Dienstag, Mai 26, 2020

Blick zurück ins 2020 (Schluss)


Also, wo war ich mit meinem (fiktiven) Rückblick ins Jahr 2020? Ah, ja, hier, beim Überwachen.

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Grüsse von George Orwells „1984“
Ich kann mich noch erinnern, wie paradiesisch sich die neu gewonnene Freiheit anfühlte, als wir endlich alle Einschränkungen los waren. Endlich wieder normal leben, endlich wieder Freunde und Familie treffen, sich umarmen, lachen, ins Kino gehen, Eis essen, schwimmen gehen und halt all das tun, was wir so lange nicht mehr tun durften.

Die wahre Freiheit hatten wir derweil schon längst verloren. Wir wurden überwacht. Rund um die Uhr. Und das Schlimme ist: Wir sind selbst daran schuld.

Hinterliessen wir zuerst unaufgefordert unsere Spuren via Computer im Internet, taten wir dies zunehmend mit unseren Smartphones. „Peilgerät“ hat es mal ein Kommentator genannt – ein Gerät zum Orten einer Person. Mit jedem Klick, mit jeder Nachricht und jedem Anruf wurden wir geortet.  Mir ist noch immer schleierhaft, wie sich jemand eine Apple Watch anschaffen konnte, um jeden seiner Schritte, Schnaufer und Schubser aufzuzeichnen.  Es war ein Trend, der viele Nachahmer und Weiterentwickler fand. Andere zeichneten ihre Trainings auf und veröffentlichten sie im Netz. Nach der Krise wurden uns Corona-Tracker aufgeschwätzt. Mitmachen war quasi freiwillig – und die Leute stürzten sich kopflos auf diese neue Überwachungsmöglichkeit. Ich kann es heute noch nicht begreifen. Nach dem Tracker kam das Gesundheitsattest, das wir immer auf uns tragen sollten, weil wir es bei Reisen und beim Eintritt in Restaurants und andere öffentliche Räume vorweisen sollten. Da dies unpraktisch war, wurde es bald mal in einem Chip verpackt. Irgendwann wurde der Chip in eine App ausgelagert, die wir wiederum „freiwillig“ und „kostenlos“ herunterladen durften.

Gleichzeitig mit dem digitalen Boom, den zunehmend leistungsfähigeren Winziggeräten und den regulierungs- und kontrollbesessenen Behörden kamen weitere „freiwillige“ Aufzeichnungsprogramme hinzu. Die warnenden Stimmen von Gegnern wurden in den Wind geschlagen, man schimpfte sie „Fortschritt-Verhinderer“. Zum vermeintlichen Wohle aller ordnete sich die Menschheit gierig und dienstbeflissen der Totalüberwachung unter: Die Apps speichern, was wir wann und wo und mit wem essen, wo wir uns wie und wann und mit wem bewegen. Sie wissen, ob unser Herz schnell oder langsam schlägt, ob wir übergewichtig sind oder nicht. Es zeichnet auf, welche Radio- und Fernsehprogramme wir uns anhören bzw. ansehen und welche Apps wir anwenden. Alle Daten werden gesammelt und verschlüsselt an die Behörden geschickt. Klasse. Eine Heerschaar von Statistikern verarbeitet die Masse zu einem sinnlosen Brei, den wir regelmässig mit Warnungen oder Lob vorgesetzt bekommen.

Wir können uns kaum mehr davor schützen. Haben wir früher freiwillig unsere Spuren im Internet gelegt, die wir, wären wir nur klug genug gewesen, jederzeit mit etwas Aufwand hätten löschen können, werden wir jetzt gezwungen, sie preiszugeben. Seit einem Jahr oder so erhält der Widerstand aber wieder mehr Unterstützung. So gibt es in einigen westeuropäischen Ländern endlich Bestrebungen, diese Totalüberwachung wieder etwas zurück zu schrauben oder jedem Menschen das Recht einzuräumen, die Daten regelmässig löschen zu lassen. Die digital-verliebten Skandinavier sind schon weiter: Den Einwohnern steht es zu, selbst auszuwählen, ob und wie sie überwacht werden und ob sie diese Daten weiterleiten möchten oder nicht.

Ich habe noch immer kein Smartphone, verwende jedoch zu Hause und auf Reisen ein kleines Tablet. Doch mir und ein paar Gleichgesinnten wird das Leben wegen meiner Abstinenz schwer gemacht. Oft erhalte ich keinen Zugang zu einer Leistung oder einem Angebot oder ich muss mich jeweils an den Kundenschalter begeben und mich umständlich erklären. Ich nehme es in Kauf – so kann ich mir noch eine winzige (eingebildete?) Freiheit wahren.

Und das Gesundheitswesen?
Das ist logischerweise durch die Krise auf den Kopf gestellt worden. Wurde im Jahrzehnt davor quasi zu Tode gespart – die Politiker brüsteten sich mit den gelungenen Kosteneinsparungen – wird nun mit der grossen Kelle angerichtet – die Politiker brüsten sich mit ihrer Grosszügigkeit. Wie immer: Das berühmte Fähnchen im Winde. Die höheren Kosten im Gesundheitswesen belasten natürlich wieder die Steuerzahler, und zwar mehrfach: höhere Prämien, höhere Einkommenssteuern, höhere Mehrwertsteuern, höhere Beiträge an die Altersversorgung, längere Lebensarbeitszeit.

Sonntag, Mai 17, 2020

Blick zurück ins 2020 (Teil IV)


Hallo, da bin ich wieder und erzähle weiter von den (fiktiven) vergangenen fünf Jahren...

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Verkehr / Umwelt

Damals, während der Ausgangssperre, als wir alle nur daheim hockten und der Verkehr zu Luft, Land und Wasser um 90% schrumpfte, musste jedem auffallen, wie unsere Meere und Seen plötzlich sauberer waren, wie sich Fische und Korallen, Pflanzen, Insekten und Vögel von unseren störenden und zerstörerischen Eingriffen erholten. Städter atmeten smogfreie Luft, Stille verdrängte den Lärm.

Anfangs habe ich mir versucht vorzustellen, was wohl in den Fischen hier am Roten Meer vorgehe, ob sie sich wohl fragten, wo denn alle diese komischen zappelnden länglichen Lebewesen mit Plastik an den Flossen und am Kopf geblieben seien; jene farbigen Dinger, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen plötzlich in ihr stilles Blau eindrangen. Ich stellte mir vor, wie sie vor Freude übermütig juchzten und tanzten. Aber das ist natürlich Blödsinn – ihr Dasein ist Überlebenskampf, mehr nicht. Nur wir finden das hübsch anzusehen.

Für manchen von uns ist das Dasein auch nicht viel anders.

Sonntag, Mai 10, 2020

Blick zurück ins 2020 (Teil III)


So, dann erzähle ich also weiter von den (fiktiven) vergangenen fünf Jahren.

Politik

Was mich damals schon von Anfang an wunderte, also kurz nach meinem Geburtstag – denn das war ein Wendepunkt für mich. Damals begrüsste ich meine Freundinnen noch mit Küsschen; zwei Tage später unterliessen wir das. Also, mich wunderte die Tatsache, dass keine Regierung ein professionelles Krisenmanagement auf die Reihe brachte. Ich habe mal in einem Helikopterbetrieb gearbeitet (liebe Grüsse an meine ehemaligen Kollegen, besonders Willy, Robi und Dänel 😀). Dort hatten wir ein sogenanntes Krisenhandbuch, in welchem genau festgehalten war, was, wer, wie und wann in welchem Katastrophenfall zu tun hatte. Ich hatte damals auch einen Ernstfall miterlebt und war froh, dass wir uns an dieses Krisenhandbuch halten konnten.

Aber zurück zu unserer Katastrophe. Später, im Spätfrühling 2020 sickerte da und dort durch, dass die Verantwortlichen schon sehr früh gewarnt worden waren. Es gab Studien, die schon 2010 auf eine mögliche Pandemie hinwiesen. Konkretere Warnungen erschienen im Herbst 2019. Sie wurden ignoriert. War dieser Virus aus Wuhan gar nicht so gefährlich, wie er uns verkauft wurde? Und wenn er doch so schrecklich gefährlich war, warum wurde denn monatelang nur nach Wuhan geguckt und nichts unternommen? Warum nur hatten unsere hochbezahlten Spezialisten und ihre Heerscharen von Geldempfänger nicht auch ein „Krisenhandbuch“ erarbeitet, um für die Katastrophe bereit zu sein? 

Was da in den Monaten ab Februar 2020 geschah, war allenfalls ein Durchwursteln, kein souveränes Handeln… Vielleicht eher ein Balancieren zwischen Opportunismus und Beschwichtigung, zwischen Eindämmung und Vertuschung???

Freitag, Mai 08, 2020

Morgenstund auf dem Rennrad


So geht es auch: Heute früh aufs Rennrad, eine leichte Brise hält die Temperatur angenehm. Vorbei an den gepflegten, bunten Blumenbeeten der Hotels, hinaus ins Blaue.

Kein Verkehr. Kein Lärm. Über mir auch kein Flugzeug im Landanflug. 

Die Wachmänner sind tief über ihre Smartphones gebeugt als ich komme. Ich grüsse fröhlich, worauf sie hochschrecken. Einer springt sofort herbei und schiebt die schwere Abschrankung zur Seite.

Ich radle weiter, durch die Wüste, nun mit Blick auf die Bucht von Sahl Hasheesh. Am östlichen Horizont hängt noch ein von der Nacht übrig gebliebenes, weisses Wolkenband. Wenn die Tageshitze kommt, wird es sich auflösen.

Da und dort höre ich, wie auf Baustellen gehämmert und gebohrt wird. Die Bauarbeiter sind früher auf als ich. Macht nichts. Auch die Gärtner, sie hegen und pflegen die Rasenflecken, Büsche und Blumen. Bewässert wird von Hand aus dicken Schläuchen oder mit Sprinkleranlage. Vögel hüpfen von Baum zu Baum, munter zwitschernd.

Auf dem Rückweg weht mir eine steife Brise entgegen und kühl ist sie auch nicht mehr wirklich. Bei einem dieser wunderschönen Blumenbeete stelle ich mein Rad an einen Lampenpfosten und pflücke mir einen Strauss, den ich in meinem Radtrikot nach Hause führe. Arbeiter vom Hotel nebenan beobachten mich aufmerksam. Bin wohl grad eine Abwechslung zum Smartphone.

Die Polizei hupt wieder, als ich an ihnen vorbei komme. Ich winke.

Hat wohl getan 😊


Mittwoch, Mai 06, 2020

Blick zurück ins 2020 (Teil II)


(Es geht weiter mit meinem fiktiven Rückblick 😉)

Da bin ich wieder. Also die letzten fünf Jahre waren sehr bewegend. Viele von uns haben wohl Höhen und Tiefen erlebt, sahen den Sinn nicht mehr. Die Ungewissheit und die Machtlosigkeit zehrten an unserer Motivation und unserer Energie. Trotz allem fand ich diese Zeit extrem interessant und spannend, denn so vieles hat sich verändert.

Interessant zu beobachten war der Zerstörungskampf der Giganten der Erdölförderer. Sie haben sich regelrecht zerfleischt. Fracking liegt seit Herbst 2020 still, lohnt sich nicht mehr und wird wohl auch nie mehr ein Thema werden. Erdöl wurde erst im Laufe des Jahres 2023 wieder auf tiefem Niveau gefördert. Der Nachfragerückgang und ökologische Überlegungen sowie das riesige Überangebot hatten dazu geführt, dass während beinah drei Jahren kein Rohöl mehr gefördert wurde. 

Sonntag, Mai 03, 2020

Blick zurück ins 2020 (Teil I)


Wir sind im Jahr 2025 😉

Ich stehe auf dem Balkon und blicke aufs Meer hinaus. Dort draussen, auf den tiefblauen und smaragdfarbenen Wellen tanzen weisse Punkte. Es windet leicht, so ist es angenehm, im Freien zu frühstücken. Eigentlich hab ich schon gefrühstückt, mein Müesli, wie immer, nur Kaffee trinke ich noch. Ich winke meinen Nachbarn zu. Auch sie sitzen jeden Morgen draussen und geniessen den Blick aufs Meer und die morgendliche Stille. Meine Pflänzchen haben sich endlich erholt, sie blühen üppig und bringen knallrote Farbtupfer hervor. Nur der Basilikum serbelt so vor sich hin. Doch meine Gedanken wandern zurück, in jenes „Pandemie-Jahr“, das wir alle wohl nie mehr vergessen werden.

Fiktiver Blick zurück

Damals, im Frühling vor fünf Jahren, stand die Welt still. Ausgangsverbot. Börsencrash. Stillstand. Wir wurden, im Namen eines Virus mit dem Namen COVID-19, sämtlicher Freiheiten beraubt.