Freitag, Februar 04, 2011

"Tag der Abreise" ohne Abreise

Wir warten. In Hurghada geht es uns gut. Aber wir warten. Manchmal ist es unerträglich, denn nichts scheint sich zu bewegen. Heute ist zudem die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass die Wäsche nicht mehr trocknet. Warten. Eine Revolution wird nicht in einem Tag durchgeführt.

Einer meiner „letzten“ Schüler rief mich an um mitzuteilen, dass er morgen nicht komme, denn sie würden ihr Geschäft schliessen. Es ist das grösste Lederwarengeschäft weit und breit und hat Bus weise Russinnen und Russen mit Lederjacken, -mänteln und –taschen beglückt. Er melde sich wieder. Sein Vater möchte auch kommen. Ich nenne ihn nur den „1‘000 $-Papa“, weil er mir dies als Belohnung versprochen hat, wenn er bei mir Englisch reden lernt! Nicht schreiben und lesen – nur reden! Zum Glück weiss ich inzwischen, wie ich mit solchen Äusserungen umgehen soll: bisher ist der 1‘000 $-Papa erst zu einer einzigen Unterrichtsstunde gekommen.

Hoffentlich halten sie durch! Wieder sind heute Millionen Ägypter auf Strassen und Plätzen gewesen und haben demonstriert. Kämpfe – ja, Kämpfe! – gab es wohl nur vereinzelt und das Militär schützt die Demonstranten etwas besser.

Und wieder hat sich Mubarak nicht durchringen können. Auch wenn hinter den Kulissen Druck gemacht wird.

Ich habe auch nichts gemacht. Diskutiert, ferngesehen, mein Knie behandeln lassen. In Dahaar habe ich noch Früchte, Tomaten und frische Kräuter geholt. Frische Minze für Tee, Rucola für die Tomaten. Der Markt war nicht sehr voll – wie immer am Freitag. An der grossen Kreuzung standen drei Panzerwagen und Soldaten.

Vorhin kam noch der Wohnungsbesitzer vorbei. Er meint, es würde so rasch aufhören, wie es angefangen habe. Was: die Demonstrationen oder Mubarak? Beides meint er. Soll er Recht haben und zwar schnell! Ägypten könnte nun eine Vorreiterrolle im Nahen Osten übernehmen und zeigen, wie man eine Diktatur in ein demokratisches arabisches Land führt. Wenn es aber noch lange in diesem Machtvakuum verbleibt, sind andere Kräfte vielleicht plötzlich schnell da, um dieses mit unerwünschten Elementen zu füllen. Die Zeit drängt…

Angeblich öffnen die Banken am Sonntag wieder; das wäre ein Schritt in Richtung Normalisierung. Internetbanking funktioniert, so kann ich endlich meine Miete bezahlen.

Wenn ich im Bus oder im Zentrum unterwegs bin, stelle ich mir dauernd vor, wie die Ägypter jubeln werden… es wird ein unglaublicher Aufschrei sein und gefeiert werden bis zum Umfallen… Noch ist es aber nicht so weit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für Ihren Kommentar. Ich freue mich über jede aktive Teilnahme an meinem Blog. Meinungsfreiheit gilt auch hier. Ich behalte mir jedoch vor, freche und beleidigende Kommentare zu löschen.