Es ist Mittag. Mitten im Fernunterricht klingelt mein Handy: die Hausverwaltung. Da muss ich ran, denn wenn die anrufen, ist es meist entweder unangenehm oder dringend. Oder beides zusammen.
Tatsächlich: Ich
soll sofort mein Auto umparken. Kann ich nicht, will ich nicht, bin ja mitten
im Unterricht. Also sag ich: „in einer halben Stunde.“
Kaum habe ich das Handy aus der Hand gelegt und mich bei meinem Studenten für die Unterbrechung entschuldigt, klingelt es wieder, diesmal aber an der Tür.
Unmut steigt in
mir hoch. Ich entschuldige mich nochmals bei meinem Studenten und geh zur Tür:
Ich soll meinen Autoschlüssel abgeben. Zum Umparken. Nein, mache ich nicht.
Niemand kriegt meinen Autoschlüssel. Da es sich offenbar um eine absolut
dringliche Sache geht, entschuldige ich mich zum dritten Mal bei meinem
Studenten und erkläre ihm, dass ich schnell mein Auto umparken muss.
Stinksauer
inzwischen, erkläre ich meinem Studenten danach, was da los ist.
Die wollen
Lampenpfosten einbetonieren. An der Strasse wird schon seit sechs Jahren (oder
sieben oder sogar acht, jedenfalls gefühlt ewig) gearbeitet. Fertig ist sie
noch immer nicht, man kann zu Fuss einfach fast nicht mehr gehen, ohne sich beinahe
den Knöchel zu brechen, weil beim letzten Einsatz der Maschinen faustgrosse
Schottersteine sorgfältig verteilt wurden. Ganz zu schweigen von den unzähligen
Gräben und Löcher, die wieder lausig zugeschaufelt wurden und jeden Autofahrer
zwingt, im Schneckentempo zu fahren. Gegraben und gebort wird allenthalben für allerlei
Leitungen und deren Brüche. Beides kommt regelmässig vor, aber immer
zeitversetzt. Also ich meine, es wird gebort, aber nicht zugeschaufelt. Oder eine
Leitung wird gelegt und es wird zugeschaufelt, aber die Leitung ist dann schon
kaputt. Also wird zeitlich versetzt wieder geschaufelt. Und so weiter und so
fort. Und jetzt liegen alle zwanzig Meter dunkelrote Lampenpfosten da und
warten darauf, aufgerichtet zu werden. Das mit den Gräben sage ich meinem
Studenten nicht, das weiss er ja selbst, das ist nur für euch Leser.
Ich frage meinen
Studenten, ob denn hier nicht jemand die Arbeit am Vortag plane, mit Anzahl
Arbeitern, Material, Uhrzeit, Dauer, Transportmittel usw.? Die müssen ja
wenigstens wissen, mit wem sie am nächsten Tag unterwegs sind, welchen Auftrag
sie ausführen möchten, welches Material sie dazu benötigen und wann das
erfolgen soll? Ich denke, da muss sich ja ein Vorarbeiter – hier ein „Ingenieur“
- ein paar Gedanken dazu machen. Dann kann er oder wer auch immer die Anwohner informieren,
dass die Autos weg müssen. Und ich schliesse mit den Worten: „Du bist doch auch
Ingenieur, machst du das denn nicht auch?“
Wie falsch ich
mit meinen lauten Überlegungen wieder mal bin, wird mir erst bewusst, als er
schallend lacht und sagt: „Das kann hier nicht jeder Ingenieur!“
Ich guck ihn an
und weiss nicht, ob ich entsetzt sein oder lachen soll.
Aber eigentlich
weiss ich es ja. Hier wird nicht geplant. Irgendeiner in einem Büro gibt den
Befehl, sofort Lampenpfosten aufzustellen. Dann geht irgendeiner irgendwann in
jene Strasse, wo Taglöhner auf einen Einsatz warten. Die billigsten zwei werden
dann rausgesucht. Die kriegen dann noch einen Sack Zement und werden zum Ort
des Geschehens gekarrt. Dort bleiben sie dann und werkeln rum, machen Pause,
werkeln ein bisschen weiter und werden dann irgendwann wieder abgeholt.
Keine Planung,
kein Vorausdenken, kein Verantwortungsgefühl. Nichts. Drum ist das Land in so
einem desolaten Zustand.
Übrigens: Die
Lampenpfosten wurden erst kurz vor Sonnenuntergang einbetoniert. Und leuchten
tut auch zwei Monate später noch keine von den silbrig bemalten Lampenpfosten. Aber
dringend war’s.
Ach ja, früher hätte ich gesagt, hier ist das ganz anders ... heute haben wir auch ein bisschen Ägypten in Deutschland, nur mit ganz ganz schlechtem Wetter ...
AntwortenLöschen