Mein Blick gleitet über die Landschaft unter mir.
Die Strassen
Hurghadas, durch die ich mit meinem Auto rollte, Die Zufahrts- und
Ringstrassen, die mir Ausfahrten auf dem Rennrad erlaubten. Begegnungen mit
anderen Radfahrern, durch die Freundschaften entstanden und sich wieder
verloren. Mit erstaunten Autofahrern, die mich fotografieren wollten oder mich
beinah umfuhren. Mit den risikofreudigen Minibussen, die sich an keine
Verkehrsregeln halten. Mit Schwertransportern, die mir zuhupten und
gratulierten.
Unter mir liegt die
Küste mit dem Wasser, das mit seinen Farbtönen von smaragd zu tiefblau
entzückt, heute noch, wie vor 15 Jahren. Da unten liegen auch die Riffe, an
denen ich schnorchelte.
Die Küste des Sinais schieben sich in mein Blickfeld, die Zacken der Berge strecken sich über den gelben Sand. Dort bin ich die Küste entlang gefahren, von Sharm nach Suez, in die Berge nach St. Kathrin, über die Nahl-Strasse nach Taba. Ich bin im Golf von Aqaba geschnorchelt, in Nuweiba habe ich tiefen Schlaf in einem Camp genossen. Ich war in den Bergen und in Dahab.
Diesseits des Roten
Meeres sehe ich die Küstenstrasse nach Ain Sochna, die ich mehrmals befuhr und
die man jetzt über die neue Galalatsrasse rechts liegen lassen kann.
Frachtschiffe steuern auf die Einfahrt in den Suezkanal zu.
Unter mir zeigt sich
das Betongewimmel der neuen Hauptstadt, hässlich, unvollendet. Weiter nördlich
erstreckt sich der grüne Rand des Deltas, durch das ich nach Kairo, Alexandria,
Damanhour, Damietta, Port Said und Ras El Bar gefahren bin.
Der westliche Nilarm
schlängelt sich durchs Grün zum Mittelmeer, ich erkenne Abu Kir, Montazah und
Ma'moura, wo ich wohnte, wo ich im Meer schwamm und meine ersten seltsamen
Erfahrungen mit den Eigenheiten dieses wunderlichen, aber auch wundervollen
Landes machte.
Jetzt breitet sich das
Mittelmeer unter mir aus. Ich bin müde und erschöpft und lehne mich in den Sitz
zurück. Ich lasse die Nordküste hinter dem Flugzeug verschwinden. Der Abschied
fiel mir recht schwer, trotz den immens anspruchsvollen, kräftezehrenden
letzten Wochen. Die Probleme sind noch nicht gelöst.
Wir hatten mithilfe
des Anwalts erreicht, dass wir die Wasserleitung reparieren durften. Das Wasser
sprudelte wieder in den Tank und wir waren überglücklich. Unsere russischen
Nachbarn tauchten umgehend mit Alkohol auf. Doch nur ein paar Tage später hat
S. die Leitung wieder durchtrennen lassen. Stilllegen für sechs Monate, um uns
zu zwingen, ein Papier zu unterschreiben. Ich erzähle zu einem späteren
Zeitpunkt davon. Nur soviel möchte ich sagen: Alle ägyptischen Wohnungsbesitzer
haben sich uns angeschlossen, sie sind in der Mehrheit und haben die Schikanen
auch satt. Jeder einzelne von ihnen kann dazu eine Geschichte schreiben. Nur
die Russen und Europäer zögern, ich hoffe, das ändert sich noch.
So, wie die Küste aus
meinem Blickfeld gleitet, muss ich mein Leben da unten mit all seinen bunten,
anspruchsvollen und erstaunlichen Schattierungen hinter mir lassen. Für einige
Zeit jedenfalls. Ich denke an meine vielen Reisen und Erlebnisse kreuz und quer
durch das Land und die wundervollen Erlebnisse und Begegnungen, die ich machen
durfte. Dazu gehören auch schlechte. Diese Mischung an Erfahrungen haben mich
innerlich reifen lassen. Ich bin nicht mehr dieselbe Frau, die kurz vor
Weihnachten 2006 zum ersten Mal nach Ägypten reiste.
Durch den Nebel
sickern schon die ersten griechischen Inseln. Nebel. Daran werde ich mich
gewöhnen müssen. Trost ist mir, dass ich in den Wald flüchten kann. Oder in die
Berge. Alles liegt nah und ist erreichbar.
Ich lasse eine
wunderschöne Wohnung zurück, die ich erst in den letzten Wochen fertig
eingerichtet habe. Mein russischer Nachbar hat die Lampen aufgehängt, ich habe
Spiegel und ein Schuhmöbel bekommen. Mein Rad hängt endlich an der Wand,
ungeputzt. Dazu kam ich leider nicht mehr. Ich wollte meine Wohnung während
meiner Abwesenheit vermieten, aber wegen den Ereignissen mit dem Besitzer der
Wohnanlage fehlte mir die Zeit für die Vorbereitungen. Ich war heute Mittag
traurig, als ich die Fenster schloss, die Vorhänge zurechtzog, Wasser und Strom
zudrehte und mit gepacktem Koffer und Reisetasche den Schlüssel dreimal
umdrehte.
Zum Abschied bekam ich
berührende Zeichen der Zuneigung und Dankbarkeit. Tränen von R., über die ich
auch mal schreiben werde, viele Umarmungen von ihrem Sohn A. Ich stand ihnen
die vergangenen 12 Jahre bei und hoffe, dass sie in spätestens zwei Monaten in
eine neue, bessere Zukunft aufbrechen dürfen. Die Italiener sagten: "Wir
lieben dich. Wir wissen, dass wir dir vertrauen können." Die letzte drei
Wochen sind wir durch dick und dünn gegangen. Vermissen wird mich auch meine
Freundin, die mich zum Flughafen brachte. Ich werde sie
auch vermissen.
Für andere blieb mir keine
Zeit. Ich wollte mich von mehreren mir nahestehenden Menschen persönlich
verabschieden. Ich musste es verschieben. Bis bald.
Vorgestern übergab ich
mein Auto, meinen treuen Gefährten über 70'000 km durch wilde Landschaften und
chaotische Städte.
Ich fühle mich
ausgelaugt und müde. Die nächsten Tage muss ich mich erholen. Keine Ahnung, wie
ich das schaffe. Denn ich bin weiterhin gefordert. Internetzugang, Wohnung,
Autokauf. Noch am Flughafen in Hurghada erhielt ich das Programm für die
Einarbeitungszeit für meine neue Aufgabe.
Relativ unerwartet
("Vergiss es, du kriegst keinen Job mehr.") und kurzfristig habe ich
eine Arbeitstelle in meiner Heimat angenommen. Während Andere Pläne für ihre
Pension schmieden, mache ich den umgekehrten Schritt. Nicht für lange, aber ich
brauche Geld.
Die letzten
Sonnenstrahlen hauchen die aus der Wolkendecke übermütig ragenden Wölckchen
rosa an. Auch dieses Schauspiel vergeht sogleich. Wir tauchen durch die
Wolkendecke hinab ins Weiss, ins Grau und landen gleich.
Ihr lest wieder von
mir, denn ich habe noch sehr viel zu erzählen. Aber das dauert etwas. Zuerst
muss ich mich der neuen Herausforderung stellen.
Bis bald.
Ich wünsche Dir gute Erholung von der letzten Zeit und viel Erfolg für das was vor Dir liegt in dieser verkehrten Zeit. Alles Liebe, Heike
AntwortenLöschenDankeschön!
LöschenFrohes heim kommen. Guten neuen Start. Freu dich auf die neuen Herausforderungen, bleib offen und neugierig. Lgkarin
AntwortenLöschenDanke, liebe Karin, bis bald!
LöschenIch wünsche gute Erholung und ein ruhiges Weihnachtsfest und behalte Ägypten im fest im Auge . Ich kann es kaum glauben, aber ich verstehe es 👍
AntwortenLöschenHerzlichen Dank.
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