Als ich im Juli einige Tage in Luxor zu tun hatte, bin ich an einem Spätvormittag durch die Bazarstrasse geschlendert. Ich mag diesen Bazar eigentlich. Eine Holzkonstruktion über der engen Gasse spendet Schatten. Die Waren werden auch von Einheimischen gekauft. Je weiter man geht, umso eher findet man nicht nur Souvenirs, Schmuck und Schals, sondern auch Stoffe. Dahinter schliesst sich dann der Obst-und Gemüsemarkt an.
Was ich nicht
mag, ist das lästige Verhalten der Verkäufer dort. Drum eben Spätvormittag.
Prompt waren noch
viele Geschäfte zu und das störte mich gar nicht. Ich schlenderte an den
rundlichen Frauen vorbei, die gemütlich plaudernd die ganze Breite der Gasse
vereinnahmten. Einige Souvenirverkäufer versuchten ihr Glück bei mir, mit dem
ewig gleichen Ramsch, der nicht mal in Ägypten hergestellt wird. Das
Schmuckgeschäft, wo meine Mama vor Jahren was gekauft hat, hatte auch noch zu.
Die Atmosphäre gefiel mir, nach den Tagen im Hotel tat es mir wohl. Mein Blick schweifte ziellos über die Aufschriften auf den Geschäftstafeln und blieb bei einem hängen: In schön geschwungenen, blauen Buchstaben auf goldenem Grund las ich eine französische Beschreibung. Neugierig näherte ich mich dem Eingang um zu sehen, was da angeboten wurde.
Wie aus dem
Nichts stand plötzlich ein älterer, schmächtiger Mann mit schütteren, weissen
Haaren neben mir. Er war mindestens ein halber Kopf kleiner als ich. Mit einem „Bonjour!“
begrüsste er mich. Seine feinen Lippen zeichneten ein Lächeln. Seine Augen
blickten mich prüfend an. Ich war erstaunt. Französisch?
Er lud mich in
das kleine, unbeleuchtete Geschäft ein. Tee? Nein danke. Zigarette? Nein danke.
An den Wänden stapelten sich in Regalen wunderschöne, handgewobene Schals. Da
und dort hingen Schals herunter, andere lagen zusammengeknäuelt übereinander. In der Ecke stand ein Diwan, auf den mehrere
Schals achtlos hingeworfen worden waren. Dazwischen lagen Plastiksäcke. Einige
riesige Unordnung. Wie schade.
Wir plaudern ein
wenig. Der Mann ist Ägypter, aber das sieht man überhaupt nicht, seine Haut ist
schneeweiss. Er hat viele Jahre in Holland gelebt und ist vor ein paar Jahren
zurückgekommen. Auf der Westbank drüben werden seine Schals gewoben. Aber jetzt
steht alles still. Er verkauft hier praktisch nichts, aber einiges geht in den
Export nach Europa.
Der zierliche Mann wirkt hoffnungslos, verloren. Ob er es nicht bereue, zurückgekommen zu sein? Er blickt mich ernst durch seine Brille an und antwortet: „Das Leben ist nicht einfach. Dort muss man viel arbeiten, aber das Leben ist gut. Hier muss man auch viel arbeiten...“
Voreilig will ich den Satz für ihn beenden: „…, aber
das Leben hier ist nicht gut.“ Er weicht mir aus, sein Blick will mir
zustimmen, aber seine Worte widersprechen mir. Später fügt er noch hinzu, dass
wir in Hurghada doch immerhin mehr Freiheiten hätten. Ich denke mir den Rest
dazu: stockkonservativ, traditionsbeladen, von Religion, Sippen und fehlender
Bildung eingeengt. Grauenhaft. Er hat in Holland gelebt - welch Gegensatz!
Ich kann ihn
nicht vergessen. Seine Postur, seine schütteren, weissen Haare, sein Blick, die
Unordnung in seinem kleinen Geschäft… sie sind für mich Sinnbild für den
Zustand des Landes.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.