leisten können. Auf der Strecke bleibt die grosse Masse der Armen. Und weil auch über eine Gasflasche die Emotionen hoch gehen, gibt es darüber Schlägereien, Messerstechereien und Tote.

Nun trifft eine neue Seuche auch die besser Verdienenden und – ja! – auch den Tourismus. Ebenfalls seit Monaten ist Treibstoff – Benzin, Diesel – knapp. Aus Kairo wurde schon vor Wochen berichtet, dass Fahrzeuge mehrere Kilometer weit anstehen und stundenlang warten, um den begehrten Sprit zu bekommen. Die Situation spitzt sich zu: auch hier in Hurghada wachsen die Warteschlangen in die Breite (doppelspurig) und in die Länge. Fünf Stunden warten ist keine Ausnahme mehr! Drängeln (solche Schlaumeier gibt es immer!) hat auch hier nicht nur böse Schlägereien, sondern Tote gefordert. Eine meiner Schülerinnen sagte, wenn sie kein Benzin mehr kriegt, kann sie nächste Woche nicht mehr kommen, sie sei schon im roten Bereich. Bald werden auch die Touristenbusse nicht mehr tanken können. In den Alpen bleiben die Touristen wegen Lawinengefahr am Urlaubsort blockiert; in Ägypten wegen Treibstoffmangels?

Was ist die Ursache? Schmuggel ist eine. Die andere ist: Taktik und Schikane. Den Menschen den Gurgel zudrehen, bis sie auf den Knien betteln: wir wollen das alte Regime zurück! Denn: ohne Treibstoff keine Lebensmittel, kein Weizen fürs Brot und das in einem Land, das 60% seiner Nahrungsmittel importiert!!

Als ich am Sonntag nach El Quesir unterwegs war, erfuhr ich vom Chauffeur: Regimetreue geben Tankwagenfahrern zwei Möglichkeiten: a) Bargeld im doppelten Wert der Ladung und die Ladung in die Wüste entleeren oder b) eine Kugel in den Kopf und die Tankladung geht ebenfalls in die Wüste. Vor Wochen zirkulierte bereits ein Video auf Youtube, das einen kleinen See mit Benzin in der Wüste nahe des Flughafens Hurghadas zeigt.

Wie immer – merke: wir sind nach wie vor im alten Regime, es hat gar nie eine Revolution gegeben – wird bald ein starker Mann auftauchen und dank seinen einmaligen Fähigkeiten werden all die Probleme wieder verschwinden.

Vorher muss das SCAF aber noch mit den Islamisten und all den anderen unerwünschten Figuren fertig werden. Das dauert nicht mehr lange, denn erstere machen sich selber fertig und die anderen werden mit rechtlichen Winkelzügen aus dem Weg geschafft. Der Weg steht dann frei für einen Vertreter des alten Regimes. Dann kehrt wieder Ruhe ein.

Oder eben nicht – je nach Standpunkt.


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