Samstag, Februar 07, 2015

Luxor aus anderem Blickwinkel

Zum dritten Mal schon fand das Luxor Egyptian & European Filmfestival statt. Endlich hatte ich die Gelegenheit, nach Luxor zu fahren, um mir Filme anzusehen. Ich liebe Kino, ich liebe Arthouse Filme; nicht diese Kassenknüller, sondern besondere, ausgefallene, stille Filme, welche Momente einfangen und diese subtil erzählen. Filme, die durch ihre Authentizität berühren.

Ich bin voll auf meine Rechnung gekommen. An drei verschiedenen Standorten wurden die Filme gezeigt. Jene, die ich mir ausgesucht habe, waren sehr schwach besucht: 10-20 Zuseher waren jeweils da. Einzig die ägyptischen Filme brachten den Saal voll; ich sah „Katz und Maus“ und musste – obwohl der Film in Arabisch und ohne Untertitel war, Tränen lachen. „ Sea Shadow“, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hat mir am besten gefallen. „Der Mann von Oran“, ein algerischer Film, hat mich auch sehr berührt. „Leviathan“ konnte ich nicht zu Ende sehen – ich wusste, wie der Film ausging – er erinnerte mich zu sehr an die Realität in Ägypten. Technisch beeindruckt hat mich der restaurierte Film „Das Weib des Pharaos“; ein Stummfilm von Ernst Lubitsch, der aus mehreren Teilen in jahrelanger Arbeit rekonstruiert worden war.

Als Ausländerin im eigenen Auto unterwegs
Die Fahrt nach Luxor im eigenen Auto habe ich genossen wie eine Prinzessin. Endlich nicht mehr in einem Bus sitzen müssen und nicht mehr wissen, wohin mit den Beinen, nicht wissen, wie die natürlichsten Bedürfnisse befriedigen, nicht wissen, wann man denn endlich am Ziel ankommt. Und dort dann, wenn man endlich da ist, von den Taxifahrern und Kutschern und anderen Typen wie ein Kuhfladen von Fliegen befallen werden, um seine Pfundnoten schneller loszuwerden, als einem lieb ist. Irgendwie die Fliegen abwimmeln und davon laufen…. So war es bisher.

Natürlich war meine An- und Rückreise nicht ganz einfach. Die Strecke führt durch die Berge und die Wüste. Es gibt Check-points, einige gefährliche Löcher und noch gefährlichere Fahrer. Und es gibt Varianten. Seit ein paar Jahren kann man statt dem Nil entlang und durch alle Dörflein über eine gut ausgebaute Wüstenstrasse wenige Kilometer weiter im Hinterland nach Luxor fahren. Doch der Polizist am Check-point wollte mich zuerst nicht durchlassen; es gebe auf der Strecke keine Check-points (umso besser!), es gäbe keine Sicherheit und die Strasse wäre gefährlich (gefährlicher als durch die Dörfer, wo sich ständig Minibusse, Eselkarren, Radfahrer, Fussgänger, Busse, Lastwagen und Autos durchdrängen?). Zum Glück liess er mich dann durch; die folgenden 90 km spulte ich sorglos ab, denn die Strasse war wenig befahren und einwandfrei – und verlief durch imposante Wüstenlandschaft mit ein paar grünen Kulturflächen.

Auf dem Rückweg wollte ich der Westbank entlang, da wurde ich aber zurück gepfiffen. Allerdings verstehe ich nicht, weshalb Ägypter weniger gefährdet sein sollen, als ich. Also nahm ich wieder die Wüsten-Strecke – von dieser Seite her hielt mich niemand mehr auf und ich raste zurück nach Hurghada. In Hurghada schaut auch niemand mehr, wenn eine Ausländerin ein Auto fährt.

Als AusländerIN (!) in Luxor
Am meisten Sorgen hat mir dieser Teil gemacht, denn ich ertrage die ständigen Belästigungen der Wort-Wegelagerer einfach nicht mehr. Ich kämpfe für mein Recht, in Ruhe und ohne Belästigung herumspazieren zu können – oder ich vermeide die Zone. Aus diesem Grund habe ich mir ein sehr hübsches, kleines Hotel auf der Westbank ausgesucht und wurde belohnt. Neu, sauber, liebevolle und aufmerksame Betreuung durch die Inhaberfamilie und für bescheidenere Budgets. Das Hotel liegt ca. zehn Minuten von der Fähranlegestelle, etwas versteckt und ruhig.

Das war das Positive.

Das Negative: auf Schritt und Tritt hörte ich alle möglichen Begrüssungen und wurde Hundert Mal gefragt, ob ich ein Taxi, einen Bus, eine Kutsche, ein Toktok, ein Motorboot oder sonst was suche/brauche/möchte. Ich fing an, meinem aufgestauten Frust Luft zu machen, indem ich Kinder, Jugendliche und Erwachsene aufklärte, dass ich nicht alle zehn Meter jeden Tag seit sieben Jahren „Hello Madame“, „Good morning“ und wer weiss was noch hören möchte. Ich erklärte ihnen, dass sie kein Recht hätten, uns (Frauen, Ausländer) ständig anzuquatschen. Ich erklärte ihnen, dass sie uns vertrieben und so kein Tourist mehr Lust habe, nach Luxor zu kommen (tatsächlich hat Luxor katastrophal schlechte Kriterien i.S. Belästigungen). Ich sagte ihnen, dass wir die Schnauze voll hätten, von ihren Anpöbeleien, ihren Anbiederungen und ihrer geheuchelten Freundlichkeit. Sogar zweijährige Kinder rufen „Hello“ und ein Fünfjähriger rief „Taxi Madame“ und zeigte auf den Sattel seines Kindervelos!!!! Ich frage mich, welches Beispiel da die Erwachsenen abgeben. Wir (Ausländer) werden wohl nur als Geldbeutel auf zwei Beinen betrachtet.

Selbst unter den einheimischen Reiseführern ist Luxor deswegen verhasst. Es hat einen äusserst miserablen Ruf und in den paar Tagen, während denen ich in Luxor war, habe ich (in der Öffentlichkeit) nur ganz wenige Menschen getroffen, die mir respektvoll gegenüber traten. Das Stadtzentrum und den Souq habe ich vermieden – meine Nerven reichten trotz guten Willens nicht mehr aus. Denn schon am zweiten Tag versetzte ich einem Jüngling einen Kinnhaken (ja, leider, und das ist nicht lustig, auch wenn es sich so liest!) und am dritten rief ich lauthals nach der Polizei. Ich wurde weder angegriffen, noch bestohlen, sondern: verbal belästigt. Aber auf eine Art und Weise, dass ich eine Anzeige machte. Selbst das Zauberwort (in Arabisch „respektiere dich bitte“) wirkte nicht mehr. Wenigstens für ein paar Stunden oder ein paar Tage werden die Profi- Belästiger den Mund gehalten haben – mehrere Dutzend Männer waren Zeugen.

Luxor, eine historische Schatztruhe
Schade. Schade um diesen wunderbaren, einzigartigen Ort, wo die grössten und berühmtesten Tempel und Gräber der Pharaonen liegen; wo einmalige historische Schätze noch immer unentdeckt und unerforscht unter dem konservierenden Sand der Sahara liegen. Luxor ist leer, die historischen Denkmäler werden wenig besucht. Die Leute verhungern fast. Viele wissen schon lange nicht mehr, wie über die Runden kommen. Der Tourismus hat sich in den vergangenen vier Jahren nur wenig erholt. Und nur ganz wenige profitieren von dem verbliebenen Rest. Die Preise sind tief gefallen. Viele Juwelier- und Souvenirgeschäfte sind verstaubt und verriegelt. Restaurants, welche die Gäste ganzer Reisebus-Gesellschaften verpflegten, sind geschlossen. Einmal speiste ich in einem sehr bekannten Restaurant – ich und noch zwei Touristen waren die einzigen Gäste; einmal ass ich auf einer Dachterrasse mit Blick zum Hatschepsut-Tempel westwärts und Luxor ostwärts – und war alleine. Himmeltraurig ist das.

Umso mehr lohnt es sich für unerschrockene und aufgeschlossene Reisende, sich diese aussergewöhnlichen Raritäten jetzt anzusehen. Ich habe extra noch einen Tag angehängt, um mir einige weniger oft besuchte Gräber auf der Westbank anzusehen (und am Abend zwei weitere Filme anzugucken!). Und siehe da: mit Ausnahme eines jungen Kerls waren die Grabwächter äusserst freundlich, respektvoll und geduldig. Ich bestaunte in aller Ruhe die über Dreitausend Jahre alten Hieroglyphen und Malereien, durfte eine Minute ganz allein in der Grabkammer stehen bleiben, um in Stille zu „fühlen“…

Die Landschaft am Nil, dem Grünstreifen Kulturland, den golden schimmernden Bergen mit ihren Tempeln und Gräbern und dem blauen Himmel darüber fasziniert mich ewig… und sie bleibt wohl ewig, denn es ist dieselbe Landschaft wie auf den Grabmalereien. Nichts hat sich verändert, „wir sind Pharaonen, wir haben uns in dreitausend Jahren nicht verändert“, sagt mir mein Gesprächspartner später. Das scheint wohl so zu stimmen – ob zum Vorteil oder zum Nachteil, lassen wir jetzt offen.

Im März findet ein weiteres Filmfestival, das African Filmfestival, statt. Ob ich wohl nochmals hinfahren soll? Einfach so, ganz schnell mal?

Motorboote an der Westbank

Diir El-Medina

Nekropolen der Edelleute

wer erkennt es nicht?



Montag, Februar 02, 2015

Redsea Mountains im Winter

Es war sehr kalt. Es stürmte. Eine ausgefallene Gelegenheit, in die Redsea Mountains zu fahren. Ich durfte mich einer Gruppe anschliessen.

Robby führte uns zu einer kleinen versteckten Oase und ich machte mich auf und davon. Ich lief über Geröll und Felsen hinauf, hinüber, weg… weg von den Menschen, hinaus in die Einsamkeit und Ruhe. Absolut still war es zwar nicht, denn der Wind pfiff mir um die Ohren, tanzte über die Felsen und wirbelte den Sand auf. Nicht Sandsturm, nein, aber recht stürmisch.

Bei meiner Rückkehr zur Oase wurde ich in die Wirklichkeit zurückgeholt: die anderen hatten Hunger! So machten wir uns auf, einen halbwegs geschützten Platz für ein Barbecue zu finden. Ein Barbecue im Sturmwind? Robby hat das Unmögliche möglich gemacht. Der Sonnenuntergang danach fand nicht statt, Berge, Himmel und Wüste verschwammen in einem undefinierbaren Grau. Und weil wir viel zu spät gestartet waren (die anderen wollten das so), lag es zeitlich auch nicht mehr drin, den Sternenhimmel abseits der Lichtverschmutzung zu bewundern – wir mussten raus aus der Wüste.

Die folgenden zweieinhalb Stunden werde ich nicht mehr vergessen: die zwei Scheinwerfer von Robbys Jeep strahlten in die dunkle Nacht hinaus, auf Fahrspuren, dessen Sandkörner der Sturm schon wieder durcheinander gebracht hatte. Wir kreuzten Pisten, erahnten Bergsilhouetten, entdeckten einen verlorenen Stern. Was wohl in den Köpfen meiner Mitfahrer vorging? Zweifel? Angst? Keine Ahnung… ich hatte Vertrauen in Robby. Und tatsächlich: im gleichen Moment als ich eine mir bekannte Felswand im Halbdunkel ausmachen konnte, fragte mich Robby, ob ich wüsste, wo wir seien! Eine fantastische Leistung; der Mann kennt sich aus in „seiner“ Wüste.
Ich hoffe, ich hab bald wieder Gelegenheit…

Hier sind einige Eindrücke:




Friedhof der Beduinen





cleveres Mäuschen