Dienstag, August 30, 2016

Noch enger schnallen geht nicht mehr

Gemeint ist der Gürtel, der schon ganz eng sitzt. Gefordert sind angeblich alle Bürger dieses Landes, betroffen fast alle Schichten. Nicht aber jene, die dank ihrer Position eh viel Polster haben.

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Mit verweinten Augen öffnet sie mir die Türe. Nein, nein, sie sei erkältet, weicht sie aus. Die Mädchen strecken ihre Arme nach mir aus, umarmen mich, die Sommerpause ist vorbei.

Später, als wir das weitere Vorgehen besprechen, erzählt sie: „Ich bin dabei, mein Geschäft zu verlieren.“ Tauchboote. Keine Russen, keine Deutschen, keine Italiener. Das waren die Kunden. Sie habe versucht, die Angestellten zu halten, alle Kosten zu bezahlen. Es geht nicht mehr. Im Gegenteil, alles wird noch teurer.

„Komisch“, meint sie, „in die Türkei fliegen die Touristen wieder, obwohl dort auch Flugzeuge abgestürzt sind. Nur unser Präsident kriegt das nicht hin. Anstatt uns zu helfen, nimmt er von uns.“

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Um der Dollarkrise Herr zu werden, sind auf Importwaren hohe Zölle geschlagen worden. Das macht Importe teurer. Und da das Land im Vergleich zur Bevölkerungsgrösse schwach industrialisiert ist, wird viel importiert. Vor allem Qualitätswaren.

Wo eine hohe Nachfrage ist, steigt der Preis. Die Zentralbank weigert sich beharrlich, den Wechselkurs des ägyptischen Pfundes frei zu geben. Festgefroren bei ungefähr 9 le. Auf dem Schwarzmarkt werden bis zu 13 le geboten. Die Regierung weiss nichts Besseres zu tun, als die Wechselkursbüros zu schliessen und Gefängnisstrafen zu erteilen – der Schwarzmarkt blüht trotzdem weiter. Wer importiert, muss mit Dollar bezahlen, und damit steigt die Preisspirale weiter.

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Gestern hat das Fernsehen einen Mann gezeigt, der sich am Ventilator erhängt hat. Aus Verzweiflung. Es hat auch gezeigt, wie eine Mutter mit ihren vier Kindern Essbares im Abfall sucht. Die Frau, die mir das erzählt, lebt im Keller mit ihrem 14jährigen Sohn. Keine Klimaanlage. Kein Tageslicht. Sie zahlt während der ersten Hälfte des Monats ihre Schulden. In der zweiten Hälfte baut sie sie wieder auf.

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Das Parlament hat die Einführung einer 13%igen Mehrwertsteuer beschlossen. Gültig ab 1. September. Der Präsident suche nun Lösungen, um die arme Unterschicht – das sind mittlerweile weit mehr als die offiziellen 50% der Bevölkerung – zu entlasten. Das Militär wird wohl wieder Esspakete verteilen – meine Vermutung. Die Idee mit den Smartkarten, um subventionierte Lebensmittel jenen zu geben, die es wirklich nötig haben, war ein Reinfall. Korruption.

Eine Mehrwertsteuer wird vom Konsument bezahlt. Sie ist nur dort gerecht, wo auch die Höhe des Einkommens gerecht verteilt ist. Das ist in Ägypten nicht der Fall. Eine weitere Steuer macht die Armen noch ärmer.

Ausserdem ist es technisch gar nicht möglich, eine Mehrwertsteuer innert zwei Tagen umzusetzen. Es braucht zuerst die entsprechenden Erlasse und Bestimmungen, Regelungen wie und wo das abzurechnen ist. Das braucht schon in einem gut organisierten Land ein paar Monate. Wie soll das in Ägypten gehen?

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„Der Präsident verlangt, dass wir den Gürtel noch enger schnallen! Ok, wir essen nur noch Foul (ein Bohnengericht) zum Frühstück, zum Mittagessen und zu Abend. Nun verlangt er, dass wir nur noch einmal am Tag essen! Alles für Ägypten?“ Ereifert sich ein Freund, als wir darüber reden. „Wir können nicht mehr!“

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Täglich werden neue Informationen über einen riesigen Korruptionsskandal in den Medien verbreitet. Es geht um Weizen. Weizen, der wichtigste Rohstoff in der Lebensmittelkette in Ägypten. Neben Foul. Denn ohne Brot läuft nichts. Es wird stark subventioniert. Wertvolle Devisenreserven fliessen ins Ausland, weil Ägypten der grösste Weizenimporteur der Welt ist. Unfähig, selbst genügend anzubauen. Vielleicht. Denn vielleicht wäre es sogar möglich, das weiss man nur nicht so genau wegen dem Riesenbetrug, in den Beamte bis hinauf in die Regierung verwickelt sind. Es geht um rund 60 Millionen. Dollar, nicht Pfund. Und nun fehlt Weizen…

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Viel Geld wurde in den Bau des Zusatzarms am Suezkanal „verlocht“. Wegen den tieferen Ölpreisen ist der Containerverkehr zurückgegangen. Da hat jemand doppelt verloren.

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Das Regime zeigt sich gegenüber einigen Mubarak-Spezies versöhnlich. Für die Zusage, auf einen Teil ihres („offiziellen“ – was immer das bedeuten mag) Vermögens zu verzichten, werden alle Anklagen fallen gelassen. Der Staat betrügt sich selbst.

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„Weil unser Wohnblock mit neun Stockwerken illegal ist, haben wir keinen Stromzähler. Nun sollen wir 600 le für drei Monate bezahlen. Wir haben keine Klimaanlage, soviel Strom brauche ich niemals. Mein Lohn beträgt 2‘000 le. Wie soll ich das bezahlen? Ich kann nicht! Ein Mitbewohner ist mit dem Geldeintreiber vom Elektrizitätswerk verwandt – er bezahlt natürlich nichts. Und wer nicht bezahlt, dem wird der Strom abgeschaltet.“

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Ein Mitglied des Parlaments hat offenbar wochenlang in einem 5* Hotel residiert. Auf Staatskosten. Das bestreitet er zwar. Leugnen ist eine der herausragenden Stärken von gewissen Leuten.

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Das Volk soll den Gürtel enger schnallen. Es wird noch mehr Selbstmorde aus Verzweiflung geben. Es wird noch mehr Familien auf die Strassen und zu den Abfällen treiben. Es wird noch mehr beschissen und betrogen werden. Jeder gegen jeden.

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„Beim Reiseveranstalter XY verdient ein Reiseleiter noch 500 le. Kann man davon leben?“ Kunstpause nach der rhetorischen Frage. „Natürlich nicht! Also was tut der Reiseleiter? Er bittet um Trinkgeld, er betrügt die Touristen. Wir schaufeln unser eigenes Grab!“

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„Mit dem Tram kostet die Fahrt 50 Piaster, mit dem Minibus 2,50 le. Also fahre ich mit dem Tram, auch wenn ich statt 30 Minuten zwei Stunden heim brauche. Ich kann auch zu Fuss gehen, dann tu ich was für meine Gesundheit.“ Galgenhumor.

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Explosiv, bedrückt. Und doch getraut sich kaum einer mehr aufzumucken. Die Faust im Sack, den Frust an den Nachbar, den Kollegen, den Verkehr. Mehr geht einfach nicht mehr rein.

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Symptome bekämpfen, statt wirkliche Reformen einleiten. 
Drum: Vielleicht wären Hosenträger eine Lösung? Hosenträger kann man nicht enger schnallen …


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