Es war
Ostwind oder vielleicht sogar Südwind. Jedenfalls jene Windverhältnisse, die in
Ägypten seltener vorkommen und in Hurghada die Flugzeuge anders herum starten
lassen. Und die Luftfeuchtigkeit ans Land bringt. Und noch anderes mehr.
Ich war
surfen. Es hatte Quallen, wie im Frühling leider üblich. Die Schildkröte sah
ich auch, die tauchte ein paar Meter vor mir ab. „Ich bin Gast hier, es ist IHR
Wohnrevier,“ denke ich oft, wenn ich im oder auf dem Meer bin. Doch mit dem
Ost- oder Südwind steigt nicht nur die Luftfeuchtigkeit und die Quallen lassen
sich wie in Trance ans Ufer tragen. Schlimmer ist: aller Abfall, alles, was
versehentlich oder vorsätzlich ins Meer fliegt, rollt, fällt und geworfen wird,
kommt an Land zurück.
Grässlich. Im
wunderbaren Tiefblau des Roten Meers, auf, in und zwischen den wogenden Wellen
schwammen Holzplanken und Plastiksäcke, Plastikflaschen, Plastikgeschirr,
Plastikbecher, zerrissene Seile, einzelne Flipflops, Fetzen von Textilien,
Zigarettenstumpen, Fässer und immer wieder alle Art von Plastikteilen. Die zartlila
Quallen wirkten dazwischen wie mystische Fremdkörper.
Ich war
einen Moment lang schockiert. Ich ekelte mich. Nicht vor den Quallen, obwohl
ich beinahe Panik vor denen habe. Nein, ich ekelte mich vor dem Abfall und
schämte mich für all die Menschen rund um den Globus, die so achtlos mit
unserer Natur umgehen.
Wenn ich am
Strand beobachte, wie der Wind eine Plastikflasche oder eine Plastiktüte davontragen
will, stehe ich reflexartig auf und renne dem Ding nach.
Lächerlich.
Abfall –
ein Weltproblem
Es geht
nicht nur um diese Kleinteile, die ein Badegast achtlos am Strand liegen lässt
und vom Wind davongetragen werden. Es geht um all den Abfall, der bewusst oder
unbewusst in der Wüste, im Wald, in der Wiese, am Strassenrand, am Fluss, hinterm
Haus, vom Auto, vom Boot, von überall her überall hingeworfen wird. Damit denke
ich nicht nur an Ägypten oder andere Drittweltländer, sondern auch an die
sogenannten entwickelten Länder. Dort geschieht das auch, einfach etwas
weniger auffällig und fein verpackt. Hinter vorgehaltener Hand, quasi.
In
Drittländern wird alles gesammelt, zerteilt, repariert, wiederverwendet und
wenn es dann endgültig nutzlos ist, dann wird es entsorgt. Plastik macht eine
Ausnahme: es wird oft nicht mal verwendet (Plastiktüte) und schon gar nicht
repariert: es landet vom Geschäft direkt auf der Strasse, in der Natur, im Meer.
In den
fortschrittlichen Ländern wird der Abfall sortiert, gesammelt, zerteilt, wiederverwendet
– sofern es sich wirtschaftlich lohnt. Reparieren lohnt sich meist nicht. Und
vieles davon wird exportiert: Fahrzeuge, Elektronik, Möbel, Kleider,
hochgiftige Stoffe bis hin zum Atommüll. Oder gleich im Fluss, im See, im Meer,
im All versenkt.
Ist das nicht
eine Sauerei? Ein Betrug?
Ich finde
es noch schlimmer: es ist Mord. Mord an den Pflanzen und Tieren, welche die
Basis unseres Lebens sind. Ohne sie können auch wir nicht leben. Wer hat schon
mal diese beklemmenden Bilder von Vögeln mit Plastikteilen im Bauch gesehen?
Von Wasserschildkröten, die sich in Fischnetzen oder einem Plastiksack
verfangen haben? Nur der Mensch ist dumm genug, sich seine eigene Existenz zu
zerstören…
Etwa 70%
der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Früher oder später landet folglich
jedes Teil im Wasser, egal ob es dahin gehört oder nicht.
Als ich da
auf dem Surfbrett stand, überlegte ich mir, wie die Meere wohl in 30 Jahren
aussehen werden. Wahrscheinlich werden sie zu einer Kloake mutiert sein, in der
fast alles Leben erstickt ist. Schwimmen oder Wassersporttreiben werden wir in
künstlichen Wasserbecken mit künstlichen Korallen und künstlichen Fischen und
künstlichen Wellen und Winden.
Grässliche
Aussichten.
Muss das
sein?
Es ist ja
bewundernswert, wie es immer wieder „Reinigungstage“ gibt, an denen Freiwillige
mit Handschuhen und Abfallsäcken bewaffnet Inseln und Küstenabschnitte von
Abfall säubern. Auch Taucher machen dasselbe unter Wasser regelmässig.
Doch diese
Aktionen sind ein Tropfen auf den heissen Stein. Gemerkt haben das erst Wenige
und ihnen hört man nicht – noch nicht – zu.
Ist es
wirklich nötig, dass wir alles in Plastik verpacken? Ist es wirklich nötig,
immer eine neue PET-Flasche zu kaufen? Ist es wirklich nötig, dass wir kaufen
und wegwerfen und nichts mehr wieder-verwenden oder reparieren?
Was hat uns
das Konsumzeitalter gebracht? Mehr Glück? Mehr Zeit? Mehr Freude? Mag jeder
selber entscheiden. Ich bin mir jedoch sicher, dass es uns vor allem mehr
Abfall, ein riesiges weltweites Abfallproblem gebracht hat und dass die Lösung
dazu noch fehlt. Obwohl die Zeit drängt. Nur wegschieben, aus den Augen, aus
dem Sinn, exportieren und enddeponieren sind keine Lösungen.
Bis die da
sind werden noch viele Tonnen Abfall in den Meeren landen. Und irgendwann
werden wir die Konsequenzen davon spüren.
Nicht nur
beim Surfen bei Ost- oder Südwind am Roten Meer.
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