Seit Anfang August gelten neue Regeln, um ein Visum zu verlängern.
Ganz klar sind die Regeln noch nicht, es scheint aber, dass jeder, der nicht
vom Flughafen einen Stempel im Pass hat – also sein Visum immer wieder
verlängern liess – zuerst einen Wartestempel erhält. Der
Staatssicherheitsdienst prüft dann den Antragsteller und das dauert offiziell
zwei Monate; wegen Überlastung dauert es aber länger.
Danach gibt es je nach Fall ein befristetes Visum. Einige
Antragsteller wurden auch gebeten, das Land (vorübergehend) zu verlassen, sie
seien schon zu lange hier gewesen. Ein Visum vom Flughafen bei der Einreise ist
erwünscht. Das praktische Rückreise-Visum ist offenbar abgeschafft worden; wer
ausreist, verliert sein Visum und fängt neu mit dem Flughafen-Visum an und
durchläuft dann den ganzen Prozess mit Antrag, Wartefrist usw. von neuem. Alle
drei oder sechs Monate – je nachdem halt.
Ohne gültiges Visum kann man aber seinen Fahrzeugausweis
nicht verlängern und ohne Fahrzeugausweis kann man keine Fahrzeugversicherung
verlängern. Man kann weder Bankkonto eröffnen, noch ein Fahrzeug oder Immobilien
kaufen.
Das macht mulmig. Ganz schlimm ist die Situation für jene,
die illegal hier leben, weil sie ihr Visum nie mehr verlängert haben. Meist
betrifft das Osteuropäer.
Um dem Durcheinander ein Ende zu setzen, haben drei Frauen auf
Facebook eine Gruppe gegründet, um Informationen auszutauschen; das Vorgehen
der Behörden lässt auf Willkür schliessen. Sicher ist, dass es an Kommunikation
und Information seitens der Behörden fehlt. Die Facebook-Gruppe hat deshalb
einen Brief an den Gouverneur von Hurghada geschrieben, um Klarheit zu bekommen.
Die Antwort steht noch aus.
Die Fristen laufen jedoch und jetzt war ich an der Reihe.
Dank der Gruppe habe ich erfahren, dass mit einem registrierten Mietvertrag die
Chancen auf ein Halbjahres-Visum steigen. Das war
Schritt eins
Der Mietvertrag ist in Englisch und Arabisch,
sicherheitshalber habe ich um eine dreijährige Mietdauer gebeten – das könnte
mir künftig den Weg ins Registrierungsbüro „Shahr El Akary“ ersparen. Diesmal
musste ich jedoch hin. Ich war da schon letztes Jahr, da der registrierte
Mietvertrag auch Basis für den Autokauf war.
Ort und Lage sind mir also bekannt, das Prozedere weniger.
Ich war früh dort, noch bevor sich die Herren Beamten mit ihren Teegläsern an
ihre Pulte setzten; sie quatschten noch. Ein junger, hochgewachsener Mann mit
rosa Hemd und Gilet wurde von den Mitleidenden aufmerksam beobachtet. Als er
sich zu seinem Arbeitsplatz begab, stürmten alle zu ihm. Ein paar Worte später
war es wieder leer bei ihm – er registriert nicht alle Papiere. Das war mein
Moment: ich hielt ihm meinen Vertrag hin und er nickte. Doch zuerst müsse ich
zum Übersetzer. Zum Übersetzer? Der Vertrag war doch schon zweisprachig? Ich
ging zu dem jungen Mann, den ich schon von früher kannte. Er verglich Daten und
Namen, fügte meinen Namen in Arabisch ein und fing an, mir den Inhalt zu
übersetzen. Ich unterbrach ihn und wies ihn darauf hin, dass Englisch ja
daneben stehe. Aha! Also, retour zum jungen hochgewachsenen Mann mit rosa Hemd
und Gilet. Der schickte mich aber wieder weg, ich müsse zuerst bezahlen. Wo?
Ein Mitleidender mit Brille zeigte mir ein kleines Räumchen, vor dem sich
mehrere Männer und eine Frau drängten. Frauen dürfen vor, ich also auch – mit schlechtem
Gewissen. Die junge Frau schrieb in ein riesiges Buch, gab Papiere zurück, kassierte
Geld ein. Meines wollte sie nicht. Ich müsse zuerst noch woanders hin. Wohin
denn? Warum denn? Keine Ahnung, aber retour. Der Mitleidende mit Brille von
vorhin zog mich in den ersten Raum zurück, wo eine andere blasse, junge Frau
gelangweilt vor ihrem Tee sass. Sie nahm meinen Vertrag entgegen, blickte
drauf, kritzelte was darunter und gab ihn mir wieder. Zurück zur jungen Frau im
kleinen Räumchen. Jetzt durfte ich bezahlen, 15 Pfund. Zwei Stempel. Huch, eine
Hürde geschafft. Zurück also zum jungen hochgewachsenen Mann im rosa Hemd mit Gilet.
Ich wartete, bis er die Papiere der runden Ägypterin vor mir in sein Buch
notiert hatte. Einen halben Roman schreibt er, darunter kommen kunstvolle
Kurven und seine Unterschrift. Ich lächelte – das hilft immer. Er packte meinen
Vertrag, kopierte den Inhalt in sein tolles Buch, beendete den Eintrag mit einer
kunstvollen Kurve und seiner Unterschrift. Mein Vertrag erhielt drei oder vier
Stempel und noch seine Unterschrift. Lächelnd nahm ich das Ding entgegen und
wollte erleichtert von dannen ziehen, als mir der junge hochgewachsene Mann im
rosa Hemd mit Gilet sagte, ich müsse noch zum Direktor. Der stand hinter mir,
ernst blickend, so alt und grau wie das ganze Gebäude. Er ging zurück zu seinem
Büro, sperrte das Vorhängeschloss auf, setzte sich würdig hinter seinen
Schreibtisch und drückte nochmals einen oder zwei Stempel auf meinen Vertrag.
Ich weiss nicht mehr genau; insgesamt sind es jetzt sieben.
Geschafft. In nur etwas mehr als einer halben Stunde. Das
ist fast Rekord!
Schritt zwei
Mit zwei Kopien vom registrierten Mietvertrag, einem Foto, drei Kopien
von meinem Pass und zwei Kopien von meinem letzten Visum und dem letzten
Einreisestempel (zum Glück alles auf einer Seite), fahr ich ins Passbüro.
Ausnahmsweise erklärt der junge Mann sehr freundlich und ausführlich, was er
braucht – das weiss ich ja schon – und dass ich nur einen Wartestempel und nach
einer Wartefrist – während der der Staatssicherheitsdienst Informationen über
mich einholt – ein Visum erhalte. Genau das hatte ich befürchtet und ich sagte
ihm, ich müsse aber meinen Fahrzeugausweis verlängern. Nicht sein Problem; wenn
ich den Wartestempel am nächsten Tag abhole, könne ich mich an den Chef wenden.
Das mache ich nicht. Einer meiner Studenten hat nämlich
gemeint, ich soll ihm sagen, wenn ich mein Visum beantrage. Prompt öffnen sich mir
da unbekannte Türen, die mir Zeit und zermürbende Ungewissheit ersparen.
Mein Student „kennt Jemanden“ an der richtigen Position. Das
beschleunigt das ganze Prozedere so sehr, dass ich am Folgetag zwar eineinhalb
Stunden in den Räumen des Staatssicherheitsdienstes und des Passbüros warte,
aber dann mit einem Wartestempel plus Visum von neun Monaten (ein Jahr seit
meiner letzten Einreise) im Pass hinausspaziere.
Wie geht das? Mein Student ist Manager eines Hotels. Das wird gerne genutzt. Und wie sieht das in der Buchhaltung
aus? Mein Student erklärt mir, dass das offen unter „Beziehungspflege“ verbucht
wird. Würde er den Herren mit ihrer Entourage nicht diesen „Gefallen“ tun, könnte ihn das teuer zu stehen kommen. Die Behörden könnten ihm irgendeine „Busse“
von Hunderttausend Pfund aufdrücken oder Schlimmeres. So läuft das hier. Eine
Hand wäscht die andere und drückt mal eine oder gar alle Augen zu.
Warum ich trotzdem eineinhalb Stunden warten musste? Die
kannten mein Heimatland nicht und mussten sich zuerst im Internet darüber
informieren. So habe ich ungewollt zur Verbesserung der Allgemeinbildung beigetragen.
Das Visum habe ich jetzt also. Verlasse ich Ägypten, verliere ich es und muss neu mit
einem Visum am Flughafen beginnen. Der Mann im Passbüro meinte grinsend, ich
bekäme dann wieder einen Wartestempel und könne dann wieder Herrn X anrufen, um
das Prozedere zu beschleunigen.
Warum das alles? Erklärt wird das komplizierte Vorgehen
mit der Terror-Gefahr. Fakt ist jedenfalls, dass jeder hier lebende Ausländer
neu normalerweise zweimal pro Jahr das Land verlassen muss. Das Geld für Flug,
Verkehrsmittel, Hotel und anderes gibt er im Ausland aus, statt in Ägypten. Es
wird vermutet, dass die Ministerien auch in diesem Fall nicht
miteinander kommuniziert haben. Ausserdem werde ich den naheliegenden Verdacht
nicht los, dass bestehende Arbeitsplätze erhalten werden und einfach ein paar
Stempelträger mehr gebraucht werden. Die Stapel, die ich heute im Büro eines Polizisten
gesehen habe, lassen nichts Gutes vermuten.
Den nächsten Schritt, die Verlängerung meines
Fahrzeugausweises, nehme ich kommende Woche in Angriff.
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