Der Human Rights Watch Bericht nennt die Räumung der
Protestlager der Mursi-Anhänger im Sommer 2013 in Kairo „wohl Verbrechen gegen
die Menschlichkeit“. Beschuldigt werden nicht einfache und schlecht ausgebildete
Polizisten, sondern die Machthaber, die das Massaker von langer Hand geplant
haben.
Das Regime will von dem Bericht nichts wissen. Allein die
Tatsache, dass HRW-Vertretern die Einreise nach Ägypten vor ein paar Tagen
verwehrt wurde, spricht für sich. Die Schuldigen wollen vertuschen.
Jenes Massaker ist nicht das einzige. Seit ich die
Ereignisse in diesem Land verfolge, gab es u.a.:
- Die Kamel-Schlacht in Kairo Anfang Februar 2011, bei der Reiter auf Kamelen auf Demonstranten einschlugen, sie erstachen und erschossen
- Maspero-Massaker in Kairo im Oktober 2011, wo hauptsächlich Kopten angegriffen, verletzt und gezielt getötet wurden;
- Die Schlacht von Mohamed Mahmoud in Kairo im November 2011, bei der zusätzlich ein Scharfschütze eingesetzt wurde, der mehreren Demonstranten in die Augen schoss;
- Schlägerei, schwere Folter und Tötung bei den Demonstrationen vor dem Präsidentenpalast im November und Dezember 2012, nachdem der damalige Präsident Mursi sich mit einem Dekret über den Staat gestellt hatte;
- Massaker an Fussballfans in Port Said, März 2013, bei dem Notausgänge verriegelt waren und Fans mit Messern angegriffen, über die Tribünen in den Tod geworfen und zertrampelt wurden;
Soweit ich mich erinnere, wurden zum Teil Untersuchungen
angestellt und auch Berichte erstellt. Diese blieben jedoch unter Verschluss;
nie wurde jemand ernsthaft dafür zu Rechenschaft gezogen.
Weitere Übergriffe gegen die Menschenrechte waren und sind z.B.:
- Die Brandschatzung, Übergriffe und Drohungen, das Kidnappen und Ermorden von Christen im letzten Sommer hauptsächlich in El Mynia, aber auch anderswo und immer schon;
- Die Todesurteile über Hunderte von angeblichen Muslimbrüdern in Massenprozessen ohne Zulassung von Beweisen oder Zeugen und ohne Gerichtsverhandlung;
- Die Anklage und das Festhalten von Journalisten und Aktivisten aufgrund erfundener Verbrechen und gefälschter Beweise, das Hinauszögern von Gerichtsverhandlungen, ohne Aussicht auf Rechtsbeistand und Gerechtigkeit und unter Ausschluss der Öffentlichkeit;
- Das willkürliche Festnehmen und Verurteilen von unschuldigen Passanten und Strassenkindern sowie Folterung und Verweigerung von ärztlicher Hilfe in Gefangenschaft
Und so weiter und so fort. Ägypten ist ein Un-Rechtsstaat.
Der neueste Bericht der Menschenrechtswächter rührt auf und er fordert die
UNO-Mitgliedstaaten zu Sanktionen auf. Wenn überhaupt, wird der Bericht
oberflächliche Reaktionen hervorrufen. Es geht um Politik, um die Wahrung und
Festigung von strategischen Interessen und nicht um Menschenleben. Soll denn
z.B. Russland gegen seinen Wirtschaftspartner eintreten, wo die beiden Länder
doch gerade ihre Beziehung intensiv auffrischen? Oder etwa Saudi Arabien oder
die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich grad aufmachen, grosszügig in
Ägypten zu investieren und das Land nicht finanziell kollabieren lassen? Oder
etwa die USA, die Ägypten im bestehenden Dschihadisten-Dschungel als
strategischen Partner nicht fallen lassen kann?
Träume! Nichts wird sich ändern, ausser Ägypten schafft es,
sich eine ehrliche, menschenwürdige Regierung zu erkämpfen. Momentan herrscht
der eisige, grausame Wind der Militärdiktatur – da ändern die sorgfältig
erarbeiteten Berichte von Menschenrechtsbeobachtern nichts.
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