(Fortsetzung von Teil I)
Mohamed,
um die 30 Jahre
Mohamed
steht für viele Mohameds und Ahmeds und Mahmouds. Sie kommen aus Qena, aus
Luxor, aus Hurghada, aus Kairo, aus Tanta oder aus einem Kaff im Delta, am
Mittelmeer, am Roten Meer oder dem Niltal.
Er hat eine
deutsche, österreichische oder schweizerische Freundin, die er zu seiner Frau
gemacht hat. Sie erwartet schon ein Baby. Oder auch noch nicht. Mit Baby ist
aber sicherer. Er arbeitet als Tauchlehrer oder Fremdenführer. Oder in der
Animation. Er kann ein klein wenig Englisch und Russisch, hat es so irgendwie
bei der Arbeit gelernt. Er sieht nicht schlecht aus. Er ist höflich, das hat er
bei den Touristinnen abgeguckt. Dass er aus einer sozial tieferen Schicht
kommt, sieht der Tourist nicht sofort.
Nun muss er
Deutsch büffeln, zum ersten Mal im Leben muss er richtig lernen. Gross ist das
Ziel: die Prüfung A1 beim Goethe Institut zu bestehen (60% genügen) und damit
das Visum ins Paradies zu erlangen. Die Freundin oder Frau bezahlt den Kurs
(meistens). Sie lernt mit ihm, wenn sie das kann. Mohamed ist in Eile. Er will
die Misere hinter sich lassen - das Glück liegt zum Greifen nah.
Ramy,
Mitte 30
Arzt aus
Kairo. Sitzt in einem goldenen Käfig, unter dem ein Pulverfass liegt. Der äusserst
sympathische, gut aussehende Arzt arbeitet in einem Top-Hotel, verdient sich
dumm und dämlich. Aber er weiss: innert Stunden kann alles zusammen brechen.
Eine Bombe in einem Hotel am Roten Meer, ein Flugzeugabsturz, ein Aufstand oder
eine andere Katastrophe lässt den Tourismus erneut zusammen brechen.
Seine
Freundin möchte, dass er kommendes Jahr nach Europa zieht. Er kann nicht weg,
will auch nicht wirklich. Seine Mama ist krank und somit ist für ihn
ausgeschlossen, das Land zu verlassen. Er lernt Deutsch, damit er sich mit
seinen Patienten in ihrer Muttersprache verständigen will. Also bleibt er in
seinem goldenen Käfig, frustriert, oft launisch und deprimiert. Er weiss nicht,
was er sonst machen soll.
Yasin,
um die 50
Geschäftsmann,
verheiratet, Kinder. Er stammt aus dem Regierungsbezirk Rotes Meer, südlich von
Hurghada. Er hat gute Beziehungen, berät in finanziellen und rechtlichen
Fragen. Das reicht aber nicht mehr aus. Er will auch nicht weg, sondern ein
Exportgeschäft mit einem europäischen Land aufbauen. Er war schon mehrmals
dort, obwohl es ziemlich mühsam und aufwändig ist, ein Visum für
Geschäftsreisen zu erhalten. Neue Absatzmärkte erschliessen ist sein Ziel. Er
hat Partner in Europa. Ob die zuverlässig sind? Ob es klappen wird? Oder ob er
dort über den Tisch gezogen wird?
Salah
und Dalia, beide knapp 30
Beide haben
vor gut einem Jahr in ihrer Heimatstadt Ismailia geheiratet. Salah kam davor kurze
Zeit zum Deutschunterricht. Der anstrengende Job als Tauchlehrer, Frau und Hund
liessen ihm nicht genügend Zeit zum Lernen. Kürzlich hat Dalia ihr Fahrrad zum
Verkauf angeboten und so konnte ich die hübsche junge Frau kennen lernen.
Dabei
erzählte sie mir, dass sie all ihr Hab und Gut verkaufen, weil sie nach Kanada
auswandern. Salah ist Softwareingenieur und Dalia ist Architektin, Berufe, die
in Kanada gefragt sind. Glück gehabt.
Shadi,
Mitte 30
Aus Port
Said am Mittelmeer, hat Wirtschaft studiert und arbeitet in leitender Position
in einer Bank. Seine Frau stammt aus einem osteuropäischen Land. Der rundliche
Mann kommt mit dem immensen Druck bei der Arbeit nicht klar und träumt davon,
sich in Westeuropa eine neue Zukunft aufzubauen. Kanada ist schon ausgeträumt.
Neben Französisch und Italienisch lernt er jetzt noch Deutsch. Ich habe nicht
den Eindruck, dass er genau weiss, was er will. Er hat eine ausgezeichnete
Position, verdient exzellent – der Preis dafür ist ihm einfach zu hoch. Ob das
in Europa einfach wird?
Und dann
könnte ich noch von jenen erzählen, die schon weg sind: Ärzte, Animatoren,
Kaufleute, Ingenieure. Sie sind in Österreich, Deutschland, Holland, in den
Emiraten, Kanada.
Und dann
gibt es jene, die es illegal versuchen… Gemeinsam ist ihnen allen: ein besseres
Leben in einem freien, fairen Land. Verständlich, nicht wahr?
per E-Mail vielleicht?
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