Mein Auto habe
ich auf dem Parkplatz gelassen und gehe gemütlich die letzten 500m zum Strand.
Allerdings nicht der Promenade entlang, sondern hinten rum, wo sich um diese
Jahreszeit auch am späteren Vormittag noch Schatten findet.
Ein junger
Mann kommt mir entgegen. Einer wie alle diese jungen Kerle, welche als Produkt
der Bevölkerungsexplosion inzwischen die erschreckende Mehrheit der Bevölkerung
ausmachen: austauschbar in Jeans, T-shirt, Baseball-Mütze und Turnschuhe
gekleidet. Millionen gibt es von ihnen und wenn sie nicht studieren oder krampfen
müssen, lungern sie rum: in Cafés, am Strassenrand, vor Häusern und Geschäften.
Der hier geht an
mir vorbei, nicht aber ohne mich innert Sekunden zu taxieren und klassieren.
Macht nichts, ich freue mich aufs Schwimmen und steuere zwischen den Alt-Kairo
nachgeahmten Häusern an die Promenade und zum leeren Strand. Dort lass ich
meine Tasche stehen und wende mich dem Meer zu. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Kerl an der Promenade. Läuft der mir nach?
Die Fische
unter mir lassen sich in ihrem Treiben überhaupt nicht stören und ich ziehe
meine Längen und Kurven. Irgendwann fällt mir ein, dass ich mal einen Blick in
Richtung meiner Tasche machen könnte. Die steht noch dort. Und der junge Kerl
in seinem schwarzen T-Shirt hockt darüber auf dem Mäuerchen!
Ha, denke
ich, und grinse vor mich hin. Lust, mich zu ärgern habe ich nicht; und Angst um
meine Wäsche und das alte Handy ebenfalls nicht. Was will er?
Wenn er was
will, muss er Geduld haben, denn so bald lass ich das blaue Wohlfühlelement
nicht hinter mir. Zwischendurch gucke ich hinüber: mal sehe ich ihn nicht, mal
sitzt er weiter rechts. Er gibt also nicht auf.
Der Sand
brennt unter den Füssen, als ich zu meiner Tasche renne. Der junge
Kerl hockt oben und tut, als ob er mit seinem Handy beschäftigt wäre. Gut so.
Ich bin auch beschäftigt: mein Handtuch herausziehen und über meine Schultern
legen, einen grossen Schluck Wasser trinken, die Sonnenbrille aufsetzten, einen
Anruf auf meinem Handy feststellen... Und dann packe ich meine Tasche und gehe
hinaus an den Strand und lass mich dort nieder. Ohne den Typen eines Blickes zu
würdigen.
Als ich
eine Weile später nochmals zum Mäuerchen gehe, ist er weg. Doch während ich
mich trocken anziehe, bleiben meine Augen auf frischem Gekritzel auf dem
Mäuerchen hängen: ein paar Worte, eine Telefonnummer...
Ach wie
armselig. Gibt es Frauen, die es nötig haben, auf diese Art einen Typen
aufzugabeln? Nicht direkt anreden getraut er sich, was für eine Pfeife. Gut,
viel Chancen auf wenigstens ein paar freundliche Worte hätte er bei mir eh
nicht gehabt.
Wie
verkrampft geht das in diesem Land zu.
Die Entfremdung der Geschlechter voneinander ist in vielen konservativen Kulturen Programm. Entsprechend sozial verkümmert sind die Fähigkeiten sich zivilisiert einander anzunähern. Das ist zunehmend auch in Europa der Fall. Die "generation head down" - induziert durch süchtig machende neue Medien und gesellschaftlich gefördertes asoziales "distancing" gibt jeder natürlichen und kommunikativen Kultur den Todesstoss. Freilich hoffe ich Unrecht zu behalten, ich möchte garnicht so negativ reden, aber wer mit offenen Augen durch die Welt geht kann sich davor nicht verschliessen.
AntwortenLöschen