Wie schon erwähnt, habe ich auf meiner Geschäftsreise im Herbst einen privaten Aufenthalt in der Zwillingsstadt Port Said / Port Fouad eingeschoben.
Zu Gründung und
Geschichte möchte ich hier nicht schreiben – dazu gibt es genug Literatur
online oder gedruckt. Ich möchte wie immer von meinen persönlichen Eindrücken
erzählen.
Im Vorfeld fragte ich meinen Freund Robby von iQ onTour, ob er jemanden in Port Said kenne, ich hätte gerne ein paar Tipps. Ja, da gab es einen Geschäftsmann und wenn der Zeit hätte, würde er mich begleiten. Zeit hatte er nicht, er war irgendwo unterwegs. Doch er rief mich an, erkundigte sich nach meinen Wünschen und fragte mich nach meinem Hotel. Ich nannte ihm den Namen. Seine Antwort liess mich grinsen: Das sei ein Hotel der Armee, da könne ich sicher nicht übernachten. Doch, ich konnte. Es war eine Bruchbude, die nur dank der Lage – atemberaubender Blick aufs Meer – überlebt und deswegen unverschämte Preise verlangt. Schuster bleib bei deinen Leisten! Das Land stände ganz woanders…
Also, der Freund von
Robby hat mir einen Freund zur Seite gestellt, der mich am Abend durch die
Stadt führte. In seinem 7er BMW. Ich erwähne die Automarke nicht, weil mich das
beeindruckt. Das heisst, doch, das hat mich beeindruckt und zwar angesichts der
wirtschaftlichen Lage des Landes. Ganz bestimmt hatte er anderes zu tun, als
eine Europäerin zu unterhalten – doch er tat sein Bestes und ich erfuhr doch
einiges über die Stadt. Viel sah ich in der Nacht zwar nicht, aber er zeigte
mir immerhin das Haus, wo Ferdinand de Lesseps gewohnt hatte – es ist verschlossen
und jetzt, gut 150 Jahre später, dem Zerfall preisgegeben. In jener Strasse
wurden immerhin ein paar Häuser aus der Kolonialzeit renoviert, sie beherbergen nun
ein Hotel (soweit ich mich erinnere) und ein Kaffeehaus. Die meisten Gebäude
aus jener Zeit vegetieren unbeachtet vor sich hin. Welch ein Verlust für das Stadtbild!
Am nächsten
Morgen wurde mir ein Führer zur Seite gestellt, der mir Port Said und Port
Fouad zeigen würde. Sayed, der nette ältere Herr, arbeitet für den Freund meines
Freundes und holte mich wie vereinbart pünktlich um 10 Uhr vor dem Hotel ab.
Während vier Stunden zeigte er mir geduldig und ausführlich die geschäftige Zwillingsstadt. Er lief mit mir durch die von Arkaden gesäumten Strassen
mit Häusern im mediterranen Stil, an
denen wunderbare Balkone zerfallen, in denen einst die Ausländer wohnten,
damals, als der Suezkanal ausgehoben wurde. Unter den Arkaden blieb ich
verwirrt stehen: Bin ich jetzt in Turin oder Mailand? Meine Sehnsucht nach dem
Belpaese überwältigt mich manchmal unvermittelt.
Sayed führte mich im Zickzack durch die engen Gassen des damaligen „Arbeiterviertels“. Dort müssen schreckliche hygienische Bedingungen geherrscht haben. Heute verlottern da nicht nur die herrlichen Balkone, sondern alles. Mitten drin, wie in anderen Städten auch: Händler mit billigen T-Shirts, Schuhen, Taschen, Plastik, Plastik, Plastik. Gebirge davon. Made in China, nichts aus heimischer Produktion.
Später fuhren wir
mit einer der Fähren nach Port Fouad hinüber. Sprachlos staunte ich über
Dutzende von Kranen, die sich in den blauen Himmel reckten, Docks und Containerterminals.
Eine emsige Industriestadt! Mein Begleiter, der früher auch bei der
Hafenverwaltung gearbeitet hatte, erwähnte Osthafen und Westhafen. Ostwärts liegt
ein weiterer Arm des Suezkanals, dazwischen liegt Port Fouad. Dort stehen in
noch recht gutem Zustand die ehemaligen Villen der Ingenieure, mit
wunderschönem Baumbestand und Gärten, die man hinter den hohen Mauern nur
erahnen kann. Eine Insel auf einer Insel mit viel Grün, Vogelgezwitscher,
sauberen Strassen, ohne Verkehr, ruhig. Ich war entzückt!
Einige Kilometer
später geht es weiter mit Häfen und Kranen und Containerterminals, aber auch
Fischfarmen und Salinen. Und Sandstränden. Die Gegend ist auch ein bekanntes
Vogelparadies, wo Flamingos beobachtet werden können.
Über eine
Schwimmbrücke gelangten wir wieder nach Port Said zurück. Kurz darauf verabschiedeten wir uns voneinander. Ich durfte meinem Begleiter kein Getränk
offerieren, kein Trinkgeld geben, nichts. Das laufe über das Büro, seinen
Arbeitgeber, den Freund meines Freundes.
Indessen hatte
sich einer meiner Bekannten gemeldet, den ich von Hurghada kenne, der aus Port
Said kommt und als Arzt in Deutschland arbeitet. Wo ich denn sei? Er sei auch
da. Er würde mich zum Fischessen einladen. Spontan, ungeplant.
So wurde ich am
Abend zum Fischmarkt geführt. Mein Bekannter brachte einen Freund mit, auch ein
Arzt. Der arbeitet bei einer der Petroleumfirmen, wartet auf Abruf an Land und
wird bei Notfällen auf eine der Bohrinseln hinausgeflogen. Einer wenigstens,
der ein gutes Einkommen hat.
Am nächsten
Morgen, es war ein Freitag, spazierte ich noch an meinem Sehnsuchtsmeer entlang. Puderweisser Sandstrand, salzhaltige Luft, Wellen, Sonne.
Spärliche bzw. einfache Infrastruktur. Vor dem Ende des Freitagsgebets sputete ich mich, ins
Hotel zurück zu kommen. Später dann holte mich ein Fahrer ab, um mich nach
Kairo zu bringen.
Auch das war ein
besonderes Erlebnis – zumindest wenn man Hurghada gewohnt ist: Der Mann fuhr
pünktlich mit einem neuen, picobello sauberen Auto vor, sprach leidlich
Englisch, war höflich und gebildet. Eslam arbeitet auch bei der Hafenverwaltung
und freitags bietet er Fahrten auf der App InDriver an. Während der
zweistündigen Fahrt nach Kairo erzählte er mir vom Leben der Bauern im Delta, was
sie alles anbauen, wie sie ums Überleben kämpfen, wie sie von den Behörden
drangsaliert werden und wie sie halt irgendwann aufgeben und in der Stadt ihr
Auskommen suchen. Noch hat er Verwandte, die dem Land Früchte und Gemüse
abringen. Hier bestimmt der Staat, was wann und wo und wie viel davon angebaut
und gesät wird und zu welchem Preis die Ernte abgenommen wird. Das kann nicht
gut gehen.
Darauf folgt
logischerweise der klassische Kreislauf vom einen Elend ins andere: Landflucht,
einfache Siedlungen am Stadtrand, Bevölkerungsdruck, Abertausende, die als
Tiktokfahrer, Schuhputzer, Doormen, Einpacker, Zuckerwatteverkäufer oder Lastenschlepper arbeiten. Es
hört nicht auf, denn das Elend ist gewollt.
Port Said hat mir
sehr gut gefallen. Es ist hübsch, überschaubar, für hiesige Verhältnisse
organisiert, zivilisiert und ruhig. Die Leute sind höflich und respektvoll, was
sich sogar im Autofahren widerspiegelt. Wenn es im Sommer nicht so überlaufen
wäre und keine so hohe Luftfeuchtigkeit hätte, könnte ich mir fast vorstellen,
dort zu leben. Jedenfalls würde ich gerne nochmals hin, da gibt es noch vieles zu sehen!
Am meisten hat
mich wohl wieder die grosszügige Gastfreundschaft der Ägypter beeindruckt. Sie
setzen alles in Bewegung, um jemandem einen Gefallen zu tun, eine Freude zu
bereiten, die schöne Seite ihres Landes zu zeigen. Dafür bin ich zutiefst dankbar.
Nachfolgend
Bilder:
Blick aufs Mittelmeer |
Eines der gut erhaltenen Häuser von damals |
schade... |
Hier wird's gefährlich |
Stukkaturen in den Arkaden - wie in Italien |
auch hier - mediterran |
Ich bin nicht mehr sicher, ob das Gebäude hier das italienische Konsulat war |
Sprachlos |
Blick in eine der engen Gassen des einstigen Arbeiterviertels |
im einstigen Arbeiterviertel |
Blick hinüber, nach Port Fouad, nach Asien |
Eine der Villen auf Port Fouad |
Ich wünschte mir, das ganze Land sähe so aus... |
Schönheit |
In diesem Gebäude hat Kaiserin Eugénie übernachtet, als sie den Suezkanal 1869 eröffnete |
Lesseps' Statue wurde vom Sockel gestürzt |
ein Blick, der Bände spricht |
Menschenleerer, feinster Sandstrand |
danke für Deinen bericht und grössten-super-dank für die bilder!
AntwortenLöschengregory
freut mich sehr, danke
LöschenWie immer, ein sehr intensiver, realer und beeindruckender Reisebericht. Dafür herzlichen Dank. Ich liebe Deine Begeisterung und Liebe zu dem Land zu fühlen.
AntwortenLöschenRobby
Danke, Robby :)
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