Gestern Abend fuhr ich nach Dahar zum Früchte- und
Gemüsemarkt. Die Fahrt dauerte eine Ewigkeit und ein bisschen mehr:
Während wunderschöne, romantische arabische Popmusik nicht
zu laut aus dem Lautsprecher ertönt, fährt der Buschauffeur zielstrebig durch
Hurghadas nächtliche Strassen. Hellerleuchtete Läden, knapp bekleidete
Touristinnen mit ihren ebenso viel Haut zeigenden Partnern flanieren vor den
Geschäften und Cafés, geniessen die laue Luft, lassen sich von der orientalisch-geschäftigen
Atmosphäre oder von den entwaffnend lächelnden Verkäufern und ihren Sprachkenntnissen
verwirren und bezirzen.
Der Bus eilt weiter, hält da und dort an, weil ein Fahrgast „ala
gamb“ ruft, weil ein anderer am Strassenrand den Arm ausstreckt und damit
anzeigt, dass er zusteigen möchte. Die hellerleuchteten Ladenzeilen huschen wie
am Fliessband vorbei, verschmelzen zu glitzernden Lichtbildern. Wenige hundert
Meter weiter, andere Bilder unter kalten Neonlichtern: alte und junge, dicke
und dünne, einfache Männer in traditionellen Kaftanen und weissen Käppchen
sitzen an wackligen Holztischchen und schlürfen Tee, spielen Backgammon oder
tauschen Neuigkeiten aus. Kinder hüpfen barfuss über die schmutzigen Trottoirs,
spielen, schreien, streiten. Kunstvoll
aufgetürmte Mangos, Trauben, Granatäpfel, Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln
warten in kleinen, rot dekorierten und hell erleuchteten Verkaufsständen auf
Käufer.
Drei grosse, schwere Männer in traditioneller Kleidung
steigen zu. Sie schaffen es kaum, sich zwischen die Sitze zu zwängen, stupsen
jeden Fahrgast laut schwatzend an. Der dickste erzählt lauthals alle möglichen
Geschichten, von denen ich einzelne Wörter erhasche…. bis ein junger, auch
traditionell gekleideter Fahrgast laut dazwischen ruft: du bist ein Lügner!
Alle grinsen im Bus, ich kann mein Lachen schier nicht mehr unterdrücken,
während der eine ständig weiterruft: du bist ein Lügner! Du bist ein Lügner! Irgendwo
steigen der grosse Dicke und seine Kollegen aus, wobei er noch seinen Kopf an
der Wagendecke anschlägt und ständig weiterplappert, weiterschwatzend vom Bus
weggeht…
Der Film läuft weiter: vor dem Fenster sitzen alte,
ausgemergelte Männer im Schneidersitz im Hof einer Moschee, rauchen Schischa
und blicken ernst auf die Strasse, hinein in den Bus, hinaus ins Nirgendwo. Sie
sitzen immer da, tagsüber, nachts, morgens, abends… sie warten auf Arbeit oder
auf etwas anderes, das nie kommen wird.
Weitere Geschäfte, Möbel, Autos, Werkzeuge, Feuerlöscher,
hell erleuchtet, Hupen und die immer noch romantische arabische Musik
verschmelzen ineinander, zu einem Traum, einem Film.
Ich würd‘ es vermissen. Wenn ich einmal von hier weggehe, werde
ich es vermissen…
Eine Bar bleibt draussen vor dem Bus stehen, sie kommt mir
bekannt vor… Nein, umgekehrt: der Bus bleibt vor der Bar stehen: Endstation.