Freitag, Februar 11, 2011

11. Februar 2011 in Ägypten

Letzte Nacht sass ich bis fast drei Uhr morgens vor dem Fernseher, immer noch hoffend, dass seitens der ägyptischen Armee ein Gegenstatement kommen würde.

Es kam nicht, wir wissen es.

Ich hatte nur wenig Schlaf und heute früh fuhr ich mit dem Bus zuerst zum Markt in Dahar. Ich wollte unbedingt vor dem Mittagsgebet wieder zuhause sein, denn mir graute wirklich vor den Folgen von Mubaraks Rede gestern Abend. Der Markt war gut besucht und ich erledigte meine Einkäufe in Rekordzeit.

Zur Zeit des Mittagsgebetes waren die Strassen leer gefegt. Ich kämpfte einige Zeit mit dem Rennvelo gegen den Wind, um die vielen Emotionen los zu werden, und mit dem Schraubenzieher am Kettenantrieb, um dieses wieder ruhig laufen zu lassen. Überall her dröhnten Lautsprecher, aus denen die Worte der Imame zu hören waren. Selten hatte ich sie in Hurghada so laut erlebt, selten die Strassen so leer.

Weitere Stunden folgten vor dem Fernseher mit Berichten über die unendlichen Menschenmassen, die in ganz Ägypten auf den Strassen und Plätzen ausharren, in Kairo vor dem Präsidentenpalast und dem Staatsfernsehgebäude stehen. Berichte, dass Helikopter beim Präsidentenpalast landen und wieder wegfliegen. Nach all den vielen Gerüchten und Berichten wollte ich nicht mehr irgendetwas Glauben bevor es Tatsache würde.

Jetzt ist es aber soweit: heute, am 11. Februar 2011, wird ein neuer Eintrag in die Geschichtsbücher notiert. Es ist unglaublich, was diese Menschen erreicht haben und noch erstaunlicher, wie sie es erreicht haben: mit friedlichen Mitteln, mit Geduld und Masse. Als ich hier kurz über Tunesien berichtete, schrieb ich „die Zeit ist reif“. Ich habe mich nicht getäuscht. Ich erinnere mich auch an die zahlreichen Gespräche mit Salah im vergangenen Winter, dem ich hier auch einige Zeilen widmete. Was er jetzt wohl denkt? Er war so pessimistisch, er hat sein Land aufgegeben – ich war es nie, ich habe immer daran geglaubt, dass ein Wandel in Ägypten möglich ist.

Ich freue mich so sehr. Ich empfinde unendlichen Stolz für die Ägypter, die so lange unterdrückt gewesen waren. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass dies nicht nur ein Neubeginn für Ägypten wird, sondern noch weitere Veränderungen mit sich bringen wird, sei es im Maghreb, im Nahen Osten und vielleicht sogar im Mittleren und Fernen Osten. Nicht heute oder morgen. Langfristig.

Für einmal in meinem Leben, bin ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort: dort, wo Geschichte geschrieben wird!






 

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