… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“ sang einst Reinhard
May. Die Band Taxi hat dem Gefühl des Fliegens das Lied „Campari Soda“
gewidmet – wenn ich es in Schweizer Mundart höre, mit den laufenden Turbinen im
Hintergrund, bekomme ich Gänsehaut. Der Song ist für mich ein Evergreen, eine
nie endende Liebesgeschichte: „Weit unter mir liegt s’Wolkenmeer…. Es ist als
gäb’s mich nicht mehr.“ Für Nicht-Schweizer gibt es sicher irgendwo eine
Übersetzung…
Als ich diesmal von Hurghada abhob, hatte ich ausnahmsweise
meine Kamera griffbereit und möchte die Bilder und meine Gedanken dazu mit euch
teilen.
El Gouna |
Mit schwerem Herzen verliess ich Hurghada und Ägypten
vorübergehend. Das Land und meine Bekannten gehen durch schwere Zeiten, die auch
mich berühren, manchmal belasten. Wenn das Flugzeug auf die Rollbahn lenkt,
sehe ich hinaus auf die Ringstrasse, die ich oft in aller Frühe mit dem Rad
entlang fahre. Später sehe ich El Gouna unter mir, wo ich noch vorgestern war,
vergeblich, wie ich meine, denn mein Ziel habe ich nicht erreicht. Es ist das
kleine El Dorado, das den Menschen einen Hauch von Paradies vorgaukelt, möglich
für jene, die es schaffen, die Wirklichkeit auszublenden. Es ist besser so, es
können nicht alle am Elend Anteil nehmen. Manchmal fahre ich auch hin, um die
Wirklichkeit für ein paar Stunden auszublenden.
Red Sea Mountains |
Weiter schwenkt der Pilot die Maschine über die Red Sea
Mountains, das Gewirr von Felsen, Wadis, Sand und Steinen, voller
Überraschungen, Felszeichnungen, versteinerten Korallen und Fossilien, Pflanzen
und Ruinen und irgendwo unbemerkt, versteckt Beduinen, die in dieser kargen
Landschaft leben. Wie nur ist das möglich… es scheint unmöglich und doch ist es
möglich. Ich weiss es ja.
Ägyptens Lebensader |
Der Nil, Ägyptens Lebensader. Das breite grüne Band zieht elegante
Schleifen durch die Wüste nordwärts, wo es sich zuerst teilt und dann unspektakulär
ins Mittelmeer ergiesst. Der Nil schert sich überhaupt nicht darum, was die
Menschen mit ihm alles machen. Die Menschen dort unten rackern sich auf ihren
kleinen Feldern ab, versuchen mit den kärglichen Einnahmen die Mäuler von Vieh
und Mensch zu füllen. Sie dulden die Schikanen von Bürogummis, Polizisten,
Oligarchen und Vorgesetzten. Sie mucken nicht auf, sondern ducken sich duldsam –
wie seit Jahrtausenden.
Nordküste |
Wattebäuschchen verzieren den Sand mit dunklen Tüpfchen –
das Mittelmeer naht. Die Nordküste – westlich des Deltas, hinwärts zum
verzweifelten Libyen - ist ein weiteres
Ferienparadies mit traumhaften Stränden, kristallklarem Wasser und Hotelanlagen;
traumhaft wahrhaft. Dem Alltag entfliehen Alexandriner und Kairoer im Sommer
und scheinbar auch Europäer.
So über die Landschaft zu fliegen berührt mich zutiefst. Meine Gefühle und Gedanken fassen alles zusammen, was ich gehört, gelesen und erlebt habe. Ich
sehe die Menschen, die Politik, die Sorgen, die Freuden – nicht nur über
Ägypten. Das setzt sich fort über das Mittelmeer, wo ich an die
Bootsflüchtlinge denke, über Griechenland, den Balkan und die zauberhafte
Bergwelt der Alpen, wo ich Täler, Dörfer und Gipfel kenne.
Ach, ich wünscht‘ es gäb‘ all die Probleme da unten nicht
mehr, sondern nur Campari Soda und das Rauschen der Turbinen.
Das ist sehr anrührend. Ich wünsche Dir alles Gute.
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