(Es geht weiter mit meinem fiktiven Rückblick 😉)
Da bin ich
wieder. Also die letzten fünf Jahre waren sehr bewegend. Viele von uns haben
wohl Höhen und Tiefen erlebt, sahen den Sinn nicht mehr. Die Ungewissheit und
die Machtlosigkeit zehrten an unserer Motivation und unserer Energie. Trotz
allem fand ich diese Zeit extrem interessant und spannend, denn so vieles hat
sich verändert.
Interessant zu
beobachten war der Zerstörungskampf der Giganten der Erdölförderer. Sie haben
sich regelrecht zerfleischt. Fracking liegt seit Herbst 2020 still, lohnt sich
nicht mehr und wird wohl auch nie mehr ein Thema werden. Erdöl wurde erst im
Laufe des Jahres 2023 wieder auf tiefem Niveau gefördert. Der Nachfragerückgang
und ökologische Überlegungen sowie das riesige Überangebot hatten dazu geführt,
dass während beinah drei Jahren kein Rohöl mehr gefördert wurde.
Im Sommer 2020
begann man hastig auf riesigen Flächen Erdöltanks zu errichten, um das nicht benötigte
„schwarze Gold“ zu lagern. Erdöltanks stehen seitdem überall dort, wo Erdöl
gefördert, transportiert, raffiniert und (theoretisch) gebraucht wird. Oder
einfach da, wo günstiges Brachland zur Verfügung stand: in verlassenen Dörfern,
auf ungenutzten Flughäfen, Industrieruinen und verseuchten Böden, in verlassenen
Olympia-Stadien, und in unwirtlichen Klimazonen. Ob die Tankinhalte je mal
wieder eingesetzt werden?
Welchen Schaden
dieser Einbruch jenen Ländern zugefügt hat, die mehrheitlich von diesem Rohstoff
lebten, ist schwer vorstellbar. In Kombination mit dem Stillstand im Tourismus,
der Abwanderung von Billigarbeitskräften und gebildeten Ausländern, fehlender Bildung und
da und dort bestehendem Hochmut der Einheimischen ist vor allem in den
arabischen Ländern eine explosive Stimmung entstanden. Plötzlich mussten die
Herren selbst Hand anlegen. Plötzlich gab es keine staatlichen Zuschüsse und
Vorzüge mehr. Plötzlich fehlte es an allem, was die Prinzen und ihr Gefolge
einst als selbstverständlich hinnahmen. Zaghafte Forderungen nach staatlicher
Hilfe wurden sofort und ohne Skrupel im Keime erstickt. Von den Machtkämpfen in
den Palästen dringt wenig nach draussen.
Inzwischen
verfallen viele der Protzbauten und Vorzeigeobjekte, da es an finanziellen
Mitteln und Wissen fehlt, sie zu unterhalten und zu betreiben. Viele Araber
haben sich auf ihre Wurzeln besonnen und sich in die Wüste zu ihren Clans
zurückgezogen. Andere versuchen mit alternativem Tourismus über die Runden zu
kommen: Statt Luxus Ursprünglichkeit in Beduinenzelten, statt teuren Boutiquen
der Duft von Kameldung. Weder erkaufte Fussball-WM, Formel 1 noch
WTA-Tennisturniere; lediglich Pferdezucht und Pferderennen haben die Krise
überstanden. Da steckt ja auch einheimisches Knowhow drin. Viele Leute sind jedoch
verarmt und versuchen in Ägypten, Libyen und in der Türkei als Hausangestellte
oder Handlanger ein Auskommen zu finden oder wandern nach Asien aus.
Die
positive Nachricht ist: Im arabischen Raum gibt es keinen Krieg mehr. Kein
Geld, keine Waffen, kein Krieg. Sogar die angehäuften Goldberge wurden in
dieser Zeit abgetragen und für den Import von Lebensmitteln, Maschinen und
Ersatzteilen verwendet.
Der andere Gegner
in diesem Machtkampf ums Erdöl steht auch schön im Regen. Mit dem Zusammenbruch
auf dem Erdölmarkt kam auch der Zusammenbruch des Regimes. Diesmal scheint es
endgültig zu sein. Die Russen sind jedenfalls auf bestem Weg, sich in eine
Union von demokratischen Teilstaaten zu entwickeln. Ich mag es denen gönnen,
wenn sie sich endlich von ihrer Jahrhunderte dauernden Unterdrückung befreien
könnten.
Noch eine Region
hat von davon profitiert: In Syrien und im Irak gilt seit drei oder vier Jahren
ein Waffenstillstand. Seit gut einem Jahr wird anscheinend ein Friedensplan
ausgearbeitet. Die Kurden sind noch immer zerstritten, aber sie haben kapiert,
dass sie ohne Öl chancenlos sind und sich zusammen raufen müssen, wenn sie
jemals einen eigenen Staat haben möchten.
Dass wir im
Westen trotz tiefem Preis viel weniger Erdöl brauchen, haben wir auch diesem
Virus zu verdanken, bzw. den Massnahmen unserer Regierungen. Aber davon später.
Tourismus
Mein
Lieblingsthema. Da weltweit die Grenzen dicht waren, war natürlich auch nichts
mehr mit Reisen. Während einiger Wochen wurden in medienwirksamen
„Repatriierungsflügen“ Hunderttausende von Menschen in ihre Wohnsitzstaaten gebracht.
Danach blieb der Himmel längere Zeit (mit Ausnahme von Frachtflügen) leer. Der
Natur tat das wohl.
Den Anbietern im
Tourismus nicht. Im Frühling 2020 hofften viele noch, sie könnten im Sommer oder
Herbst doch noch ihre Flugreise antreten. Die Hoffnung schwand mit jeder Woche,
wie der Schnee in den Alpen. Als die SWISS meldete, dass sie einige ihrer
Fluggeräte nach Jordanien zum Parkieren flogen, war ich entsetzt. Innerlich
verzagte ich über die Situation. Die Betriebsökonomin in mir erklärte aber
sofort: Fixkostenreduktion. Die Verzagte reagierte: Der Überflug so vieler
Maschinen kostet immens viel Geld – also rechnet die SWISS mit einem längeren
Einbruch. Und so kam es.
Die internationalen
Grenzen waren ab Juli zwar wieder offen, aber die Sicherheits- & Hygienevorschriften erwiesen
sich für Flughäfen und Airlines als so kostspielig, dass nur wenige
Luftfahrtunternehmen ihren Betrieb zaghaft wieder aufnahmen.
Dafür blühte der
„Heimat-Tourismus“! Das war herrlich mit anzusehen, wie plötzlich einheimische
Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe überrannt wurden! Zudem lockten Bahnen,
Busunternehmen und Schifffahrtsbetriebe mit unwiderstehlich attraktiven
Preisen. Die Menschen entdeckten wieder die Reize ihrer Region und wagten sich
ins benachbarte Bundesland oder Ausland. Dabei entdeckte man Gemeinsamkeiten
und Unterschiede, die durch den Fokus auf die Ferne völlig aus dem Blickwinkel
verloren gegangen waren.
Interessanterweise
entstanden daraus unzählige kreative Angebote von Leuten, die vorher nicht viel
mit Tourismus am Hut hatten. Aber auch sie haben sich über Regionen und Grenzen
hinweg zu Interessengemeinschaften zusammen getan und bewegen sich mit Leichtigkeit
erfolgreich auf dem Tourismusmarkt.
Wenn ich mich
recht erinnere, haben sich erst so zwei Jahre nach der Krise wieder grössere
Anbieter von Pauschalreisen zaghaft in Szene gesetzt. Die grossen, altbekannten
Namen, besonders jene, die alle Angebote von A-Z selbst produzierten, also
eigene Flugzeuge, Hotels, Busse, Schiffe, Restaurants und Souvenirgeschäfte besassen,
konnten zwar noch einen Teil ihres Tafelsilbers verscherbeln, sind aber Pleite
gegangen.
Bis vor drei Jahren,
also bis 2022, waren Flüge recht teuer, obwohl sich auch wieder einige
alternative Fluggesellschaften auf den Markt getrauten. Ich möchte nicht von
„Billig-Airlines“ reden, denn davon sind wir jetzt, 2025, noch weit entfernt.
Man fliegt seltener, dafür ausgewählt und sicher. Der Fluggast ist nicht mehr
eine Kuh, die zum maschinellen Melken in den Stall gepfercht wird, sondern er
wird wieder umworben. Mehr Qualität - weniger Quantität.
Die Einstellung
zu mehr Qualität statt Masse hat sich auch in den klassischen
Touristenhochburgen wieder (gezwungendermassen?) durchgesetzt. Ich weiss nicht
genau, was aus all den riesigen Hotelburgen rund ums Mittelmeer geworden ist. All
jene Bausünden, die durch die Verlockungen des schnellen Geldes und dank Korruption
geduldet waren und eigentlich niemanden sonst erfreuten. Sie waren hässlich,
von mieser Bauart, verschandelten die Landschaft und liessen ihre Abwasser mehr
oder weniger (un-)gereinigt ins Meer. Am Rande habe ich mitgekriegt, dass da und
dort Backer auffuhren, und Platz mit Sicht aufs Meer machten.
Hier jedenfalls,
am Roten Meer, wurden Hunderte von diesen grässlichen Dingern abgerissen. Die
Besitzer wehrten sich mit allen, wirklich ALLEN Mitteln, dagegen. Doch der Wind
blies für sie aus einer anderen Richtung, eine, die sie vorher nicht gekannt
hatten: Auch sie sollten plötzlich Steuern zahlen – dem Staat fehlten die
Deviseneinnahmen aus dem Tourismus – und das passte ihnen nicht. Sie konnten
auch nicht, denn ihr (Schwarz)Geld lag im Ausland. Also liess der Gouverneur schwere
Maschinen aufmarschieren. Seit letztem Jahr entstehen hier wunderschöne
Promenaden, Freiluft-Fitnessparks und Strandabschnitte, die für jeden
zugänglich sind. Einige Hotelanlagen wurden in Seniorenresidenzen umfunktioniert,
wodurch neue Arbeitsplätze entstanden sind.
Es gibt hier auch
keine illegalen Mülldeponien mehr. Wer Abfall auf die Strasse wirft oder Schutt deponiert, muss mit
empfindlichen Bussen rechnen. Auch das haben wir diesem blöden Virus zu verdanken,
er hat doch tatsächlich ein Umdenken bei den Behörden bewirkt. Anfänglich nahmen
die Ägypter das überhaupt nicht ernst. Doch au Backe: Als die ersten vor
Publikum von der Polizei abgeführt wurden, befolgten sie ganz schnell die neuen
Regeln.
Aber zurück zum
Tourismus. Wir haben also keine Hotelpaläste mehr mit dem Gästeverhalten „Das-Habe-Ich-Bezahlt-Das-Trinke-Und-Esse-Ich“ , sondern eine Vielfalt von Unterkünften: Kleinere und mittlere Pensionen
in traditionellem oder modernem Stil, kleinere Boutique-Hotels, mittlere
Hotelanlagen im Chalet-Stil und viele Privatunterkünfte. Die unzähligen,
hässlichen, leerstehenden Wohnblöcke wurden entweder abgerissen, in Schulen,
öffentliche Krankenhäuser oder Ämter umfunktioniert oder günstig verkauft. So
haben sich viele Bewohner Zusatzeinkünfte mit dem Vermieten von Zimmern
erschaffen können. Jetzt gibt es hier sogar zwei Campingplätze direkt am Meer
und zwei gemütliche Jugendherbergen.
Oh, jetzt
klingelt grad das Telefon. Ich komm gleich wieder.
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