Mittwoch, Mai 06, 2020

Blick zurück ins 2020 (Teil II)


(Es geht weiter mit meinem fiktiven Rückblick 😉)

Da bin ich wieder. Also die letzten fünf Jahre waren sehr bewegend. Viele von uns haben wohl Höhen und Tiefen erlebt, sahen den Sinn nicht mehr. Die Ungewissheit und die Machtlosigkeit zehrten an unserer Motivation und unserer Energie. Trotz allem fand ich diese Zeit extrem interessant und spannend, denn so vieles hat sich verändert.

Interessant zu beobachten war der Zerstörungskampf der Giganten der Erdölförderer. Sie haben sich regelrecht zerfleischt. Fracking liegt seit Herbst 2020 still, lohnt sich nicht mehr und wird wohl auch nie mehr ein Thema werden. Erdöl wurde erst im Laufe des Jahres 2023 wieder auf tiefem Niveau gefördert. Der Nachfragerückgang und ökologische Überlegungen sowie das riesige Überangebot hatten dazu geführt, dass während beinah drei Jahren kein Rohöl mehr gefördert wurde. 


Im Sommer 2020 begann man hastig auf riesigen Flächen Erdöltanks zu errichten, um das nicht benötigte „schwarze Gold“ zu lagern. Erdöltanks stehen seitdem überall dort, wo Erdöl gefördert, transportiert, raffiniert und (theoretisch) gebraucht wird. Oder einfach da, wo günstiges Brachland zur Verfügung stand: in verlassenen Dörfern, auf ungenutzten Flughäfen, Industrieruinen und verseuchten Böden, in verlassenen Olympia-Stadien, und in unwirtlichen Klimazonen. Ob die Tankinhalte je mal wieder eingesetzt werden?

Welchen Schaden dieser Einbruch jenen Ländern zugefügt hat, die mehrheitlich von diesem Rohstoff lebten, ist schwer vorstellbar. In Kombination mit dem Stillstand im Tourismus, der Abwanderung von Billigarbeitskräften und gebildeten Ausländern, fehlender Bildung und da und dort bestehendem Hochmut der Einheimischen ist vor allem in den arabischen Ländern eine explosive Stimmung entstanden. Plötzlich mussten die Herren selbst Hand anlegen. Plötzlich gab es keine staatlichen Zuschüsse und Vorzüge mehr. Plötzlich fehlte es an allem, was die Prinzen und ihr Gefolge einst als selbstverständlich hinnahmen. Zaghafte Forderungen nach staatlicher Hilfe wurden sofort und ohne Skrupel im Keime erstickt. Von den Machtkämpfen in den Palästen dringt wenig nach draussen.

Inzwischen verfallen viele der Protzbauten und Vorzeigeobjekte, da es an finanziellen Mitteln und Wissen fehlt, sie zu unterhalten und zu betreiben. Viele Araber haben sich auf ihre Wurzeln besonnen und sich in die Wüste zu ihren Clans zurückgezogen. Andere versuchen mit alternativem Tourismus über die Runden zu kommen: Statt Luxus Ursprünglichkeit in Beduinenzelten, statt teuren Boutiquen der Duft von Kameldung. Weder erkaufte Fussball-WM, Formel 1 noch WTA-Tennisturniere; lediglich Pferdezucht und Pferderennen haben die Krise überstanden. Da steckt ja auch einheimisches Knowhow drin. Viele Leute sind jedoch verarmt und versuchen in Ägypten, Libyen und in der Türkei als Hausangestellte oder Handlanger ein Auskommen zu finden oder wandern nach Asien aus. 

Die positive Nachricht ist: Im arabischen Raum gibt es keinen Krieg mehr. Kein Geld, keine Waffen, kein Krieg. Sogar die angehäuften Goldberge wurden in dieser Zeit abgetragen und für den Import von Lebensmitteln, Maschinen und Ersatzteilen verwendet.

Der andere Gegner in diesem Machtkampf ums Erdöl steht auch schön im Regen. Mit dem Zusammenbruch auf dem Erdölmarkt kam auch der Zusammenbruch des Regimes. Diesmal scheint es endgültig zu sein. Die Russen sind jedenfalls auf bestem Weg, sich in eine Union von demokratischen Teilstaaten zu entwickeln. Ich mag es denen gönnen, wenn sie sich endlich von ihrer Jahrhunderte dauernden Unterdrückung befreien könnten.

Noch eine Region hat von davon profitiert: In Syrien und im Irak gilt seit drei oder vier Jahren ein Waffenstillstand. Seit gut einem Jahr wird anscheinend ein Friedensplan ausgearbeitet. Die Kurden sind noch immer zerstritten, aber sie haben kapiert, dass sie ohne Öl chancenlos sind und sich zusammen raufen müssen, wenn sie jemals einen eigenen Staat haben möchten.

Dass wir im Westen trotz tiefem Preis viel weniger Erdöl brauchen, haben wir auch diesem Virus zu verdanken, bzw. den Massnahmen unserer Regierungen. Aber davon später.

Tourismus
Mein Lieblingsthema. Da weltweit die Grenzen dicht waren, war natürlich auch nichts mehr mit Reisen. Während einiger Wochen wurden in medienwirksamen „Repatriierungsflügen“ Hunderttausende von Menschen in ihre Wohnsitzstaaten gebracht. Danach blieb der Himmel längere Zeit (mit Ausnahme von Frachtflügen) leer. Der Natur tat das wohl.

Den Anbietern im Tourismus nicht. Im Frühling 2020 hofften viele noch, sie könnten im Sommer oder Herbst doch noch ihre Flugreise antreten. Die Hoffnung schwand mit jeder Woche, wie der Schnee in den Alpen. Als die SWISS meldete, dass sie einige ihrer Fluggeräte nach Jordanien zum Parkieren flogen, war ich entsetzt. Innerlich verzagte ich über die Situation. Die Betriebsökonomin in mir erklärte aber sofort: Fixkostenreduktion. Die Verzagte reagierte: Der Überflug so vieler Maschinen kostet immens viel Geld – also rechnet die SWISS mit einem längeren Einbruch. Und so kam es.

Die internationalen Grenzen waren ab Juli zwar wieder offen, aber die Sicherheits- & Hygienevorschriften erwiesen sich für Flughäfen und Airlines als so kostspielig, dass nur wenige Luftfahrtunternehmen ihren Betrieb zaghaft wieder aufnahmen.

Dafür blühte der „Heimat-Tourismus“! Das war herrlich mit anzusehen, wie plötzlich einheimische Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe überrannt wurden! Zudem lockten Bahnen, Busunternehmen und Schifffahrtsbetriebe mit unwiderstehlich attraktiven Preisen. Die Menschen entdeckten wieder die Reize ihrer Region und wagten sich ins benachbarte Bundesland oder Ausland. Dabei entdeckte man Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die durch den Fokus auf die Ferne völlig aus dem Blickwinkel verloren gegangen waren.

Interessanterweise entstanden daraus unzählige kreative Angebote von Leuten, die vorher nicht viel mit Tourismus am Hut hatten. Aber auch sie haben sich über Regionen und Grenzen hinweg zu Interessengemeinschaften zusammen getan und bewegen sich mit Leichtigkeit erfolgreich auf dem Tourismusmarkt.

Wenn ich mich recht erinnere, haben sich erst so zwei Jahre nach der Krise wieder grössere Anbieter von Pauschalreisen zaghaft in Szene gesetzt. Die grossen, altbekannten Namen, besonders jene, die alle Angebote von A-Z selbst produzierten, also eigene Flugzeuge, Hotels, Busse, Schiffe, Restaurants und Souvenirgeschäfte besassen, konnten zwar noch einen Teil ihres Tafelsilbers verscherbeln, sind aber Pleite gegangen.

Bis vor drei Jahren, also bis 2022, waren Flüge recht teuer, obwohl sich auch wieder einige alternative Fluggesellschaften auf den Markt getrauten. Ich möchte nicht von „Billig-Airlines“ reden, denn davon sind wir jetzt, 2025, noch weit entfernt. Man fliegt seltener, dafür ausgewählt und sicher. Der Fluggast ist nicht mehr eine Kuh, die zum maschinellen Melken in den Stall gepfercht wird, sondern er wird wieder umworben. Mehr Qualität - weniger Quantität.

Die Einstellung zu mehr Qualität statt Masse hat sich auch in den klassischen Touristenhochburgen wieder (gezwungendermassen?) durchgesetzt. Ich weiss nicht genau, was aus all den riesigen Hotelburgen rund ums Mittelmeer geworden ist. All jene Bausünden, die durch die Verlockungen des schnellen Geldes und dank Korruption geduldet waren und eigentlich niemanden sonst erfreuten. Sie waren hässlich, von mieser Bauart, verschandelten die Landschaft und liessen ihre Abwasser mehr oder weniger (un-)gereinigt ins Meer. Am Rande habe ich mitgekriegt, dass da und dort Backer auffuhren, und Platz mit Sicht aufs Meer machten.

Hier jedenfalls, am Roten Meer, wurden Hunderte von diesen grässlichen Dingern abgerissen. Die Besitzer wehrten sich mit allen, wirklich ALLEN Mitteln, dagegen. Doch der Wind blies für sie aus einer anderen Richtung, eine, die sie vorher nicht gekannt hatten: Auch sie sollten plötzlich Steuern zahlen – dem Staat fehlten die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus – und das passte ihnen nicht. Sie konnten auch nicht, denn ihr (Schwarz)Geld lag im Ausland. Also liess der Gouverneur schwere Maschinen aufmarschieren. Seit letztem Jahr entstehen hier wunderschöne Promenaden, Freiluft-Fitnessparks und Strandabschnitte, die für jeden zugänglich sind. Einige Hotelanlagen wurden in Seniorenresidenzen umfunktioniert, wodurch neue Arbeitsplätze entstanden sind.

Es gibt hier auch keine illegalen Mülldeponien mehr. Wer Abfall auf die Strasse wirft oder Schutt deponiert, muss mit empfindlichen Bussen rechnen. Auch das haben wir diesem blöden Virus zu verdanken, er hat doch tatsächlich ein Umdenken bei den Behörden bewirkt. Anfänglich nahmen die Ägypter das überhaupt nicht ernst. Doch au Backe: Als die ersten vor Publikum von der Polizei abgeführt wurden, befolgten sie ganz schnell die neuen Regeln. 

Aber zurück zum Tourismus. Wir haben also keine Hotelpaläste mehr mit dem Gästeverhalten „Das-Habe-Ich-Bezahlt-Das-Trinke-Und-Esse-Ich“ , sondern eine Vielfalt von Unterkünften: Kleinere und mittlere Pensionen in traditionellem oder modernem Stil, kleinere Boutique-Hotels, mittlere Hotelanlagen im Chalet-Stil und viele Privatunterkünfte. Die unzähligen, hässlichen, leerstehenden Wohnblöcke wurden entweder abgerissen, in Schulen, öffentliche Krankenhäuser oder Ämter umfunktioniert oder günstig verkauft. So haben sich viele Bewohner Zusatzeinkünfte mit dem Vermieten von Zimmern erschaffen können. Jetzt gibt es hier sogar zwei Campingplätze direkt am Meer und zwei gemütliche Jugendherbergen.

Oh, jetzt klingelt grad das Telefon. Ich komm gleich wieder.

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