Gemeint ist
der Gürtel, der schon ganz eng sitzt. Gefordert sind angeblich alle Bürger
dieses Landes, betroffen fast alle Schichten. Nicht aber jene, die dank ihrer
Position eh viel Polster haben.
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Mit
verweinten Augen öffnet sie mir die Türe. Nein, nein, sie sei erkältet, weicht
sie aus. Die Mädchen strecken ihre Arme nach mir aus, umarmen mich, die
Sommerpause ist vorbei.
Später, als
wir das weitere Vorgehen besprechen, erzählt sie: „Ich bin dabei, mein Geschäft
zu verlieren.“ Tauchboote. Keine Russen, keine Deutschen, keine Italiener. Das
waren die Kunden. Sie habe versucht, die Angestellten zu halten, alle Kosten zu
bezahlen. Es geht nicht mehr. Im Gegenteil, alles wird noch teurer.
„Komisch“,
meint sie, „in die Türkei fliegen die Touristen wieder, obwohl dort auch
Flugzeuge abgestürzt sind. Nur unser Präsident kriegt das nicht hin. Anstatt
uns zu helfen, nimmt er von uns.“
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Um der
Dollarkrise Herr zu werden, sind auf Importwaren hohe Zölle geschlagen worden. Das
macht Importe teurer. Und da das Land im Vergleich zur Bevölkerungsgrösse
schwach industrialisiert ist, wird viel importiert. Vor allem Qualitätswaren.
Wo eine
hohe Nachfrage ist, steigt der Preis. Die Zentralbank weigert sich beharrlich,
den Wechselkurs des ägyptischen Pfundes frei zu geben. Festgefroren bei
ungefähr 9 le. Auf dem Schwarzmarkt werden bis zu 13 le geboten. Die Regierung
weiss nichts Besseres zu tun, als die Wechselkursbüros zu schliessen und Gefängnisstrafen
zu erteilen – der Schwarzmarkt blüht trotzdem weiter. Wer importiert, muss mit
Dollar bezahlen, und damit steigt die Preisspirale weiter.
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Gestern hat
das Fernsehen einen Mann gezeigt, der sich am Ventilator erhängt hat. Aus
Verzweiflung. Es hat auch gezeigt, wie eine Mutter mit ihren vier Kindern
Essbares im Abfall sucht. Die Frau, die mir das erzählt, lebt im Keller mit
ihrem 14jährigen Sohn. Keine Klimaanlage. Kein Tageslicht. Sie zahlt während
der ersten Hälfte des Monats ihre Schulden. In der zweiten Hälfte baut sie sie
wieder auf.
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Das
Parlament hat die Einführung einer 13%igen Mehrwertsteuer beschlossen. Gültig
ab 1. September. Der Präsident suche nun Lösungen, um die arme Unterschicht –
das sind mittlerweile weit mehr als die offiziellen 50% der Bevölkerung – zu entlasten.
Das Militär wird wohl wieder Esspakete verteilen – meine Vermutung. Die Idee
mit den Smartkarten, um subventionierte Lebensmittel jenen zu geben, die es
wirklich nötig haben, war ein Reinfall. Korruption.
Eine Mehrwertsteuer
wird vom Konsument bezahlt. Sie ist nur dort gerecht, wo auch die Höhe des
Einkommens gerecht verteilt ist. Das ist in Ägypten nicht der Fall. Eine
weitere Steuer macht die Armen noch ärmer.
Ausserdem
ist es technisch gar nicht möglich, eine Mehrwertsteuer innert zwei Tagen
umzusetzen. Es braucht zuerst die entsprechenden Erlasse und Bestimmungen,
Regelungen wie und wo das abzurechnen ist. Das braucht schon in einem gut organisierten
Land ein paar Monate. Wie soll das in Ägypten gehen?
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„Der
Präsident verlangt, dass wir den Gürtel noch enger schnallen! Ok, wir essen nur
noch Foul (ein Bohnengericht) zum Frühstück, zum Mittagessen und zu Abend. Nun
verlangt er, dass wir nur noch einmal am Tag essen! Alles für Ägypten?“
Ereifert sich ein Freund, als wir darüber reden. „Wir können nicht mehr!“
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Täglich werden
neue Informationen über einen riesigen Korruptionsskandal in den Medien
verbreitet. Es geht um Weizen. Weizen, der wichtigste Rohstoff in der
Lebensmittelkette in Ägypten. Neben Foul. Denn ohne Brot läuft nichts. Es wird
stark subventioniert. Wertvolle Devisenreserven fliessen ins Ausland, weil
Ägypten der grösste Weizenimporteur der Welt ist. Unfähig, selbst genügend
anzubauen. Vielleicht. Denn vielleicht wäre es sogar möglich, das weiss man nur
nicht so genau wegen dem Riesenbetrug, in den Beamte bis hinauf in die
Regierung verwickelt sind. Es geht um rund 60 Millionen. Dollar, nicht Pfund. Und nun
fehlt Weizen…
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Viel Geld
wurde in den Bau des Zusatzarms am Suezkanal „verlocht“. Wegen den tieferen
Ölpreisen ist der Containerverkehr zurückgegangen. Da hat jemand doppelt
verloren.
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Das Regime
zeigt sich gegenüber einigen Mubarak-Spezies versöhnlich. Für die Zusage, auf einen
Teil ihres („offiziellen“ – was immer das bedeuten mag) Vermögens zu
verzichten, werden alle Anklagen fallen gelassen. Der Staat betrügt sich
selbst.
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„Weil unser
Wohnblock mit neun Stockwerken illegal ist, haben wir keinen Stromzähler. Nun
sollen wir 600 le für drei Monate bezahlen. Wir haben keine Klimaanlage, soviel
Strom brauche ich niemals. Mein Lohn beträgt 2‘000 le. Wie soll ich das
bezahlen? Ich kann nicht! Ein Mitbewohner ist mit dem Geldeintreiber vom
Elektrizitätswerk verwandt – er bezahlt natürlich nichts. Und wer nicht
bezahlt, dem wird der Strom abgeschaltet.“
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Ein
Mitglied des Parlaments hat offenbar wochenlang in einem 5* Hotel residiert.
Auf Staatskosten. Das bestreitet er zwar. Leugnen ist eine der herausragenden
Stärken von gewissen Leuten.
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Das Volk
soll den Gürtel enger schnallen. Es wird noch mehr Selbstmorde aus Verzweiflung
geben. Es wird noch mehr Familien auf die Strassen und zu den Abfällen treiben.
Es wird noch mehr beschissen und betrogen werden. Jeder gegen jeden.
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„Beim Reiseveranstalter
XY verdient ein Reiseleiter noch 500 le. Kann man davon leben?“ Kunstpause nach
der rhetorischen Frage. „Natürlich nicht! Also was tut der Reiseleiter? Er
bittet um Trinkgeld, er betrügt die Touristen. Wir schaufeln unser eigenes Grab!“
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„Mit dem
Tram kostet die Fahrt 50 Piaster, mit dem Minibus 2,50 le. Also fahre ich mit
dem Tram, auch wenn ich statt 30 Minuten zwei Stunden heim brauche. Ich kann
auch zu Fuss gehen, dann tu ich was für meine Gesundheit.“ Galgenhumor.
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Explosiv,
bedrückt. Und doch getraut sich kaum einer mehr aufzumucken. Die Faust im Sack,
den Frust an den Nachbar, den Kollegen, den Verkehr. Mehr geht einfach nicht
mehr rein.
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Symptome bekämpfen, statt wirkliche Reformen einleiten.
Drum: Vielleicht
wären Hosenträger eine
Lösung? Hosenträger kann man nicht enger schnallen …
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