Samstag, Dezember 27, 2014

Weihnachten bei Muslimen

Auch Muslime feiern Weihnachten, so unglaublich sich das anhören mag. Es war und ist in Ägypten Tradition – vor allem in gebildeten Schichten – alle Feste über Religionen hinweg gemeinsam zu feiern. Christen feiern das Ende des Ramadans, nehmen am Fastenbrechen teil, und Muslime ihrerseits feiern Weihnachten.

Am 25. Dezember war ich zu (muslimischen) Freunden zum Weihnachtsessen eingeladen. Ein hübsch dekorierter Christbaum leuchtete im Wohnzimmer; darunter lagen Geschenke für die Freunde. Zwei Tische waren festlich gedeckt und auf der Küchentheke präsentierten die Gastgeber das Ergebnis mehrstündigen Kochens: ein Festmenü mit Truthahn, Koschari (ein Gericht aus Reis, Nudeln, Linsen und Kichererbsen – darüber werden Tomatensauce und geröstete Zwiebeln gegeben), Bami (ein orientalisches Gemüse), Mahschi (bitte das „H“ stark aussprechen; mit Reis gefülltes Gemüse), Reis mit Nüssen und Leber, Fleischkuchen, Yoghurt-Sauce, Sambusa (Teigtaschen mit Käse gefüllt) und weitere ägyptische Köstlichkeiten. Ein wahres Festmenü!



Die Gastgeberin strahlte vor Glück und Freude, denn Weihnachten bedeutet für sie Wiedergeburt und Neuanfang, und damit Vertrauen und Hoffnung auf bessere Zeiten. Gar nicht so viel anders, wie es die gläubigen Christen sehen. Einzig Alkohol fehlte – aber auch das kann vorkommen.

Und gleich nebenan hat der Nachbar für zwei Tage seine Villa vermietet. Schwarz verschleierte Frauen – mein Gastgeber vermutete Salafisten – und ihre Ehemänner und Familien feierten eine Hochzeit. Riesige Lautsprecher versorgten das Quartier mit dröhnender Popmusik - nonstop. Salafisten und Musik – das sollte eigentlich auch nicht sein, aber es war so. Ägypten eben.



Mittwoch, Dezember 17, 2014

So ein Zirkus

Heute war also der grosse Tag: der ägyptische Präsident El Sisi ist nach Hurghada (geflogen) gekommen und hat den neuen Flughafen eröffnet.

Schon gestern ist der Innenminister angekommen (das ist der, der für die Polizeigewalt und Folter zuständig ist). Drei Helicopter hat das gebraucht.

Heute nun schwebten stundenlang Helicopter über der Stadt. Sämtliche Hauptstrassen waren abgeriegelt, für den normalen Verkehr war kein Durchkommen mehr. Touristenbusse, Angestellte, Privatfahrzeuge und Minibusse mussten im Stau warten, bis der Herr Präsident mit Ministern, Gouverneur, Vertretern der Armee und wer weiss noch alles, durchfuhr. Die Müllwagen der HEPCA sowie die Wassertankwagen aus dem Vorletzten Jahrhundert wurden kurzerhand von den Strassen verbannt.

Auch der Flugverkehr wurde „aus Sicherheitsgründen“ für eine halbe Stunde angehalten. Gefreut hat es sicher die Touristen. Ferner wurden Ausflüge ab der Marina und ab verschiedenen Hotels abgesagt. Ob sich die Anbieter von Ausflügen darüber auch gefreut haben?

Was hat El Sisi gesehen? Taufrisch geteerte und markierte Strassen, Absperrungen, alle fünf Meter eine ägyptische Flagge sowie Absperrwände, die mit Fahnen und seinem Bild dekoriert sind. Dahinter dösen Abfall, Schutt, halbfertige oder verfallene Gebäude vor sich hin. Im Hotel Steigenberger Al Dau war er auch – deshalb wurden die paar Hundert Meter Strasse dorthin auch aufpoliert.

Mir haben am besten die bissigen und sarkastischen Kommentare auf Facebook gefallen. Dabei ist es nicht wirklich lustig, wenn man daran denkt, was man mit den mehreren Millionen Euro für diese paar Stunden Besseres hätte anstellen können.


Sonntag, Dezember 07, 2014

Hurghada putzt sich raus

Während der vergangenen Jahre ist Hurghada recht verlottert: Strassen wurden aufgerissen und wenn, dann nur notdürftig wieder instand gestellt. Pflastersteine wurden wer weiss wofür verwendet, Randsteine abgebrochen, geknickte Strassenpfosten liegen gelassen. Das Resultat waren Stossdämpfer und Reifen beanspruchende Gräben und Löcher, in denen manchmal ganze Autos verschwanden. Zu dem Anblick gesellen sich weggeworfene Plastikflaschen und -säcke, Glasscherben, Bauschutt, Hotelabfall, überfahrene wilde Hunde und verendete Esel.

Noch schlimmer wurde es, seit Wasserrohre verlegt werden. Quer durch die Stadt und in die Aussenbezirke wurden die Rohre entlang der Strassen und Gehsteige abgelegt und gelagert. Irgendwann wurden Gräben ausgehoben, einige Rohre verlegt und die Gräben notdürftig mit Sand zugeschüttet. Der Verkehr quält sich durch das Labyrinth von Bodenwellen, Gräben, nicht gesicherten Schächten und Löchern und sucht sich in allen Fahrtrichtungen den Weg – in Einbahnstrassen, durch Quartierstrassen oder im Zickzack.

Seit einigen Wochen jedoch sieht man schwere Baumaschinen, die Gräben zuschütten und Strassen asphaltieren. Junge haben die Pfosten der Strassenlampen gestrichen – zuerst jene an der Fussgängerpromenade silbrig, dann jene in der Flughafenstrasse grün. Neulich sah ich sogar, dass die Lampen geputzt wurden – ich dachte schon an eine Fatamorgana! Randsteine sind frisch gesetzt und leuchtend gelb/schwarz bemalt worden. Das allerschönste habe ich aber heute Morgen entdeckt: die Flughafenstrasse ziert ein gelber Randstreifen und wunderschöne, dicke, weisse Mittelstriche, welche die Fahrbahnen trennen!

Wer nun meint, all diese Putzerei sei für die Touristen, um ihnen den erbärmlichen Anblick zu ersparen, der täuscht sich. Präsident Abd El Fattah El Sisi wird erwartet, um den neuen Flughafen zu eröffnen. Gerüchte darüber zirkulieren schon seit Oktober herum, angeblich soll es kommende Woche so weit sein.

Schade ist nur, dass nur ein kleiner Teil der Stadt herausgeputzt wird – der grosse Rest bleibt leider, wie er ist: verlottert.


Mittwoch, November 19, 2014

Für Geniesser: Nil-Kreuzfahrt mit der Dahabeya „Albatros“

Einmaliges Erlebnis

Vor vier Jahren (siehe hierhabe ich eine ausgefallene Nil-Kreuzfahrt erlebt, und zwar auf einer Dahabeya. Dahabeyas sind typisch ägyptische Segelschiffe, mit denen im 19. Jahrhundert elitäre Touristen den Nil befuhren, um in Assuan den Winter zu verbringen und unterwegs die glanzvollen pharaonischen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen oder einfach, um sich die Zeit zu vertreiben. 

Dahabeya "Albatros"

Dank dem flachen Rumpf kann die Dahabeya überall anlegen, auch an Nil-Inseln und an seichten Uferstellen. Das ermöglicht Zugang zu kleineren, seltener besuchten Stätten und Einblick in die ländliche Gegend, einen Besuch in einem oberägyptischen Bauerndorf oder einen Spaziergang über fruchtbare Äcker und unter dicken Bananenstauden.

Trotz Sicherheit: verwaiste Tempel und verlassene Pharaonengräber 

Ägypten hat in diesen vergangenen vier Jahren schwere Zeiten durchlebt und ist noch weit von Ruhe und Stabilität entfernt. Über Jahrtausende unverändert geblieben sind der Nil und die einzigartige, bezaubernde Landschaft an seinen Ufern. Besucher in den berühmten historischen Stätten zwischen Luxor und Assuan sind rar, obwohl diese Region sowie die Gebiete am Roten Meer als sicher gelten. Die meisten der grossen Kreuzfahrtschiffe liegen in Luxor vor Anker, viele der kleineren Dahabeyas wenige Kilometer weiter südlich ebenso. Kein Gedränge in den Tempeln, Ruhe in den Museen und attraktive Preise ziehen Geniesser und Kenner an, die sich nicht von den immer gleichen, auf Schrecken und Terror fokussierten TV-Nachrichten abschrecken lassen. Ein Blick auf die Landkarte zeigt: zwischen Kairo und Assuan liegen um die Tausend Kilometer Distanz – und mehrere Welten!

Einmalige Gelegenheit

Eine Nilfahrt mit der Dahabeya „Albatros“ bleibt ewig in Erinnerung und bietet einen Einblick in ein völlig anderes Ägypten, als es uns die Medien und die Standard-Ferienkataloge vermitteln. Für all jene, die fern dem Trubel des Massentourismus und aussergewöhnlich reisen möchten, haben die Besitzer der Dahabeya „Albatros“ auf meine Bitte hin ein Angebot zusammengestellt, speziell für meine Leser und ihre Freunde:
Einwöchige Nil-Kreuzfahrt mit der Dahabeya „Albatros“ inkl. Unterkunft in eleganten, modernen Doppelkabinen, erstklassiger Verpflegung an Bord sowie Besichtigungen in Luxor und Assuan mit deutschsprachigem Ägyptologen:
Reisedaten:
7. bis 14. Februar 2015
7. bis 14. März 2015
4. bis 11. April 2015
Preis pro Person und Woche Euro 650.00 (Basis bei mindestens sechs Personen, maximal 12 Personen). Weitere Informationen und Anmeldungen bitte direkt an mich (elqamar.hurghada@gmail.com) oder an die Besitzer der Dahabeya (www.dahabeya-albatros.com).

Selbstverständlich fährt die Dahabeya „Albatros“ auch zu anderen Zeiten und zu anderen Preisen. Ich würd gerne nochmals mitfahren.

Weitere Bilder:

mit gesetzten Segeln

auf Deck

auf Deck

auf Deck

auf Deck

Sonnenliegen auf Deck

Salon unter Deck

Salon unter Deck

Doppelkabine mit Balkon

Doppelkabine, Blick ins Bad

Privat-Balkon

Blick ins Bad mit Duschkabine

Doppelkabine



Montag, November 10, 2014

Warum vergessen wir?

Oder: weshalb sich die Geschichte wiederholt.

Es gibt zahlreiche Mahnmale, Denkstätten und Orte zur Erinnerung an die Gefallenen in Kriegen, an Völkermord, an Unrecht, an Naturkatastrophen, an Epidemien, an Not. Völker, Rassen, Andersgläubige, Aufständische, Mittellose, Kinder, Frauen oder ganz einfach unschuldige Zivilisten waren Opfer. „Wider das Vergessen“ liest man auf poliertem Granit und in Zeitungsüberschriften. „Nie mehr Krieg“. Trotzdem vergessen wir Menschen und werden an Jahrestagen aus unserer Lethargie für ein paar Sekunden oder Minuten wachgerüttelt.

Wie dieser Tage, da Deutschland den Mauerfall vor 25 Jahren feiert. Was zusammen gehört, darf nicht getrennt werden und muss wieder vereint werden. Allen Deutschen ist dies klar, wenn sie dieser Tage die bewegenden Bilddokumente und Erfahrungsberichte verfolgen. Viele erinnern sich, waren selbst direkt oder indirekt betroffen. Ich erinnere mich auch daran, genauso wie an den 9.11.2001, weil ich im Ausland weilte und mich in einer besonderen Situation befand.

Trotzdem werden rund um den Globus munter Mauern zwischen Völkern hochgezogen, wie z.B. in Israel. Ägypten ist dabei, eine „Pufferzone“ zu Israel zu erstellen und hat die Bewohner am Grenzgebiet kurzerhand umgesiedelt.

Der Kalte Krieg gehört in die Vergangenheit – richtig? Doch Achtung: Die Geschichte wiederholt sich, der Kalte Krieg steht vor seiner Wiedergeburt.

Kraft der Farben

Dieses Bild wurde mir von einem Freund zugestellt und ich möchte es mit meinen Lesern teilen. Es zeigt einen Stand im Obst- und Gemüsemarkt (Souq El Chodary) in Dahar. Das Rot der Granatäpfel, das Gelb der Limonen, Äpfel und Bananen, das Orange der Khakis und der Orangen im Hintergrund und das Grün der Mangos... die Farben drücken so viel Kraft und Energie aus, die unweigerlich auf den Betrachter hinüber fliessen. Ich liebe die Art und Weise, wie hier Obst und Gemüse zum Verkauf aufgetürmt werden, es ist eine Augenweide und Seelenbalsam.

Bild: Ernst Moos

Samstag, Oktober 25, 2014

Betrug am Flughafen Hurghada

Betrogen wird überall in Ägypten, im kleinen wie im grossen Stil. Touristen sind ein leichtes Opfer, denn sie kennen die „landesüblichen“ Gegebenheiten nicht. Gutmütigkeit, Unwissenheit und Situationen werden schamlos ausgenützt. Nicht von allen, aber leider viel zu oft.

Eine Freundin hat mir folgenden Vorfall erzählt:

Sie meldete bei Egypt Air (Mitglied von Star Alliance!) Zusatzgepäck für einen Flug nach Europa an. Pakete und Kisten wurden verpackt, verklebt, verschnürt, vermessen und gewogen. Eine Bekannte, die in einem Reisebüro arbeitet, hat das für sie erledigt. Ungefähre Kosten: rund 150 US-Dollar. Als meine Freundin am Abreisetag mit ihrem Gepäck einchecken wollte, hiess es, im Computersystem sei keine Anmeldung vorhanden. Drei oder vier Herren standen ratlos da, suchten vergeblich nach der Reservation und boten an, nach einer Lösung zu suchen. Nach einigem Hin und Her meinten sie, sie hätten noch Platz gefunden, aber es würde 450 US-Dollar kosten. Verzweifelt und gesundheitlich angeschlagen handelte meine Freundin den Preis auf 300 US-Dollar herunter.

Nach ihrer Ankunft informierte sie die Bekannte, die für sie die Reservation angemeldet hat und siehe da: alles war richtig im System verbucht. Die Angestellten beim Checkin von Egypt-Air im Flughafen von Hurghada stecken unter einer Decke, um sich einen schönen Batzen zusätzlich zu verdienen!

Die Bekannte hat nun alle Unterlagen samt Telefonbändern nach Kairo an die Zentrale geschickt und den Vorfall gemeldet. Ferner hat sie meiner Freundin erzählt, dass die Angestellten von Air Berlin am Checkin 15 US-Dollar pro Checkin verlangen! Auch das eine „erfundene“ Gebühr, die ein unwissender Tourist bezahlt und den Angestellten tolle Zusatz-Einnahmen beschert. Bis sie ertappt werden.

Ägypten verreckt fast. Das Land braucht dringend Investitionen und Touristen. Es krümmt aber keinen Finger, um die Betrügereien vom WC-Putzer über die Taxifahrer, weiter zum Direktor bis hoch zum Gouverneur auszumerzen, die Infrastruktur zu verbessern, die vielen Schikanen und Belästigungen einzudämmen und endlich einen Tourismus-würdigen Service anzubieten. Irgendwann kommt einfach niemand mehr in dieses schöne Land, und wenn es noch Hundert Mal am meisten Tempel und historische Stätten, 365 Tage Sonnenschein, unendliche Wüstenlandschaften und herrliche Tauchgründe besitzt. Genug ist einfach irgendwann genug.

Nachtrag:
EgyptAir strebt einen Vergleich an - damit kann sie einer Anklage entgehen.

Ein Freund, der am Flughafen arbeitet, hat mir noch anderes erzählt: Es ist ja verboten, den Putz- und WC-Leuten Trinkgeld zu geben. Sie betteln trotzdem darum. Damit die Polizei nicht eingreift, kassiert diese munter mit.
Korruption ist Alltag. Und ich staune nach über sechs Jahren Aufenthalt immer wieder aufs Neue darüber.

Dienstag, Oktober 21, 2014

Unterwegs – Sein

Für Mami, Nunschka und alle, die das Unterwegs-Sein lieben

Aufgeregtheit. Müde, mit wenig oder gar keinem Schlaf, irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen, weiss nicht genau, weiss nur, dass ich endlich, endlich wieder das tun werde, was ich so sehr liebe.

Aufgeregt, aber nicht nervös. Habe ich alles eingepackt? Bilder von Gegenständen erscheinen in  meinem Gedächtnis: ja. Der Reissverschluss surrt, das Schloss schnappt zu. Wie immer: schwer.

Die Luft vibriert. Herumwirbelnde Wortfetzen in fremden Sprachen aus fernen Ländern. Düfte, Gerüche, Gestänke. Menschen, die ihren Worten davon eilen, hinter sich Länder und Liebe lassen, um sie woanders zu vermissen. Oder auch nicht.

Aufgeregtheit, die erquickend wie frische Waldbeeren schmeckt. Dabei ist nicht die Zunge ausgetrocknet, sondern der Geist, der sich nach dem Neuen, dem Anderen, dem Unbekannten sehnt, nach der Herausforderung des Fort-Seins und sie wie einen ausgetrockneten Schwamm aufsaugt.

Endlich bin ich wieder unterwegs! Die Vergangenheit entwischt. Mit ihr entschwindet auch die Kleinheit der Menschenseelen, ihren Freuden und ihren Sorgen. Unwichtig.

Auch die Wirklichkeit verwischt wie die Landschaften, die vor dem Fenster vorbeihuschen oder sich unter den Wolkenfetzen verstecken. Sie hören auf zu existieren, werden zu Bildern. Alles löst sich auf, nur das Jetzt zählt: unterwegs sein, sein ohne zu bleiben, ohne Bindung, aber auch ohne Arme, die halten und auffangen. Denken und Träumen verschmelzen ineinander. Wo gehöre ich hin, wann komme ich an, wo bin ich jetzt? Wer bin ich überhaupt? Bin ich? Ja ich bin, zwischen Zeit und Raum, zwischen den Welten, frei von Sorgen und Freuden, nur beladen mit Erinnerungen und einer verschwommenen Idee vom Ankommen am Ende des Unterwegs-Seins, das irgendwann wieder zum Anfang wird.

Kleinkarierte Landschaft, grüne Flecken im unendlichen Blau, weisse Häubchen auf den Spitzen… ich möchte gar nicht ankommen, den Glücksrausch nicht unterbrechen, zwischen Raum und Zeit verharren.


Freitag, Oktober 10, 2014

Komfortzone verlassen

Es gibt da diese Momente, Stunden und Tage, an denen ich es hier fast nicht aushalte. Ich werde schier wahnsinnig über Zustände, die ich in solchen Momenten nicht einfach so hinnehmen kann. Ganz kluge Leute sagen dann „du bist im falschen Land“. Sie haben Recht – aber nur in jenen Momenten, die zum Glück ja nicht anhalten.

Eine solche Situation erduldete ich heute wieder. Am Ausgang des Einkaufszentrums wartete ich mit meinem Grosseinkauf inklusive Tiefkühlprodukten auf den Bus. Theoretisch sollte er alle 30 Minuten abfahren. Das klappt in der Regel nicht. Eine Verspätung von 10-15 Minuten ist sehr wahrscheinlich und damit kann ich leben. Oft aber kommt der Bus überhaupt nicht (meist dann, wenn ich Eiscrème oder Frischmilch gekauft habe), z.B. weil der Fahrer eine ungeplante Essenspause einbaut. Im Fahrplan ist nämlich nicht vorgesehen, dass ein Mensch eine Pause braucht und essen möchte. Die Busse stehen einfach da, fahren aber nicht, weil sie fahruntüchtig sind. Repariert werden sie irgendwann, bis dahin gilt der Fahrplan halt nur lückenhaft. Das ist nicht nur Geduld gefragt, sondern mit der Zeit tauen auch die Tiefkühlprodukte auf (was mache ich mit einem Liter flüssiger Eiscrème?) und die Frischmilch wird sauer. Die Lösung sind dann die Taxis, die an dieser Stelle Mafia-mässig betrieben werden – ein anderes Übel.

Andere Situation: gestern bestieg ich einen dieser verlotterten Minibusse, dessen Schiebetüre verklemmt ist und deshalb auch während der Fahrt offen steht. Die Sitze sind zerfleddert. Alles egal: der Tarif wurde trotzdem verdoppelt!

Solche und andere Geschichten mache ich täglich mit, meist mehr oder weniger gelassen.

Doch weshalb mache ich das mit?

In meinem Heimatland könnte ich ein äusserst bequemes Leben führen. Ich könnte eine schicke Wohnung mieten, ein tolles, zuverlässiges Auto fahren und wie eine Modepuppe gekleidet herumlaufen. Ich mache es nicht. Stattdessen nehme ich Unannehmlichkeiten in Kauf, die mich manchmal zum Verzweifeln bringen. Nicht nur mich, übrigens.

Warum also doch?

Weil es noch eine, nein, viele andere Seiten gibt. Die Begegnungen mit Menschen aus aller Welt. Die herzlichen, aufrichtigen Freundschaften. Heute z.B. rief mich meine Arabisch-Lehrerin an und fragte, wie es mir gehe. Sie hätte gestern den Eindruck gehabt, ich sei bedrückt – dabei haben wir überhaupt nicht über so etwas geredet; es war einfach ihr Gefühl.

Dazu gehört der Einblick in andere Kulturen und Verhaltensmuster. Daraus folgt das Reflektieren über sich selbst und die eigene Kultur, die eigenen Werte. Es ist ein endloser Austausch von Erfahrungen, Erlebnissen und Erkenntnissen, eine Endlosschlaufe von Fragen, Antworten und Verstehen, die weitere Fragen aufwerfen, Antworten findet und in Verstehen mündet.

Die Komfortzone verlassen bedeutet nicht nur (hauptsächlich materiellen) Verzicht, sondern auf anderer Ebene eine riesige Bereicherung. Es bedeutet, seinen Horizont zu erweitern und dabei Bekanntes hinter sich zu lassen. Ich bin nicht mehr derselbe Mensch, der ich war, als ich nach Ägypten kam. Was ich hier gesehen und erlebt, erfahren und erlitten habe, hätte ich niemals in meinem komfortablen Leben – trotz Aufgeschlossenheit, Literatur und Reisen – erkennen können. Es sind wertvolle Erfahrungen, die ich nicht missen möchte und deshalb mache ich weiter, auch wenn ich manchmal schier verzweifle.



Sonntag, September 28, 2014

Alexandria, die einstige Perle am Mittelmeer

Für einige Tage bin ich in Alexandria, der zweitgrössten Stadt Ägyptens. Zu Zeiten der Römer hiess „Alexandria bei Ägypten“. Heute ist Alexandria mitten in Ägypten; zu seinem Nachteil. Ich war sechs Jahre lang nicht mehr da und alles, was damals schon unschön oder schlecht war, ist noch schlimmer geworden. Alexandria war während Jahrzehnten eindeutig die schönste Stadt im Land. Das hatte sie den Ausländern zu verdanken, die sich hier niedergelassen hatten. Und natürlich dem Mittelmeer. Viele Ausländer haben das Land verlassen, bzw. wurden vertrieben und das Mittelmeer hat sich im Stadtzentrum zu einer stinkenden Kloake verwandelt.

*****
Am Meer sitzen und Cappuccino trinken. Der Wind ist kühler als am Roten Meer. Die Wellen schwappen an die Steinquader unter mir und spielen Ringelreigen mit Plastiksäcken und -flaschen, Chips-Packungen und Zigarettenschachteln. Zwei Schnorchler mit Metalldetektoren suchen in der dunklen Brühe nach verlorenem Gold- und Silberschmuck. Das bringt Geld.

*****
Im Auto vom Flughafen Borg El Arab (der näher gelegene Nozha Flughafen wird seit Jahren „renoviert“, wie das euphemistisch heisst) nach Montaza; im Auto von Montaza nach Raml Station und zurück im unbequemen winzigen Taxi (Typ Lada) ohne Klimaanlage; im Taxi von Montaza nach Smouha; im Auto nach Downtown zur Hochzeitsfeier und zurück nach Montaza; mit dem Minibus nach San Stefano und zurück; mit dem Minibus nach … und zurück; mit dem Auto nach Torson und retour nach Raml Station und … Ich verbringe Stunden um Stunden im Auto sitzend, schwitzend (ohne Klimaanlage), frierend (mit Klimaanlage) und beobachtend. Von den Abgasen und dem Stop-and-go wird mir regelmässig schlecht. Vor mir, hinter mir, links und rechts neben mir wälzt sich eine Blechschlange Zentimeter an Zentimeter über Dutzende von Kilometern der Küste entlang, quer durch die Innenstadt, hinein in die versteckten, viel zu schmalen Gassen, hinaus in die Wüste, wo Einkaufszentren, Vergnügungsviertel und die Wüstenstrasse nach Kairo liegen. Minibusse, Rauchwolken qualmende Taxis, hupende Motorradfahrer und ungeduldige PWs drängen und verdrängen sich, klemmen sich ein, schimpfen und entschuldigen sich. Zu allem Überdruss gibt es immer wieder Checkpoints der Polizei. Der Lärm ist ohrenbetäubend und stresst. Kein Fahrzeug ohne Beule oder Schramme.

Donnerstag, September 25, 2014

Verzweiflungstat

Dieser Mann hat sich mitten in Kairo am Gerüst einer Werbetafel aufgehängt. Welch immense Verzweiflung muss ihn dazu getrieben haben! 

Schande für die Regierung dieses Landes, Schande für die Machthaber, Schande für die korrupten Geier! Hunderttausende würden es ihm nachmachen, wenn sie nur irgendwie könnten, den Mut dazu hätten... denn genug zum Leben haben sie in ihrem Land schon lange nicht mehr und einen Ausweg aus dem Elend ist nicht abzusehen, im Gegenteil, es wird tagtäglich unmöglicher.


Freitag, September 05, 2014

Stromausfall

Als ich gestern früh erwachte, wollte ich wie immer den Ventilator ausschalten – der war aber schon aus! Kein Strom? Kein Strom!

Das hiess auch, keinen Kaffee zum Frühstück. Immerhin konnte ich duschen, denn hier in unserer Wohnanlage ist Wasser trotz Stromunterbruch verfügbar – anderswo nicht. Anderswo heisst das: keine Hände waschen, keine Zähne putzen, keine Klospülung – ausser man hat sich einen Wasservorrat zur Seite gestellt.

Während in den meisten Regionen und Städten Ägyptens mehrmalige Stromunterbrüche pro Tag schlicht zum Alltag gehören und sich die Ägypter so sehr daran gewöhnt haben, dass sie Witze darüber reissen, sind sie in Hurghada eher selten. Und wenn, da nicht bei mir, sondern bei den anderen (ist wirklich so!).

Aber gestern war es fast ganz Ägypten und zwar nicht nur ein paar Minuten oder eine Stunde, sondern von morgens um halb sieben bis in den Nachmittag hinein. Bei 40° C im Schatten ist das mit der Zeit anstrengend. Es gibt keine gekühlten Getränke mehr und keine Klimaanlage. Zusätzlich ist auch das Internetnetz zusammengebrochen: während mehreren Stunden war es nicht möglich, eine Verbindung herzustellen.

Schlimmer aber als diese persönlichen Einschränkungen ist jedoch die Auswirkung auf die eh schon jämmerliche Infrastruktur im Land; nur wenige Institutionen wie Banken, grössere Hotels und vielleicht der internationale Flughafen in Kairo können sich Stromaggregate und den dafür benötigten Treibstoff leisten. Spitäler gehören nicht dazu, Patienten sind dem Tod ausgeliefert. Ältere und geschwächte Menschen riskieren ihr Leben. Die Metro in Kairo blieb stehen, was das unerhörte Verkehrschaos dort noch verschlimmerte. Der Suezkanal konnte nicht betrieben werden, was angeblich einen Schaden in Billionenhöhe (Ägyptische Pfund) anrichtete. Läden, Büros, Computer, Lifte, Fabriken… nichts ging mehr.

Auch wenn die Medien vom schlimmsten Stromunterbruch seit x Jahren (die einen meinten 10, die anderen 20 Jahre) schrieben – der letzte schlimme ist noch kein Jahr her, als eine Überspannung  das ganze Stromnetz in Ägypten lahm legte und Abertausende von Elektronikgeräte zerstörte.
Eine Begründung für die gestrige Dunkelheit hat es nicht gegeben. Als Morsy noch am Ruder war, wurde er für die krankhaften Stromunterbrüche beschuldigt – diesmal wagt niemand, El Sisi zu beschuldigen. Komisch, nicht? Dabei hatte er noch kürzlich versprochen, dass es innert vier Monaten keine Stromausfälle mehr geben würde. Glaube, wer will.

Der nächste Stromausfall kam schon wieder heute Nachmittag, wenn auch nur für ein paar Minuten.



Sonntag, August 31, 2014

Schafhirte

Da sitzt jemand ganz allein mit einer Handvoll grasenden Schafen auf dem wohl einzigen grünen Flecken ausserhalb eines Hotels in Hurghada.

Soll ich umdrehen oder nicht? Anstand oder Neugier? Einige Augenblicke habe ich heute Morgen doch gezögert, denn der Wind blies ermüdend kräftig, doch das freundliche Winken des Schafhirten hat mich ermuntert. Ich bin zurück gefahren, hab mein Rennrad auf den Sand gelegt und den Mann begrüsst. 

Er hat sich verwundert erhoben. Der Mann im dunkelgrünen Kaftan ist jung, höchstens dreissig, obwohl sein sonnengebräuntes Gesicht schon Falten zeigt. Seine Augen blicken irgendwie leer, sein Lächeln zeigt bräunlich verfärbte Zähne - typisch für die Armen hier, die nie eine Zahnbürste in die Hände bekommen.

Ich frage höflich, ob ich ein Foto von ihm und den Schafen machen dürfe? Er meinte ja, aber... er wolle Geld dafür! Wo er denn wohne, wo seine Familie sei, frage ich. In Qena und er sei arm. Naja, das kann ich sehen. Hat auch ihn der Tourismus verdorben? Oder ist er so verzweifelt, dass er zum Betteln greift? Das werde ich wohl nie erfahren.




Freitag, August 22, 2014

Innehalten

Kürzlich war ich vor Sonnenuntergang mit dem Rad unterwegs und wenig später wusste ich nicht mehr, ob ich nach links oder nach rechts blicken sollte, denn Richtung Osten sowie Westen spielte zeigte sich mir Atemberaubendes: Links stieg ein riesiger Feuerball aus dem Meer, rechts versank ein bleicher Super Mond hinter den Bergen der Redsea Mountains.

Gestern Abend nun stieg ich aufs Dach, um den Sonnenuntergang zu beobachten und festzuhalten. Und  jeden Morgen und jeden Abend wiederholt sich dieses wunderschöne Naturphänomen.







Donnerstag, August 14, 2014

HRW-Bericht: Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Der Human Rights Watch Bericht nennt die Räumung der Protestlager der Mursi-Anhänger im Sommer 2013 in Kairo „wohl Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Beschuldigt werden nicht einfache und schlecht ausgebildete Polizisten, sondern die Machthaber, die das Massaker von langer Hand geplant haben.

Das Regime will von dem Bericht nichts wissen. Allein die Tatsache, dass HRW-Vertretern die Einreise nach Ägypten vor ein paar Tagen verwehrt wurde, spricht für sich. Die Schuldigen wollen vertuschen.

Jenes Massaker ist nicht das einzige. Seit ich die Ereignisse in diesem Land verfolge, gab es u.a.:

  • Die Kamel-Schlacht in Kairo Anfang Februar 2011, bei der Reiter auf Kamelen auf Demonstranten einschlugen, sie erstachen und erschossen
  • Maspero-Massaker in Kairo im Oktober 2011, wo hauptsächlich Kopten angegriffen, verletzt und gezielt getötet wurden;
  • Die Schlacht von Mohamed Mahmoud in Kairo im November 2011, bei der zusätzlich ein Scharfschütze eingesetzt wurde, der mehreren Demonstranten in die Augen schoss;
  • Schlägerei, schwere Folter und Tötung bei den Demonstrationen vor dem Präsidentenpalast im November und Dezember 2012, nachdem der damalige Präsident Mursi sich mit einem Dekret über den Staat gestellt hatte;
  • Massaker an Fussballfans in Port Said, März 2013, bei dem Notausgänge verriegelt waren und Fans mit Messern angegriffen, über die Tribünen in den Tod geworfen und zertrampelt wurden;

Soweit ich mich erinnere, wurden zum Teil Untersuchungen angestellt und auch Berichte erstellt. Diese blieben jedoch unter Verschluss; nie wurde jemand ernsthaft dafür zu Rechenschaft gezogen.

Weitere Übergriffe gegen die Menschenrechte waren und sind z.B.:

Montag, August 04, 2014

Mit den Augen der Europäerin

Während fünf Monaten habe ich versucht, mich mit den unsozialen Öffnungszeiten von Supermärkten, Bäckereien, Hallenbädern und Fitnesszentren zurechtzufinden und dabei von Ägypten geschwärmt. In dieser Zeit habe ich mich wieder an Sauberkeit, Pünktlichkeit, Recht und Ordnung gewöhnt und mich über perfekte Strassenbeläge, aufgefüllte Regale und unbeschädigte Warenverpackungen in den Geschäften gefreut.

Jetzt bin ich wieder zurück in Hurghada und stehe vor grossen Herausforderungen, denn mein Kopf denkt 100%ig europäisch und mein Verständnis für Unzulänglichkeiten hat sich tief im Nirgendwo vergraben. Dass hier alles nur mit Inscha’Allah geht, habe ich doch glatt verlernt. Mein Fehler.

Die neu bezogene Wohnung ist so neu, dass noch Baustaub an den Kacheln klebt, Holzspäne in den Schubladen liegen und abgeblätterte Farbe, Fugen- und Silikonreste den Fussboden zur Baustelle degradieren. Geschirr und Töpfe sind in Schachteln verpackt, das Blechbesteck im Plastiksack. Auf dem Balkon steht noch der Karton des Kühlschranks. Letzterer wiederum ist in ein so enges Fach gezwängt worden, dass ich die Türe nur mit Kraft öffnen kann und dies nicht weit genug, damit ich die Tablare herausnehmen kann.

Das wunderschöne taubenblaue Sofa hat Flecken vom Transport. Die Qualität und Stabilität der Möbel ist so schlecht, dass früher oder später etwas kaputt geht – auch bei sorgsamem Gebrauch. In den Küchenmöbeln ragen Schrauben zwei Zentimeter weit heraus. Sie sollen heute Abend noch abgesägt werden. Heute, wo ich endlich alle Schränke und Schubladen gereinigt und den Boden mehrmals aufgewischt habe. Ich fange also morgen von vorne an.

Eine Moskitotüre fehlt, der Abzug am Klo verhängt ständig, über dem Fernsehbildschirm klebt noch eine Folie. Batterien für die Fernbedienung habe ich selbst gekauft. Irgendwann kommt dann irgendjemand, um mir die Fernsehkanäle und den Satellitenempfang einzustellen. Ich brauche einfach noch Geduld – dabei fehlt mir die schon seit Tagen.

Die Wohnung ist neu, deshalb ist schon vieles kaputt oder funktioniert nicht. So hat mir ein Angestellter erklärt. Es hat Schäden von den Möbeln an den Wänden, an den Türen, zerbrochene Kacheln im Bad und Verputz- und Farbflecken. Seit ich eingezogen bin, kommt jeden Abend jemand, um etwas zu reparieren Inscha‘Allah – was danach doch nicht funktioniert. Jeden Tag wird mir auch die Waschmaschine versprochen. Die Duschwand fehlt auch noch und der gemauerte Duschboden ist so wacklig, dass kleine Pfützen stehen bleiben.

Nein, es ist keine Billigabsteige und ich habe die Wohnung schon vor zwei Monaten reserviert. Es ist einfach nur Ägypten und ich bin nicht mehr daran gewöhnt. Mindestens einen von den zwei Faktoren werde ich schnellstens ändern müssen!

Während meiner Abwesenheit habe ich auch meine eisernen Einkaufsregeln vergessen: 1) jedes Paket schütteln, um zu prüfen, ob es ungeöffnet ist, 2) Ablaufdatum prüfen, 3) Farbe der Ware prüfen und 4) Konsistenz prüfen (Ware betatschen sozusagen). Prompt bin ich mit einem Blauschimmelkäse nach Hause gekommen, der weder blau noch schimmlig hätte sein sollen. Ich habe ihn zurückgegeben, das war kein Problem – aber bei 41°C im Schatten überlegt man sich jeden Aufwand doppelt; ohne Auto und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Einkaufen ein grosser Aufwand. Aber auch das ist einfach nur Ägypten und ich bin nicht mehr daran gewöhnt.


Heute, vier Tage nach meiner Ankunft, ärgere ich mich schon nicht mehr (dafür habe ich schon keine Energie mehr) und in ein paar Tagen lache ich darüber – oder nehme es zumindest wieder völlig gelassen, Inscha’Allah.

Sonntag, Juli 27, 2014

Eine Münze erzählt

Wer die momentanen mörderischen Ereignisse in Palästina verfolgt, mag kaum glauben, dass dort mal Einigkeit zwischen Palästinensern und Juden herrschte - und zwar auf politischer Ebene. Die Münze erzählt es:


Wie weit sind wir DAVON entfernt!


Dienstag, Juli 22, 2014

Wem gehört das heilige Land?

Ein Video zeigt auf sarkastische Art, wer sich im Namen Gottes als Herrscher von Palästina bezeichnet und wie er dazu kam:



Gefunden auf: Free Arabs.

Sonntag, Juli 20, 2014

Gemetzel im Gazastreifen

Ich habe heute Morgen schon Mal einen Text über Israel und Hamas angefangen, aber wieder gelöscht. Nun kann ich mich nicht mehr zurück halten:

Allein heute sind mindestens hundert Zivilisten (das sind richtige Menschen: Babys, kleine Kinder, Jugendliche, Mütter, Väter, Alte, Behinderte!!!!) im Gazastreifen vorsätzlich und gezielt massakriert worden. Die Bilder zeigen Unmenschliches, sie zeigen Menschen, die in Kellern Schutz suchten. Ich kann nicht verstehen, weshalb niemand diese Wahnsinnigen stoppen will oder kann… oder sollen sie gar nicht gestoppt werden??? Hamas opfert Palästinenser und Israel tut dasselbe. Zählen Menschenleben denn überhaupt nichts mehr in der Politik? Leben wir im schwärzesten, tiefsten Mittelalter? Wer profitiert von dieser Schlacht? Spontan fällt mir nur ein: weitere Jihadisten, besonders IS (der neu ausgerufene Islamische Staat, der m.M. nach die nächste, ernste Gefahr über die Region hinaus ist). Dann gräbt Hamas sein eigenes Grab und Israel provoziert einen brutalen Krieg.

Die Angriffe spielen sich im Ramadan ab, dem heiligen Monat der Muslime – das ist wie bei uns Weihnachten und Ostern. Hunderttausende fliehen wohin auch immer, mehrere Hundert Palästinenser wurden in diesen Tagen von den Israelis  umgebracht.

Der Nahe und Mittlere Osten hat mit Al Qaida, Ansar Bait El-Maqdis, den Muslim Brüdern, den IS, Jabhat Al Nusra, Hamas und anderen Extremisten- und Jihadisten-Gruppen doch wirklich schon genug hasserfüllte Krieger auf seinem Boden.

Hass erzeugt nur noch mehr Hass. Wie hasserfüllt müssen die Palästinenser nun mit gutem Grund sein? Mit diesem Gemetzel wird doch nur noch mehr Hass geschürt und weitere blutrünstige Jihadisten werden geboren!

Sieht denn niemand, welche Gefahr vom Nahen und Mittleren Osten auch für die angrenzenden Regionen droht? Ist der Westen so froh, dass sich momentan alle „Gotteskrieger“ in dieser Weltregion tummeln und sie diese vermeintlich los sind? Der Schuss wird früher oder später zum Bumerang. Niemand greift ein, um Palästinenser, Syrier und Iraker vor den Extremisten zu bewahren – das geht nicht lange gut. Bewahre vor dem, was da noch auf uns zukommt!

Ergänzung (Link in Englisch):
http://muftah.org/38-reasons-support-bds-movement/#.U8wnbfl_uSp

Der Gipfel der Unmenschlichkeit sind Israelis, die abends im Freien sitzen, um die Raketeneinschläge im Gazastreifen zu bejubeln und die jeden toten Palästinenser feiern.
Welch ein Abschaum!

Ich schäme mich für die schweigenden westlichen Politiker!

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Samstag, Juli 19, 2014

Vergessene Menschen II

Im April habe ich hier einen Hilfeaufruf veröffentlicht. Es ging darum, den in den Red Sea Mountains lebenden Beduinen zu helfen, nachdem die Regenflut im März all ihr Hab und Gut davon geschwemmt hatte. Danke an all jene, die sich mit Robby Schropp deswegen in Verbindung gesetzt haben und danke an meine Freunde und Bekannten für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung.

Abseits der LKW-Pisten hatte Robby zwischen 2009 und 2011 zusammen mit den Beduinen einen Marktplatz aufgebaut. Hier trafen sich Produzenten aus dem Hinterland mit Abnehmern, die an der Küste wohnen und dort Käse, Eier, Fleisch und Wolle verkauften. In einem grossen Wasser-Reservoir wurde das kostbarste Gut der Wüste aufbewahrt.

Bevor der Platz ausgewählt worden war, wurden die Ältesten zu Rate gezogen und keiner konnte sich erinnern, dass hier jemals Wasserfluten gewütet hatten. Der Platz wurde als sicher eingestuft, die Natur meinte es anders.

Was aus diesem Marktplatz geworden ist, seht bitte auf den folgenden Bildern: 











Ob der Platz irgendwann wieder aufgebaut werden kann, steht in den Sternen, denn es fehlen die Mittel dazu. Wer helfen möchte, wende sich bitte direkt an Robby oder an mich.

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Samstag, Juli 12, 2014

Handeln oder wegschauen – der kleine Unterschied

Momentan sehen Hunderte von Millionen von Menschen auf Fernsehbildschirmen zu, wie sich 22 Männer auf einem künstlichen Rasen um einen Ball balgen. Der Anlass nennt sich Fussball-Weltmeisterschaft und ist eine gigantische, von den Medien inszenierte Geld-Maschine. Spätestens seit den Halbfinals erliegen sogar jene, die sonst nichts mit diesem Ballspiel am Hut haben. Alle Welt guckt hin.

Donnerstag, Juni 26, 2014

Unser Irrtum

Mit „unser“ meine ich Menschen wie ich, die im Westen mit liberalen und demokratischen Wurzeln aufgewachsen sind. Alleine bin ich deshalb kaum.

Der „Irrtum“ bezieht sich auf all die von den Medien und in unsere Köpfe hinein projizierten Hoffnungen auf eine bessere (arabische) Welt, als der „Arabische Frühling“ zu einem Begriff wurde. Spätestens im November 2010 begann ich mich zu fragen, wie lange es noch gehen würde, bis sich die Ägypter gegen die Diktatur gemeinsam auflehnen würde; nach über drei Jahren bin ich enttäuscht und frustriert, manchmal auch traurig. Auch da bin ich nicht alleine.

Nostalgie
So einig, hoffnungsvoll, stolz und glücklich wie während den Protesten nach dem 25.1.2011 bis nach Mubaraks Sturz werden sich die Ägypter wohl lange nicht mehr fühlen. Es waren emotionsgeladene und spannende Tage. Jahrzehntelange aufgestaute Unterdrückung, Wut und Ärger auf Ungerechtigkeit und Willkür fanden endlich einen Weg nach Draussen. Ganz Ägypten taumelte vor Glück und feierte den vermeintlichen Sieg. Eine Welle von Enthusiasmus schwappte durchs Land: Strassen wurden gefegt, Abfall weggeräumt und mit den Toten das zurückliegende Leid begraben.

Die riesige Hoffnung auf Gerechtigkeit, ein ehrlicheres Ägypten und ein besseres Leben wurde mit gezielten, schrecklichen Ereignissen stückchenweise zerstört und liegt jetzt wie Scherben nach einem Bombenangriff in alle Richtungen verstreut. Heute, gut drei Jahre später ist Ägypten weiter von einem Rechtstaat, Demokratie und Respektierung der Menschenrechte entfernt, als es im Januar 2011 war.  Stattdessen feiert es einen weiteren Diktator und sieht in ihm den Heilsbringer.
Keines der vielen Probleme Ägyptens wurde gelöst, keine der Forderungen des Volkes erfüllt. Übergangs- und gewählte Regierungen kamen und stützten das Regime – nicht aber die Revolution. Die Revolutionäre sitzen im Gefängnis oder haben sich enttäuscht abgewendet, sind ins Ausland geflohen oder wurden ermordet. Der Staat ist faktisch bankrott und wird von ausländischen Geldgebern künstlich am Leben gehalten. Ist das Volk zu schwach?

Montag, Juni 16, 2014

Faszination Red Sea Mountains

Da ist sie wieder, diese unstillbare Sehnsucht nach Landschaft: Weite, Höhe, Leere. Während wir mit dem Jeep über die Sandpiste brausen und braune, rosafarbene und hellgraue Felsen herannahen, fallen meine Gedanken zurück.

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Als junges Mädchen verschlang ich Abenteuerbücher zuhauf. Fernsehen interessierte mich nicht. In meinem Kopf spielten sich die Filme ab, die ich aus den Buchstaben und Zeilen kreierte: Kamel-Karawanen durch die Sahara, Piloten, die nach dem Absturz in der Kalahari dank ihrem Wissen überlebten, und all die erfundenen Märchen von Kara Ben Nemsi… Das war meine Welt.

Später dann sah ich „echte“ Wüste: zuerst in Südamerika, dann hier in Ägypten. Als ich das erste Mal mit dem Touristenbus von Luxor nach Hurghada fuhr, riss ich die Augen weit auf: da waren Berge, mitten in der Wüste! Unbewusst prägte ich mir die Strecke ein. Jahre später, bei der zweiten Fahrt in umgekehrter Richtung, erkannte ich sie wieder – das ist meine Landschaft.

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Robby lenkt den Jeep durch ein schmales Flussbett, links und rechts liegen Sandsteinschichten in zartem beige, hellem gelb und rosa übereinander. Meterhoch harren scheinbar zu Stein erstarrte Wellen in der Stille aus, geben Schätze preis und erzählen ihre Geschichte – demjenigen, der hinhört und hinsieht: Korallen, Fossilien und Nistplätze für Vögel. Und mitten in diesem Backofen blüht und grünt es: Drei Monate nach den zerstörerischen Regenfällen im März dieses Jahres blüht die Wüste noch immer. Bunte Blumen, grüne Kräuter und Sträucher – ich bin entzückt. Meine Mitfahrer hingegen beugen sich über Fossilienabbildungen in den Korallenblöcken – 40 km Luftlinie von der Küste des Roten Meeres entfernt.

Die Reifenprofile hinterlassen vergängliche Spuren auf einer weiten, offenen Ebene. Im fernen Dunst ragen die Zacken der Red Sea Mountains hoch; hin und wieder steht inmitten des Nichts eine Akazie. Nach ein paar Kilometern wieder eine, wie durch einen unterirdischen Wasserkanal miteinander verbunden.  Dazwischen liegen Dornbüsche oder auch nur Steinwüste. Der Regen hat den vom Wind verwehten Sand weggespült, hinab zur Küste. Geblieben ist Geröll. Bald, sagt Robby, versinkt das Geröll wieder im Sand und der Untergrund wird wieder weich.

Wie lange sind wir schon unterwegs? Ich habe den Sinn für die Zeit verloren; zum Glück. Hier gibt es keinen Lärm, keinen Abfall, kaum menschliche Spuren – weshalb dann Zeit? Die Sonne steht hoch am Himmel, die Luft wird klarer und wir fahren in ein Tal hinein. Heller Granit glänzt in der Hitze, schwarze brüchige Felsen sind offenbar stets in Bewegung. Dazwischen liegt ockergelb der Sand. Wir folgen dem Verlauf des Wadis bis es nicht mehr weiter geht. Robby führt uns über Geröll zu einem kleinen Pass hinauf, wo wir einen atemberaubenden Blick auf noch mehr Landschaft werfen: zu unseren Füssen breiten sich die Red Sea Mountains aus: Felsen, Gipfel, Täler, Felsen, Gipfel, Täler, … westwärts hin zum Nil, südwärts in den Nordsudan. Ich würde am liebsten weiter gehen, weiter wandern, weiter… Doch jetzt im Sommer ist es zu heiss, ich könnte ja nicht mal meinen Wasserbedarf mit mir tragen. Aber im Winter lässt sich das machen, wenigstens ein paar Tage.

Wir verlassen das enge Tal, fahren tiefer in die Berge… Manchmal ist der Untergrund weich, die Reifen des Jeeps graben sich tief in den Sand ein, doch Robby steuert das Fahrzeug zuverlässig wieder auf sicheren Untergrund.

„Stopp!“ rufen, war vereinbart für einen Fotohalt; doch Robby schüttelt unwillig den Kopf. Er verlangsamt die Fahrt und nach der sechsten oder siebten Akazie über der unsichtbaren Lebensader hält er den Jeep an. Hier, im Schatten „seiner“ Akazie werden wir rasten und essen. Innert Kürze baut Robby ein Barbecue aus dem Nichts auf und verwöhnt uns mit kühlem, frischem Salat, gegrilltem Hähnchen mit Kartoffeln sowie Gemüse. Frische Früchte und Tee folgen zu unserer Überraschung. Faulenzen fällt uns in der Hitze und mit vollem Bauch nicht mehr schwer.

Wir brechen wieder auf, rollen hinaus aus dem Tal, um den Berg herum, wieder durch ein weiteres Tal, von dem sich die Felsflanken allmählich zurück ziehen; wir verlassen die Berge, doch zuerst erklimmt der Jeep noch eine steile Sandflanke, bis er stecken bleibt. Die restlichen Meter kraxeln wir zu Fuss hinauf und bleiben oben erneut atemlos stehen: wir blicken über die riesige Sandebene zwischen Bergen und Küste, erkennen dort einen feinen weissen Streifen und dahinter das unscharf blau schimmernde Meer. Was für ein Abschluss für diesen Tag!

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Und jetzt, sieht mich Robby fragend an? Meine Antwort: Da ist sie wieder, diese Sehnsucht nach Landschaft, die nie gestillt werden kann, sondern immer nur zunimmt.


Die hier beschriebene Tour war ein Tagesausflug per Jeep mit Robby Schropp von iQ-onTour. Robby organisiert Touren und Trekkings (ein oder mehrtägig) nach Wunsch für Individualisten und Naturliebhaber, Wissbegierige und Outdoor Freaks. Die Touren werden sorgfältig und mit viel Herzblut organisiert und durchgeführt. Weitere Infos direkt bei iQ-onTour.

Einige Eindrücke: