„Nein, ich
faste nicht, ich sehe auch keinen Sinn dahinter“, war meine Antwort auf die
Frage, ob ich es schon mal ausprobiert hätte oder ausprobieren wollte. Der
Fragesteller, ein untersetzter Mann mittleren Alters, fastet. Aber er ist einer
von jenen, die den „einfachen“ Weg gehen. Er arbeitet am Tag nicht, sondern
schläft. Das ist nicht die Idee vom Fasten im Ramadan, aber viele tun es ihm
gleich. Zu hart ist es, knapp vierzehn Stunden am Tag nichts zu essen und
nichts zu trinken. Bei Temperaturen von 35°C bis 40°C.
Ich kenne
medizinisches Fasten. Da wird gar nichts gegessen. Eine Woche lang, zwei Wochen
lang. Nur flüssige Nahrung wird aufgenommen, zuerst Suppen, dann noch Säfte.
Hier im Ramadan wird aber nachts zugelangt, worauf man am Tag verzichtet hat.
Ist das Fasten? Und gesund soll es sein, bei diesen Temperaturen nichts zu
trinken? Ich bezweifle das. Aber schlussendlich ist es nicht mein Entscheid,
sondern ich gucke nur zu.
*****
Die
Zehnjährige fastet teilweise. Wie viele Kinder hat sie ständig irgend etwas in
den Händen und im Mund, meistens den Füller oder den Bleistift. Heute stopft
sie sich gedankenverloren zerbröckelten Radiergummi in den Mund – und spuckt
ihn sogleich aus. Wir lachen beide: „Ich hab grad vergessen, dass ich ja
eigentlich faste.“
*****
Ihre kleine
Schwester, zwei Jahre jünger, fastet auch schon teilweise. Als ich zu ihr
komme, erklärt sie mir bedeutungsvoll, dass sie heute faste. Und deshalb sei
sie müde und nicht willens, sich zu konzentrieren. Genauso ist es und sie
stopft sich gedankenverloren Papierschnipsel in den Mund. Ich grinse und sie
sieht mich verlegen an, grinst dann auch und meint: „Oh, ich faste ja!“
*****
Amr, der
Kellner hier, der immer gut drauf ist, wenn Gäste da sind und mir bei meinem
Expresso oft das Gesicht hinter der Animatoren-Maske zeigt, ist glücklich.
Glücklich, weil er durch das Koran-Lesen im Ramadan ganz nahe bei Gott sei. Ich
sehe es ihm an – er ist in einer anderen Dimension. Eine Weile grüble ich
darüber nach und finde dann die Erklärung… es ist wohl wie meditieren.
*****
S., der
Leiter einer Bankfiliale ist recht übergewichtig und hat mir schon ein paar Mal
anvertraut, er würde gerne abnehmen. Doch er liebt italienische Küche über
alles: vom Tiramisù über im Öl getränkte Pasta. Er fastet auch tagsüber. Er hat
ein Gedächtnis wie ein Computer. Er ist immer pünktlich. Ausser jetzt. Denn wenn
er dann endlich essen darf, isst er so viel, dass sein Körper nicht will, was
sein Hirn befiehlt. Der Geist ist willig – das Fleisch ist schwach.
*****
Der junge
Muslim mit rundem Bauch – wenn er Sorgen hat, stopft er sich voll – fastet nicht.
Er sieht keinen Sinn dahinter. Seine Arbeitskollegen nennen ihn deswegen Juden.
Er sieht sich als Atheist. Mutig, finde ich.
*****
Laut
rezitiert der Bazaar-Wächter aus dem Koran. Als ich vorbeimarschiere, sieht er
auf, guckt mir nach. Hmm – er scheint voll konzentiert zu sein, aber nicht auf
seine Rezitationen, die er mit schöner Stimme vorträgt. Als ich am Rückweg
wieder an ihm vorbeimarschiere, sieht er auf, mir direkt in die Augen. Spontan
rutscht es mir auf Arabisch heraus: „Konzentrier dich auf deinen Koran, nicht
auf die Frauen.“ Ja, das mache er ja, beteuert er mir dienstbeflissen…
*****
Einem
Freund habe ich gestern geklagt: „Alle riechen unangenehm, egal, ob sie am
Morgen, vor dem Fastenbrechen oder danach kommen. Hoffentlich ist das bald
vorbei!“
Warum das
so ist, weiss ich eigentlich auch nicht. Duschen, Seife und Deo sowie frische
Kleidung ist ja nicht verboten.
*****
Die Hälfte
haben wir, nur noch zwei Wochen vor uns und der Ausnahmezustand ist vorbei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.