Im 21.
Jahrhundert sollte die Bekleidung der Frauen kein Thema mehr sein. Ist sie aber
doch und zwar immer mehr dank oder wegen der Globalisierung.
Was mich an
der ganzen Diskussion enorm erstaunt hat, ist die Tatsache, dass jene Länder,
welche die Rechte der Frauen besonders stark einschränken, sich über das „Burkini-Verbot“
entrüstet haben. Die wissen komischerweise ganz genau, dass der Westen – in dem
Fall das laizistische Frankreich – demokratische Freiheiten hochhält. Nach dieser
Logik darf sich jeder überall so kleiden, wie er oder sie es will. Folglich
darf sich Frau am Strand oben ohne zeigen, im Bikini, Badeanzug oder allen
Zwischenschattierungen bis hin zum Burkini.
Handkehrum
funktioniert das bei denen dort nicht. Wir Westler sollen uns in ihren Ländern,
wo der Alltag durch Einschränkungen verklemmt wird, anpassen. Im Iran muss eine
Ausländerin ein Tuch über dem Kopf tragen. In Saudi Arabien muss eine
Ausländerin eine Abeya tragen und das Haupt bedecken. Aber wenn sie zu uns
kommen, pochen sie auf die demokratischen Werte und passen sich nicht an. Das
passt mir nicht, auch wenn ich ein liberal denkender Mensch bin.
Mich stört
an der ganzen Diskussion ein anderer Aspekt noch viel mehr: es geht um die
Rechte der Frauen. Und ein Burkini, genauso wie ein Gesichtsschleier,
ein Kopftuch, eine Abeya oder eine Burka sind Einschränkungen in die Freiheitsrechten einer Frau. Ausgesprochen worden von Männern. Da seh ich rot
und das akzeptiere ich nicht.
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Offensichtlich
geht vergessen, dass Frauen im Westen seit Jahrhunderten, besonders aber seit
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mühsam, hartnäckig und unter grossen
Opfern für jene Rechte gekämpft haben, die wir heute als völlig selbstverständlich
hinnehmen:
- an einer Universität studieren
- einen Beruf erlernen, der nichts mit Dienen und Erziehen zu tun hat
- ausser Haus arbeiten
- Hosen tragen
- die Haare abschneiden und sogar färben
- den Ehepartner selbst auswählen
- sich scheiden lassen
- sich ein zweites oder drittes Mal verheiraten
- sich ein zweites oder drittes Mal scheiden lassen
- kurze Röcke und kurze Hosen tragen
- alleine ausgehen
- alleine reisen
- rauchen
- Alkohol trinken
- Sex vor der Ehe haben
- ohne BH und Korsett herumlaufen
- Verträge selbst unterschreiben
- alleine wohnen
- selbst über sich und sein Leben entscheiden
Die Liste
ist nicht abschliessend, aber sie soll in Erinnerung rufen, dass all die
Freiheiten, die wir Frauen heute geniessen, von unseren Müttern, Grossmüttern
und Urgrossmüttern erkämpft worden sind. Diese Freiheiten können wir doch nicht
einfach so wieder abgeben?
Ich hab
keine Lust, halbnackt an der Côte d’Azur oder sonst einem europäischen Strand neben
einer Frau im Burkini oder in der Burka zu liegen, selbst wenn sie meine
Freundin ist. Diese Bekleidung ist für mich der Inbegriff vom Gegenteil unserer
Freiheiten. Ich hab keine Lust, mich einem männlichen Diktat unterzuordnen. Ich
hab auch keine Lust mitanzusehen, wie unsere Freiheiten im Westen langsam
schleichend und hinterrücks zunichte gemacht werden. Ich hab keine Lust, mich
blöd angaffen zu lassen von jenen, die es nicht gewohnt sind, ein Stück nackte
Haut zu sehen. Im Westen sind wir gewohnt, uns so zu bewegen und zu kleiden,
wie wir Lust haben und besonders ohne dass uns jemand begafft oder
anpöbelt.
Ich lebe in
Ägypten. In Hurghada ist es absolut kein
Problem, Strände zu finden, wo Freiheit gegeben ist. Wer jedoch an einen
öffentlichen Strand geht, muss sich bewusst sein: entweder was drüberziehen
oder begafft und belästigt zu werden. In Alexandria habe ich andere Erfahrungen
gemacht. Bikini wird in teuren Privatstränden toleriert, oft heisst es aber „nicht
erwünscht“. Ich habe mich angepasst. Und oft verzichtet.
Dazu habe
ich in Westeuropa keine Lust. Es wäre Betrug an die Generationen vor uns. Und
die Freiheiten, die wir in Westeuropa erreicht haben, sind mir wichtig, die
will ich nicht verlieren.
Deshalb
bitte ich die Damen, sich in Westeuropa unseren Werten anzupassen oder
allenfalls Privatstrände und Clubs aufzusuchen, wo sie ihresgleichen finden.
Genauso, wie in ihren Herkunftsländern.
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Zur
Ergänzung: ich habe zahlreiche muslimische Freundinnen und Bekannte, die weder
ein Kopftuch, noch einen Burkini oder sonst so was tragen, sondern ganz „normal“
gekleidet sind, im Alltag wie auch am Strand.
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Und zu Guter letzt: die Männerwelt soll endlich aufhören, uns Frauen Vorschriften zu machen.
Nachtrag: Bin soeben auf einen interessanten Text in der NZZ gestossen. "Schon immer war Nacktheit ein Symbol für Freiheit und auch Befreiung...". Viel Vergnügen beim Lesen :).
Es gibt einige handfeste Belastungen durch Verschleierungen: Das Fehlen von Mimik beim Sprechen und Zuhören verhindert die Sprachentwicklung von Kindern. Ist man immer bedeckt ist sogar in einem südlichen Land wie Ägypten Vitamin-D Mangel denkbar mit allen gesundheitlichen Folgen. Die Unterdrückung natürlichen Verhaltens durch Scham- und Angstgefühle fördert Depressionen. Jetzt erklärten Logopäden in Deutschland, dass wegen des Maskentragens die Zahl der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen um den Faktor vier zugenommen haben. Wird das ganze Gesicht bedeckt wird auch die Deutung von Emotionen verhindert. Anbei ein Video wo auch einige Minuten über die Entwicklung empathischer Fähigkeiten gesprochen wird mit Prof. Dr. Thomas Metzinger, ab Minute 27:45 führt er aus, dass es extrem wichtig ist wie mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr umgegangen wird: https://www.youtube.com/watch?v=4vXBcXtcXK4 (Interview with Metzinger 07.11.2016). Bei Metzinger durfte ich in den 90er Jahren an der Universität Gießen Seminare belegen.
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