Dienstag, September 06, 2016

Heisses Thema: Badebekleidung der Frauen

Im 21. Jahrhundert sollte die Bekleidung der Frauen kein Thema mehr sein. Ist sie aber doch und zwar immer mehr dank oder wegen der Globalisierung.

Was mich an der ganzen Diskussion enorm erstaunt hat, ist die Tatsache, dass jene Länder, welche die Rechte der Frauen besonders stark einschränken, sich über das „Burkini-Verbot“ entrüstet haben. Die wissen komischerweise ganz genau, dass der Westen – in dem Fall das laizistische Frankreich – demokratische Freiheiten hochhält. Nach dieser Logik darf sich jeder überall so kleiden, wie er oder sie es will. Folglich darf sich Frau am Strand oben ohne zeigen, im Bikini, Badeanzug oder allen Zwischenschattierungen bis hin zum Burkini.

Handkehrum funktioniert das bei denen dort nicht. Wir Westler sollen uns in ihren Ländern, wo der Alltag durch Einschränkungen verklemmt wird, anpassen. Im Iran muss eine Ausländerin ein Tuch über dem Kopf tragen. In Saudi Arabien muss eine Ausländerin eine Abeya tragen und das Haupt bedecken. Aber wenn sie zu uns kommen, pochen sie auf die demokratischen Werte und passen sich nicht an. Das passt mir nicht, auch wenn ich ein liberal denkender Mensch bin.


Mich stört an der ganzen Diskussion ein anderer Aspekt noch viel mehr: es geht um die Rechte der Frauen. Und ein Burkini, genauso wie ein Gesichtsschleier, ein Kopftuch, eine Abeya oder eine Burka sind Einschränkungen in die Freiheitsrechten einer Frau. Ausgesprochen worden von Männern. Da seh ich rot und das akzeptiere ich nicht.

*****
Offensichtlich geht vergessen, dass Frauen im Westen seit Jahrhunderten, besonders aber seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mühsam, hartnäckig und unter grossen Opfern für jene Rechte gekämpft haben, die wir heute als völlig selbstverständlich hinnehmen:
  • an einer Universität studieren
  • einen Beruf erlernen, der nichts mit Dienen und Erziehen zu tun hat
  • ausser Haus arbeiten
  • Hosen tragen
  • die Haare abschneiden und sogar färben
  • den Ehepartner selbst auswählen
  • sich scheiden lassen
  • sich ein zweites oder drittes Mal verheiraten
  • sich ein zweites oder drittes Mal scheiden lassen
  • kurze Röcke und kurze Hosen tragen
  • alleine ausgehen
  • alleine reisen
  • rauchen
  • Alkohol trinken
  • Sex vor der Ehe haben
  • ohne BH und Korsett herumlaufen
  • Verträge selbst unterschreiben
  • alleine wohnen
  • selbst über sich und sein Leben entscheiden

Die Liste ist nicht abschliessend, aber sie soll in Erinnerung rufen, dass all die Freiheiten, die wir Frauen heute geniessen, von unseren Müttern, Grossmüttern und Urgrossmüttern erkämpft worden sind. Diese Freiheiten können wir doch nicht einfach so wieder abgeben?

Ich hab keine Lust, halbnackt an der Côte d’Azur oder sonst einem europäischen Strand neben einer Frau im Burkini oder in der Burka zu liegen, selbst wenn sie meine Freundin ist. Diese Bekleidung ist für mich der Inbegriff vom Gegenteil unserer Freiheiten. Ich hab keine Lust, mich einem männlichen Diktat unterzuordnen. Ich hab auch keine Lust mitanzusehen, wie unsere Freiheiten im Westen langsam schleichend und hinterrücks zunichte gemacht werden. Ich hab keine Lust, mich blöd angaffen zu lassen von jenen, die es nicht gewohnt sind, ein Stück nackte Haut zu sehen. Im Westen sind wir gewohnt, uns so zu bewegen und zu kleiden, wie wir Lust haben und besonders ohne dass uns jemand begafft oder anpöbelt.

Ich lebe in Ägypten. In Hurghada ist es absolut kein Problem, Strände zu finden, wo Freiheit gegeben ist. Wer jedoch an einen öffentlichen Strand geht, muss sich bewusst sein: entweder was drüberziehen oder begafft und belästigt zu werden. In Alexandria habe ich andere Erfahrungen gemacht. Bikini wird in teuren Privatstränden toleriert, oft heisst es aber „nicht erwünscht“. Ich habe mich angepasst. Und oft verzichtet.

Dazu habe ich in Westeuropa keine Lust. Es wäre Betrug an die Generationen vor uns. Und die Freiheiten, die wir in Westeuropa erreicht haben, sind mir wichtig, die will ich nicht verlieren.

Deshalb bitte ich die Damen, sich in Westeuropa unseren Werten anzupassen oder allenfalls Privatstrände und Clubs aufzusuchen, wo sie ihresgleichen finden. Genauso, wie in ihren Herkunftsländern.

*****
Zur Ergänzung: ich habe zahlreiche muslimische Freundinnen und Bekannte, die weder ein Kopftuch, noch einen Burkini oder sonst so was tragen, sondern ganz „normal“ gekleidet sind, im Alltag wie auch am Strand.

*****

Und zu Guter letzt: die Männerwelt soll endlich aufhören, uns Frauen Vorschriften zu machen. 

Nachtrag: Bin soeben auf einen interessanten Text in der NZZ gestossen. "Schon immer war Nacktheit ein Symbol für Freiheit und auch Befreiung...". Viel Vergnügen beim Lesen :). 

1 Kommentar:

  1. Es gibt einige handfeste Belastungen durch Verschleierungen: Das Fehlen von Mimik beim Sprechen und Zuhören verhindert die Sprachentwicklung von Kindern. Ist man immer bedeckt ist sogar in einem südlichen Land wie Ägypten Vitamin-D Mangel denkbar mit allen gesundheitlichen Folgen. Die Unterdrückung natürlichen Verhaltens durch Scham- und Angstgefühle fördert Depressionen. Jetzt erklärten Logopäden in Deutschland, dass wegen des Maskentragens die Zahl der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen um den Faktor vier zugenommen haben. Wird das ganze Gesicht bedeckt wird auch die Deutung von Emotionen verhindert. Anbei ein Video wo auch einige Minuten über die Entwicklung empathischer Fähigkeiten gesprochen wird mit Prof. Dr. Thomas Metzinger, ab Minute 27:45 führt er aus, dass es extrem wichtig ist wie mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr umgegangen wird: https://www.youtube.com/watch?v=4vXBcXtcXK4 (Interview with Metzinger 07.11.2016). Bei Metzinger durfte ich in den 90er Jahren an der Universität Gießen Seminare belegen.

    AntwortenLöschen

Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.