Zu der musste ich, seit ich Wohnungsbesitzerin bin, öfter hin. Genau genommen ist es das Unternehmen, das für das Trinkwasser zuständig ist. Für das Abwasser ist ein anderes zuständig.
Früher, als Mieterin, musste ich mich ja wirklich um nichts
kümmern. Ich musste Miete zahlen und überteuerte Wasserrechnungen begleichen.
Anfangs auch überteuerte Stromrechnungen, bis dann das Kartensystem eingeführt
wurde.
Da der Besitzer unserer Wohnungsanlage ein unguter Geselle
ist, wollte ich mich selbst informieren. Darüber möchte ich mich hier noch
nicht äusseren, sondern es geht mir mehr um unerwartete Begegnungen.
Vergeblich, aber erfreut
Ich wusste bereits, dass die Büros auch am Samstag geöffnet sind. Also fuhr ich wiedermal in jenes Viertel, suchte für mein Auto ein halbwegs schattiges Plätzchen am Rande eines dieser schäbigen Wohnhäuser oder unter ein paar hervorstehenden Palmwedeln. Jeder Schatten ist im Sommer willkommen, lieber gehe ich ein paar Meter weiter.
Doch zu meiner Verwirrung war die Türe, durch die ich das
erste Mal zu den Büros gelangte, geschlossen. Heute war doch Samstag, oder? Ich
schaute mich um und entdeckte Hundert Meter weiter eine andere Türe, wo zwei
Männer heraus lugten. Ich ging hin und fragte, warum die Wasserfirma zu sei.
„Feiertag“, war die simple Antwort.
Ja, aber, sie würden ja arbeiten! Ich fragte, was denn für
ein Feiertag wäre. Mir fiel dazu nämlich nichts ein.
„Revolution“, war die erneut simple Antwort.
Ich dachte, er wollte nicht mehr sagen, weil er davon
ausging, dass ich es eh nicht verstehen würde. Warum also viel Aufwand für die
Ausländerin betreiben und langatmige Erklärungen über Ägyptens viele Feiertage
abgeben?
Also bedankte ich mich, drehte mich um und stieg die wenigen
Stufen zum Sand hinunter. Doch plötzlich drehte ich mich und hörte mich fragen:
„Welche Revolution denn?“ Ich grinste breit. In meinem Kopf arbeitete es rasend…
so viele Revolutionen und doch keine wahre Freiheit… ein Volk, das immer von
anderen ausgenommen wurde und…
Der Mann grinste zurück und noch bevor ich etwas sagen konnte,
schoss mir durch den Kopf „1952“. Gleichzeitig purzelte die Jahreszahl auch schon
von meinen Lippen.
Darauf folgte ein arabischer Wortschwall, den ich vielleicht
so deuten könnte: „Oh, Sie wissen das, welche Überraschung! Sie sind schon eine
richtige Ägypterin! Willkommen!“
Was ich natürlich mit einem „niemals“ und einem Lachen quittierte.
Über diese lustige Begegnung vergass ich dann tatsächlich,
dass ich mal wieder vergeblich früh aufgestanden war, um früh auf einer Amtsstelle
zu sein, und fuhr fröhlich lächelnd nach Hause.
Überrascht und erfreut
Einen weiteren Besuch stattete ich dem Ort heute ab. Ein
bisschen Schatten für mein Auto hatte ich ergattert, die Türe am Ende der
langen Mauer stand offen, so marschierte ich guten Mutes hinein.
Die Büros waren praktisch verweist, was mich zuerst stutzen
liess. Aber die Chefin sass mit einem weiteren Mitarbeiter im Büro und
bedeutete mir, einzutreten. Ich kannte sie schon von meinem letzten Besuch und
hatte sie damals schon überaus sympathisch gefunden.
Ich brachte mein Anliegen vor, sie diskutierten heftig und
ihr Mitarbeiter übersetzte mehr oder weniger. Mir fehlten die Schlüsselwörter
und ich nahm mir zum x-ten Mal vor, wieder an meinem Arabisch zu arbeiten. Der
Mitarbeiter liess uns dann plötzlich allein, weil doch noch ein paar Kunden gekommen
waren. Ich bedankte mich und wollte mich verabschieden.
Doch zu meiner Überraschung bat mich die Chefin, doch
nochmals Platz zu nehmen. Sie bot mir ein Getränk an, das ich – wie fast immer –
dankend ablehnte (Ich mag keine Süssgetränke, keine Tees und Kaffees zu diesen
Tageszeiten und Wasser trinke ich so schon mehr als genug). Sie wandte sich mir
zu und ich spürte: Jetzt geht es nicht mehr um Wasseranschluss, Registration
und Betrug.
Vor mir sitzt eine aparte, sehr gepflegte, dezent
geschminkte Dame, etwa in meinem Alter. Ihr schmaler Körper ist unter einer hellgrauen
Kostümjacke versteckt, ihr Schleier sorgfältig mit Nadeln befestigt.
Sie kratzt ihr Englisch zusammen, ich mein Arabisch, und
plötzlich meint sie, ob ich denn vielleicht mein Arabisch verbessern wolle?
Klar, ich sollte schon lange…
In dem Moment kommt ein Kunde und bringt sein Problem vor.
Die Chefin bittet mich zuzuhören und erklärt mir anschliessend, was der Kunde
erzählt hatte. (Wie an anderer Stelle erwähnt, Diskretion gibt es hier nicht).
Der Mann hatte kein Wasser – wir haben momentan fast 40°C! Er wollte einen
Tankwagen bestellen. Aber die Wasserfirma hatte keinen. Die Lösung: Der Mann
musste privat einen Tankwagen auftreiben und würde nur die Wasserfüllung
bezahlen.
Sie erklärt mir, dass die Firma genau 50 Tankwagen hat,
davon aber eine Reihe kaputt ist.
Kurz darauf kommt ein stämmiger, dickbärtiger Mann herein.
Auch er hat ein Problem: Sein Vermieter erstellt Fantasierechnungen für den Wasserverbrauch.
Zum Beweis hat er den Stand des Wasserzählers fotografiert. Die Chefin gibt ihm
eine Telefonnummer; dort würde jemand zu ihm kommen und die Angelegenheit
regeln.
Dann sind wir wieder einen Moment allein. Sie fragt mich,
was ich über Ägypten denke. Hmm. Die Frage kommt immer wieder und je nach
Gegenüber finde ich das ein heikles Thema. Allzu schnell könnte ich mein
Gegenüber verletzen, kränken und in einem dicken Fettnäpfchen oder Schlimmerem
landen. So antworte ich vorsichtig und gleichsam ehrlich: Ägypten ist ein sehr
schönes und reiches Land, aber…
... aber…. – echot sie mich nach und wir lächeln uns an. Das
Eis ist gebrochen. Wir reden über Korruption und wie alle darunter leiden und
somit erhalte ich auch die indirekte Antwort, weshalb die Firma nur 50
Tankwagen zur Verfügung hat und davon ein Teil ausser Gefecht ist.
Nach einer Weile tauschen wir Telefonnummern aus und vereinbaren,
dass wir uns mal auf einen Kaffee treffen.
Und wieder fahre ich fröhlich von dannen.
Es sind diese unerwarteten Begegnungen, die so herzlich und
herzerfrischend sind, die meinen Alltag hier versüssen, die ich liebe, die mir
Spass und Freude bereiten und von denen ich nicht genug kriegen kann. Sie tun mir so unbeschreiblich gut, sie zeugen von Menschlichkeit, Herzlichkeit und Wärme.
Ich freue mich schon auf das Treffen mit der Wasserchefin 😍
Hallo Alexandra, danke für dias Teilen deiner erneut grandios geschrieben Erlebnisse! Nur eines nimmt mich noxh stark Wunder 🤪 konntest du den dein Problem schlussendlich noch anbringen und lösen?
AntwortenLöschennein, ich habe noch keine Lösung
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