Freitag, Dezember 24, 2021

Frohe Festtage

Zu Beginn der Adventszeit liest meine Mama jeweils eine Weihnachtsgeschichte im lokalen Fernsehen und hie und da fragt sie mich, ob ich eine für sie hätte. Meist bleibt mir nichts anderes übrig, als selbst eine zu schreiben.

Dieses Jahr möchte ich sie mit euch teilen. Ich wünsche ich euch allen Frohe Festtage, bleibt gesund und seid lieb zueinander!


Die kleine Schneeflocke

Jeden Abend beim Eindämmern standen die Kinder am Fenster. Sie starrten ins Dunkel hinaus und warteten auf Schnee.

Schliesslich war bald Weihnachten und in früheren Jahren hatte es schon lange vorher geschneit. Heuer aber nicht. Draussen war es zwar eiskalt, aber trocken und grau. Statt Schneeflocken glitzerten Sterne am Himmel. Nur die Bergspitzen in weiter Ferne waren weiss verzuckert. Ob dort oben auch jemand wohnte?

„Kinder, wollt ihr auch heute Abend eine Geschichte hören?“

Natürlich wollten sie!

„Also hört gut zu:

Es war einmal eine kleine Schneeflocke. Sie war ganz fein und zart und wunderschön. Ihre Kristalle glitzerten wie Juwelen und waren besonders kunstvoll ineinander verzahnt. Niemand wollte ihr nahe kommen, um sie nicht zu zerbrechen. Die kleine Schneeflocke merkte das irgendwann und wurde unheimlich stolz. Sie betrachtete sich stundenlang im Spiegel, drehte und wendete sich, um sich von allen Seiten zu bestaunen.

So beschloss sie, niemals vom Himmel auf die Erde zu fallen, denn dann würde ihre ganze Pracht zerstört werden. Vielleicht nicht gleich, aber bald. Das hatte sie von den anderen Schneeflocken erfahren, auch wenn keine es offen erzählte.

Als sie wiedermal so vor dem Spiegel stand, gesellte sich ihre Lieblingstante zu ihr. Als sie jung war, war sie einst auch so wunderschön. Doch jetzt, im Alter, waren einige ihrer zarten Kristalle abgebrochen, andere waren stumpf. Sie glitzerten nur noch blass. Die Lieblingstante nahm die kleine Schneeflocke in den Arm und streichelte ihre Kristalle. Während sie das tat, flüsterte sie ihr ins Ohr: ´Weisst du, Liebes, warum du so wunderschön bist?´

Die kleine Schneeflocke blickte ihre Lieblingstante im Spiegel fragend an.

´Damit du den Kindern eine Freude machen kannst! Damit du die Landschaft in eine Märchenlandschaft verzaubern kannst! Du gehörst zu Weihnachten – die Kinder warten genauso sehnsüchtig auf dich wie auf das Christkind!´

Die kleine Schneeflocke senkte den Blick und erwiderte mit trauriger Stimme: ´Aber dann zerbreche ich ja und all meine Schönheit ist dahin!´

´Liebes,´ lächelte die Tante und berührte die kleine Schneeflocke an einem besonders kunstvollen Kristall, ´wenn du hier vor dem Spiegel stehen bleibst, geht deine Schönheit auch dahin und niemand hat etwas davon. Das siehst du an mir. Unsere Schönheit wurde uns verliehen, um anderen damit eine Freude zu machen, und nicht, um uns selbst im Spiegel zu bewundern.´

Die kleine Schneeflocke schaute ihre Lieblingstante nun direkt an: ´Du hast recht. Wenn wir da hinunter schweben, dann machen wir viele Menschen mit unserem Tanz, unserem Glitzern und unserer Schönheit glücklich. So lass uns denn hinunter tanzen.´“

Mama schloss sanft das Buch, aus dem sie gelesen hatte und blickte zum Fenster. „Kinder, seht mal zum Fenster! Es schneit!“

Und tatsächlich: Dichte Schneeflocken tanzten jetzt vor dem Fenster, das die Kinder eilig aufgerissen hatten. Das Weiss deckte schon die Landschaft zu und hüllte sie in feierliche Stille. Einige Flocken fielen ins Wohnzimmer und endeten als kleiner Wassertropf. Die Kinderaugen versuchten, jede einzelne Schneeflocke zu betrachten. Sie wollten ihre kunstvollen Kristalle erkennen und herausfinden, ob die kleine Schneeflocke auch mittanzte. Manch eine Schneeflocke fingen sie ein, doch in den warmen Kinderhänden schmolz sie sofort weg.

Ausser einer, die liess sich nicht einfangen: Sie tanzte und wirbelte in der kalten Luft und strahlte und glitzerte. Das war bestimmt die kleine Schneeflocke! Die Kinder glaubten, sie juchzen zu hören. Oder war es das Christkind, das nun kommen würde?

2 Kommentare:

  1. Dir auch frohe Weihnacht!-- Und denk dran: auch im Alter glitzern wir, aber anderes, nur besondere Menschen können dann unser Glitzern sehen.

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