Warten I
Ich sitze am
Hauptsitz einer grossen, beinahe hundertjährigen Bank. Seit zwei Stunden. Die
riesigen Teppiche sind abgetreten und verschmutzt. Die Grünpflanzen stecken in
vertrockneter Erde. Die Rollläden in den beiden Sitzungszimmern hängen schief,
die Lamellen sind zerbrochen, liegen teilweise am Boden.
An mir
gehen weibliche Angestellte vorbei. Jede trägt ein Päckchen Papiertücher in der
Hand, manche noch eine Flasche flüssige Seife.
Sie gehen
aufs Klo. Dort gibt es weder Seife noch Toilettenpapier noch Handtücher. Nur
Wasser.
Ich weiss
es, weil ich auch dort war. Aus den zwei wurden nämlich fünf Stunden, auf
verschiedenen Stockwerken, in verschiedenen Abteilungen.
Und überall
tragen die weiblichen Angestellten ein Päckchen Papiertücher vor sich her…
Warum um alles in der Welt packen sie die nicht in die Handtasche, damit nicht
jeder sieht, was sie vorhaben???
Warten
II
Links und
rechts von mir schieben sich Fahrzeuge vorbei. Ich steuere mein Auto auch
vorwärts, versuche mit der Schieberei mitzuhalten. Schon seit über einer
Stunde. Seit ich von der Ringstrasse runter bin.
Vor mir
kriecht ein Fahrzeug mit schwarzen Scheiben und dem ägyptischen Wappen. Ein
hohes Tier – das im Auto, nicht das auf dem Wappen. Die mag ich nicht – nicht
die Wappen, sondern die verdunkelten Scheiben. Da sehe ich nicht, was davor
passiert. Fussgänger quetschen sich zwischen den schiebenden Fahrzeugen durch,
versuchen die Strasse heil zu überqueren. Eine ältere Frau in schwarzer
Galabeya und schwarzem Niqab bedeutet resolut mit einer Handbewegung „Halt,
lasst mich durch!“ Ich bewundere sie. Es funktioniert nämlich.
Zwischen
den am Strassenrand parkierten Autos und der stehend-fahrend-schiebenden
Dreier- oder Viererkolonne, die manchmal zu einer Zweierkolonne
zusammengequetscht wird, schiebt ein junger Mann seelenruhig einen Behinderten
im Rollstuhl. Mein Gott.
Eine ältere
Frau mit leblosem oder bewegungslosem Kind – oder ist es eine Puppe? – bettelt
jeden Fahrzeuglenker um Almosen. Mir wird elend ob all dem Elend.
Kellner tragen
wagemutig Tablette mit Tee oder Kaffee von einer Strassenseite auf die andere,
kunstvoll die Getränke balancierend, den Fahrzeugen ausweichend, Konfrontationen
mit Fussgängern vermeidend. Ein Kunststück unter Lebensgefahr.
Warten
III
Wieder ein
Taxifahrer von Careem (einem Fahrdienst mit App, wie Uber). Er ist neu. Er
kennt sich nicht aus. Mein Pech. Immer wieder guckt er im GPS auf die Adresse, die
ich ihm angegeben habe. Viermal fragt er auf der Strasse: Polizisten,
Fussgänger. Wir fahren mehrmals rund ums Quartier, an herrlichen
neoklassizistischen Gebäuden vorbei. Das hätte ich auch gekonnt, dazu brauche
ich kein Taxi. Nur hätte ich die Gebäude dann nicht bewundern können. Aber ich
kenne sie ja schon, vom letzten Versuch mit diesem Taxidienst…
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