Seit ca. zwei Jahren verschwinden Ägypter. Sie kommen nicht
mehr zurück vom Café, von der Strasse, vom Einkauf. Zehn Tage oder zwei Wochen
später tauchen sie – mit Glück – in einem Gefängnis auf oder die verstümmelte
Leiche wird in der Wüste oder in einem Leichenhaus „gefunden“. Manche tauchen
überhaupt nicht mehr auf und die Angehörigen verzweifeln.
Es sind junge Menschen, die sich „verdächtig“ gemacht haben,
weil sie fotografieren, diskutieren, zu Protesten aufrufen oder einfach, weil
sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Vielleicht haben sie auch „nur“
das Regime kritisiert, Tatsachen in Worte gefasst.
Während der letzten Wochen ist auch kritisch eingestellten
Ägyptern - Publizisten, Autoren, Professoren - die Einreise in ihre Heimat
verweigert worden.
Verdächtig machen sich auch Ausländer. Auch das kommt immer
wieder vor. Ausländer, die ausgezeichnet Arabisch sprechen, sich für die
Geschehen im Land interessieren und möglicherweise logischerweise Fragen
stellen – normal, oder nicht? Sie haben ägyptische Freunde, sie haben „Kontakte“.
Dies ist dem jungen Italiener Giulio Regeni zum Verhängnis
geworden. Der Cambridge Doktorand hat über Gewerkschaften recherchiert und
kritische Artikel veröffentlicht. Er ahnte, dass er in Gefahr war, denn er hat
auch unter einem Pseudonym publiziert. Ihm ist die gleiche Aufmerksamkeit
zuteil geworden, wie sie jeder „verdächtige“ Ägypter momentan erhalten kann:
spurlos verschwinden und mit Folterspuren leblos auftauchen.
Kein Wunder, schweigen jene, die etwas zu sagen haben. Sie
sitzen entweder bereits im Gefängnis, sind abgetaucht, haben sich ins Ausland
abgesetzt oder halten den Mund. Schweigen oder verschwinden. Es ist keine
wirkliche Wahl. Es erinnert mich an Argentinien. Oder an Chile. Oder an Mexico.
Früher oder später muss das eine Ende haben – die Geschichte zeigt es. Ein
Regime kann sich nicht ewig auf Furcht und Unterdrückung abstützen.
Wie lange dauert es noch?
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