Montag, September 25, 2017

Lichtblick in der Kultur-Wüste

Der Küstenstrich 30 km nördlich und südlich von Hurghada, inklusive der Stadt, bietet zwar alles Mögliche an Unterhaltung – aber kaum Kultur. Hie und da organisieren das Saqawy Cultural Wheel, die Deutsche Botschaft oder das Kulturzentrum der Deutschen Schule Konzerte. Die Anlässe kann man fast an einer Hand abzählen.

Eine Oper oder ein Theater sucht man vergeblich. In El Gouna werden manchmal internationale Filme vorgeführt und während den Wintermonaten gab es auch schon Live-Übertragungen der Metropolitan Opera New York. Auch Sahl Hasheesh hat Operetten und Konzerte organisiert, aber leider auch nicht regelmässig.

Der Kulturinteressierte muss sich nach Kairo begeben. Oder nach Luxor, wie ich das in den vergangenen Jahren gemacht habe. Dort gab es jährlich zwei Filmfestivals; eines ist jetzt nach Sharm El-Sheikh verlegt worden, leider.

El Gouna Filmfestival
Doch künftig muss ich nicht mehr so weit pilgern: Am vergangenen Freitag hat das 1.Internationale Filmfestival in El Gouna mit viel Pomp angefangen. Unter der Bezeichnung „Cinema for Humanity“ (Kino für Menschlichkeit) werden vor allem Filme aus der arabischen Welt im Wettbewerb gezeigt; aber auch internationale Leckerbissen sind dabei. Zudem werden Talenten aus dem arabischen Raum zahlreiche Workshops und Begegnungen mit Geschäftsleuten geboten.


Triebfeder des Festivals ist Naguib Sawiris. Das Festival möchte sich neben den Festivals in Cannes und Venedig etablieren. Mir soll’s recht sein.

Geld ist da und somit auch das Knowhow. Jedenfalls wurde der Anlass professionell angekündigt und scheint auch so abzulaufen. Nächstes Jahr gibt es vielleicht auch einen Plan, wo die Aufführungsorte zu finden sind und vielleicht gibt es an den Verkaufsstellen sogar ein Programm.

Am Samstagabend habe ich mir den Film „The Silence of Music“ angesehen, eine Dokumentation über das Leben von Andrea Bocelli. Die Filmvorführung fand in der Marina statt, wo ein riesiges Open-Air-Kino mit roten Teppichen und schwarzen Vorhängen aufgebaut worden ist. Den berührenden Film mit viel klassischer Musik unter dem Sternenhimmel Ägyptens zu sehen, war für mich sehr bewegend.

Gestern Abend dann habe ich mir „The Insult“ des libanesischen Regisseurs Ziad Doueiri angesehen. Der Film handelt davon, wie aus der kleinen Streiterei zwischen einem Libanesen und einem palästinensischen Flüchtling in dem Land in der Levante beinahe ein Bürgerkrieg ausbricht. Nach dem Film hat der Regisseur erzählt, dass ihm die Idee für die Geschichte kam, nachdem er selbst in eine Streiterei geraten war. Wirklichkeit. Im arabischen Raum sind so viel Wut, Ärger und Frust vorhanden, die sich innert Momenten wie eine Lunte entzünden und zu einem riesigen, kaum kontrollierbaren Flächenbrand entwickeln kann. Erschreckend, aber wahr.

Die Vorführung war sehr gut besucht, denn Ziad Doueiri wurde als arabisches Talent ausgezeichnet. Mir hat nicht nur dieser Film super gefallen, sondern auch das Publikum: Filmliebhaber aus der Oberschicht, Schauspieler, Schauspielerinnen… wäre die Sprache nicht, hätte man den Anlass an der Côte d’Azur vermuten können. Ehrlich gesagt, eine Wohltat, mal keine Galabeyas, Turbane und Schleier zu sehen, sondern gut gekleidete Menschen mit guten Manieren.

Und dann habe ich mir noch „Volubilis“ des marokkanischen Regisseurs Faouzi Bensaïdi angeguckt. Auch dieser Film zeigt eine der hässlichen Seiten arabischer Länder: Die Reichen können sich alles erlauben, die Armen sind immer die Verlierer.

Ich bin so glücklich über das Filmfestival in Reichweite, dass ich am liebsten in El Gouna campieren würde… Bis kommenden Freitag dauert es noch.


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