In den
Jahren, die ich in dieser Weltgegend verbracht habe, hat sich meine Meinung
über Religion geformt. Nein, nein! Darüber schreibe ich nicht. Ich finde, jeder
soll für sich selbst seine Form von Religion finden – oder eben nicht. Nur soll
sie mir niemand aufzwingen.
Doch genau
das kommt hier immer wieder vor und daraus ergeben sich manchmal witzige
Situationen.
Religiöse
Segregation
Bei meinem
ersten längeren Aufenthalt in Alexandria gab man mir zu verstehen, dass ein gläubiger
Muslim keiner Frau die Hand geben dürfe. Ich fühlte mich verwirrt, wusste nicht
mal recht, ob ich mich vor den Kopf gestossen fühlen sollte oder nicht. Eine
andere Kultur? Muss wohl sein. Komischerweise hat der Ehemann meiner Bekannten
mit der Zeit eine Ausnahme gemacht und mich per Handschlag begrüsst! Ich war in
die Familie aufgenommen worden, wurde zu Festen eingeladen und erhielt
Geschenke.
Genauso
seltsam empfand ich die Vorgabe, dass sich ein Lehrer mit einer Studentin (und
umgekehrt, natürlich auch) nicht alleine im Klassenzimmer aufhalten dürfe: Die
Türe musste offen bleiben. Ich sagte mir damals „Andere Länder, andere Sitten“
und schüttelte den Kopf darüber. Soziale Normen widerspiegeln Werte und Denken
einer Gesellschaft. Fallen denn Männlein und Weiblein übereinander her, sobald
die Türe zu ist? Was für seltsame Werte…
Jeder
interpretiert anders
In meinem
Umfeld in Hurghada werde ich selten mit so krassen Normen konfrontiert. Es
kommt aber doch vor. Da hat einer meiner Studenten jeweils sein Rucksäckchen
liebevoll und sanft aufs Sideboard gelegt, nicht an den Stuhl gehängt oder auf
den Boden gestellt. Ich fand das komisch und fragte irgendwann nach dem Grund. Die
Antwort: „Mein Koran ist drin“. Und den darf man nicht auf den Boden legen,
selbst wenn der Boden sauber ist (soziale Normen widerspiegeln Werte und
Denken einer Gesellschaft – auch meiner!). Nein, das gehe aus Respekt nicht! Da
wusste ich nicht, ob ich nun lachen oder ernst bleiben sollte. Sicherheitshalber
schwieg ich.
Dieser Mann
hat den Bogen aber überspannt. Er lud mich zu einem „Kaffee“ ein. Für mich
heisst das „etwas trinken und quatschen“. Er nahm eine Stunde Busfahrt bis zu
mir auf sich. Das war mir recht, so musste ich nicht in die Stadt. Während ich
die Menükarte in unserer Trattoria studierte, plapperte ich vor mich hin „Wein
oder doch ein Bier?“. Er meinte dann, ob ich nicht lieber einen Tee trinken
wolle? "Nein, sicher nicht, ich trinke tagsüber literweise Wasser und Tee und
abends ein Glas Wein oder ein Bier." Der gute Mann erwiderte dann völlig
entsetzt „But I can’t pay you a beer!“ (übersetzt: aber ich kann dir kein Bier
bezahlen!). Ohne zu überlegen erklärte ich, dass ich das auch selber kann.
Ich
entschuldigte mich, um rasch in die Wohnung hinauf zu gehen; ich wollte den
Mückenspray holen, bevor mich die Mücken attackieren würden. Als ich zurück kam, stand
mein kleines Bierchen einsam und verloren auf einem der Tische… Der Mann sass in sicherer Distanz an einem anderen Tisch. Erstaunt fragte ich, warum er denn
plötzlich dort sitze.
Er meinte,
er könne nicht mit mir an einem Tisch sitzen, wenn ich Alkohol tränke. Er schob
nach: „Das ist verboten.“
Was???
Ich müsse
das doch respektieren…. „Ja, aber nicht akzeptieren,“ hörte ich mich sagen. „Das
ist ja lächerlich!“, rutschte mir heraus. Ich bezahlte – auch seinen Espresso –
und stürmte davon. Na sowas!
Nachtrag:
Der gute Mann arbeitet als Tauchlehrer, sieht sich also täglich halb nackten Touristinnen
ausgesetzt, die Alkohol trinken. Ach du Schreck!
Da habe ich
Bekannte, die trinken Alkohol, rauchen Haschisch und sind gläubige Muslime. Da
gibt es solche, die meinen, Alkohol zu berühren (nicht zu trinken!) wäre ein
Schwerverbrechen. Einer brachte mir mal eine Rum-Schokolade (es war kein Rum
drin, nur Rumaroma), in Alufolie eingewickelt; er entwickelte die Tafel, als ob
sie Gift enthielte…
Jeder
interpretiert hier wohl frei nach Schnauze oder so, wie es ihm eingebleut
worden ist. Ich staune. Immer wieder von Neuem über die Vielfalt der bunten
Blüten…
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